Kinder- und Jugend-Reha
Eltern sollten ihr Wahlrecht stärker nutzen

Der Bedarf an Leistungen zur Kinder- und Jugend-Reha ist in Deutschland zwar hoch, dennoch werden auch 2024 viel zu wenige Anträge gestellt. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Doch jetzt gelten neue gesetzliche Regelungen. Wird sich nun etwas zum Positiven verändern?
28.03.2024
Die Antragsverfahren sind komplex und laut der der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ) zum Teil äußerst langwierig. Dabei werden die Anträge von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) zu 90 Prozent bewilligt. Diese Lage ist sei umso tragischer, als nach Daten des Robert-Koch-Instituts eigentlich eine halbe Million Kinder und Jugendliche eine Reha benötigen würden. Tatsächlich nehmen jedoch pro Jahr nur gut 30.000 eine Maßnahme in Anspruch.
Trotz der geringen Rate von Kinder-Reha-Anträgen habe das bisherige System gut funktioniert, sagt Dr. Gerd Claußnitzer, Ärztlicher Leiter der Spessart-Klinik Bad Orb und Leiter des Fachausschusses Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche der DGSPJ. Da nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EUGH) die gesamte Vergabe von Reha Leistungen, das betrift Rehanträge, Zulassung, Verträge und die Finanzierung, neu geregelt werden musste, gelten im Zuge dieses Prozesses seit Juli 2023 einschneidende und bislang wenig bekannte, Änderungen. Das spezielle Problem für die Kinder- und Jugend-Reha liegt in der Wartezeitberechnung. Laut Dr. Claußnitzer werden seit dem 1.7.2023 zu hohe Wartezeiten berechnet und dadurch Kliniken gesperrt, obwohl dort freie Betten trotz vorliegender Anträge und hoher Bedarfe nicht belegt werden können. Kinder und Jugendliche laufen dadurch vermehrt Gefahr, in einer Einrichtung sehr weit vom eigenen Wohnort enfernt zu landen. Deshalb kommt dem neuen Wunsch und Wahlrecht der Eltern ganz besonders große Bedeutung zu. Dieses sieht konkret wie folgt aus:
- Mehr Chancen für eine Wunschklinik: Von der*dem Versicherten können nun bis zu drei WunschRehabilitationseinrichtungen eingetragen werden. Zunächst tragen die Eltern in ihrem Antrag auf Rehabilitation in Absprache mit ihrem*ihrer Kinder- und Jugendärzt*in ihre Wunsch-Klinik ein. Dabei sollte der*die Pädiater*in aber ausdrücklich auf das Wunsch- und Wahlrecht des Kindes für eine bestimmte Klinik hinweisen, rät die DGSPJ. Die DRV prüft dann, ob die Klinik fachlich geeignet ist. Von der Wunsch-Klinik erhält die Familie einen Aufnahmetermin.
- Mehr Alternativen bei einer Ablehnung: Sollte die Aufnahme seitens der Klinik nicht innerhalb der Gültigkeitsdauer der Kostenzusage möglich sein, kann der Antrag von der DRV bis zum nächst möglichen Aufnahmetermin verlängert werden. Dies ist allerdings nach dem neuen Gesetz nur noch auf Antrag des Versicherten selbst möglich. Oder aber man versucht, bei zwei anderen WunschKliniken einen früheren Reha Termin zu erhalten.
- Klare Vergabekriterien: Falls keine Wunsch-Klinik angegeben wird, schlägt die DRV selbst nach festen Kriterien 4 Vertragskliniken vor, und zwar nach Qualitätsstandards (Gewichtung 50 Prozent), Wartezeit von der Kostenzusage bis zur Klinikaufnahme (Gewichtung 40 Prozent) sowie Entfernung vom Wohnort (Gewichtung 10 Prozent).
Der einzige Weg, schneller die Reha antreten zu können, ist die Wahrnehmung des Wunsch- und Wahlrechtes. Dr. Claußnitzer bedauert, dass auch unter diesen neuen Bedingungen bislang nur jeder 4. Versicherte dieses Recht in Anspruch nimmt. Denn in den meisten Fällen kann dann auch, abgesehen von der Sprach-Reha, die Wartezeit auf deutlich unter 6 Monate gesenkt werden.
Bleibt zu hoffen, dass mit der Stärkung des Wahlrechts künftig nun deutlich mehr Reha-Anträge für Kinder und Jugendliche gestellt und dann auch bewilligt werden. Nur so wird die Schere zwischen Anträgen und tatsächlichem Bedarf geschlossen werden können, erklärt Prof. Heidrun Thaiss, Präsidentin der DGSPJ.
Eine gute Übersicht über alle Angebote der Kinder und Jugendrehabilitation mit Hinweisen zur Antragsstellung findet sich auf der Website der Kinder- und Jugendreha im Netz.
Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin vom 12. März 2024
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