EU-Jugendstrategie

Nachlese: Auf einem guten Weg – Mehr Europa in der Kinder- und Jugendhilfe

Henny Wibbelink, Teammanagerin im Jugendamt ‘s-Hertogenbosch (Niederlande), und Jan Husák vom tschechischen Kinder- und Jugendring auf dem Podium im Gespräch mit Ulrike Wisser und Jochen Butt-Pośnik von JUGEND für Europa

Die Veröffentlichung des 2. EU-Jugendberichts im September 2012 hat die zweite Phase der Umsetzung der EU-Jugendstrategie eingeläutet. Zeit für einen Rückblick auf das bereits Erreichte. Die Teilnehmer des 12. Forums zu Perspektiven Europäischer Jugendpolitik am 6. Februar in Berlin zogen eine erste Bilanz und wagten den Blick nach vorn.

12.02.2013

JUGEND für Europa Programmkoordinator Jochen Butt-Pośnik lobte in der Begrüßung die modellhafte Intensität der Umsetzung in Deutschland, die bereits bis in die Praxis hinein eine Wirkung auf unterschiedlichen Ebenen erzeugen konnte. Auch Thomas Thomer vom BMFSFJ resümierte, dass die Umsetzung der EU-Jugendstrategie in Deutschland durchaus auf einem guten Weg ist, stellte jedoch auch fest, dass sie noch stärker vor Ort ankommen muss. Somit stand der Austausch der Fachkräfte auf dem 12. Forum ganz im Zeichen der Konkretisierung der Umsetzung in der nächsten Phase.

Wie sich aus den bisherigen Erfahrungen Konkretisierungen ableiten lassen, deutete sich schon im Eröffnungsgespräch mit Ute Karger aus der Bund-Länder-AG und Dr. Dirk Hädrich, Vorsitzender des AGJ-Fachausschusses II „Kinder- und Jugend(hilfe)politik in Europa“, an. Auch Hädrich bestätigte, dass ein noch stärkerer Impuls zur strukturierten Umsetzung in alle Bereiche der Kinder- und Jugendhilfe ausgehen muss, damit das Thema Europa noch mehr Beachtung findet. Dabei ist es wichtig, den Gedanken Europa nicht als etwas Neues zu begreifen, was zwischen bestehenden Themen eingeklemmt wird, sondern vielmehr ihn selbstverständlich in allen Bereichen der bestehenden Aktivitäten mitlaufen zu lassen. Hierbei sind die Länder in der Pflicht, eine beratende Funktion einzunehmen, um auch kleineren Institutionen und Kommunen Anknüpfungspunkte und Fördermöglichkeiten zu eröffnen. Ute Karger mahnt jedoch auch zur Vorsicht, nicht jedes Thema nun als zur EU-Jugendstrategie zugehörig zu deklarieren, sondern sich konzentriert wenigen Themen zu widmen, um diese intensiv und langfristig zu bearbeiten.

Mit Henny Wibbelink, Teammanagerin im Jugendamt ‘s-Hertogenbosch (Niederlande), und Jan Husák vom tschechischen Kinder- und Jugendring auf dem Podium im Gespräch mit Ulrike Wisser und Jochen Butt-Pośnik von JUGEND für Europa ergab sich ein interessanter Erfahrungsaustausch mit europäischen Gästen. Henny Wibbelink fasste ihre Rolle in der Umsetzung der EU-Jugendstrategie prägnant zusammen: „Andere dazu ermutigen, europäisch zu denken.“ An einem Beispiel erläuterte sie, dass das gar nicht so kompliziert sein muss. In einem sehr praktischen Projekt widmete man sich in den Niederlanden der Diskrepanz zwischen einer hohen Jugendarbeitslosigkeit auf der einen und der Schwierigkeit, Arbeitsplätze im technischen und naturwissenschaftlichen Bereich zu besetzen, auf der anderen Seite. Mit der Entwicklung eines Kooperationsprojekts zwischen einem Unternehmen aus diesem Bereich und Schulen aus der Gemeinde konnte eine praktische naturwissenschaftliche Förderung bereits frühzeitig implementiert werden, um ein größeres nachhaltiges Interesse dafür zu wecken. Jan Husák ermutigt mit seinem Praxisbeispiel dazu, auch niedrigschwellige Angebote als erfolgreiche Umsetzungen zu sehen. Im Rahmen von Partys und Open Air Festivals konnten viele bisher nicht aktive oder organisierte Jugendliche erreicht werden, die durch das Ausfüllen von Fragebögen auf den Veranstaltungen in Kontakt kommen mit der europäischen Idee und diese dann vielleicht auch weitertragen. Außerdem konnte durch diese Art von Veranstaltung mediale Aufmerksamkeit geweckt werden. Bevor es in die Mittagspause ging, gab Henny Wibbelink auf die Frage, wie mit Hindernissen und Schwierigkeiten in der Umsetzung umzugehen ist, die durch Richtlinien oder lokale Organisationsstrukturen entstehen, noch einen pragmatischen Rat: „Do things, until you find the boundaries!“

Frisch gestärkt durchs Mittagessen und informellen Austausch in Pausengesprächen teilten sich die Teilnehmenden des Fachtags in sechs Workshopgruppen auf, um noch tiefer in die Konkretisierung einzusteigen. Eröffnet von jeweils einem Praxisbeispiel entsponnen sich intensive Diskussionen und Frage-Antwort-Runden, die teilweise sehr spezifische Hindernisse in der Umsetzung zutage brachten. So berichteten in Workshop 1 zwei Vertreter der Berliner Landesschülervertretung von ihren Schwierigkeiten, sich an einer europäischen Schülervertretung zu beteiligen, da unterschiedliche föderalistische Regelungen der Bildung einer rechtskräftigen Bundesschülervertretung im Weg stehen. Viel Kritik wird auch geübt am Begriff der benachteiligten Jugendlichen, der für die Antragstellung und Berichterstattung gemäß Förderrichtlinien verwendet werden muss, jedoch zu einer Stigmatisierung der teilnehmenden Jugendlichen führt. Alen Brinza vom Jugendhaus Pirmasens möchte deswegen auch keine Zielgruppendiskussion führen: „Entscheidend ist, welche Motivation ein Jugendlicher hat, zum Beispiel an einem Jugendaustausch teilzunehmen. Wer will, der kann!“

Überhaupt scheint sich vieles um Begrifflichkeiten zu drehen. Während einige Teilnehmer von Schwierigkeiten bei der Implementierung des Strukturierten Dialogs berichten, erinnern andere daran, dass die offene Jugendarbeit schon vor der Installation dieses Begriffs vom Dialog lebte und das auch hier weniger der Begriff im Vordergrund stehen sollte, sondern der Dialog an sich. Wichtiger sei es, den entsprechenden Rahmen zu schaffen. Hierzu ist man sich einig, dass die zu erschließende Zielgruppe eigentlich die Entscheidungsträger sind. Um eine Leichtigkeit des Dialoges für beide Seiten zu ermöglichen, müssen nicht nur die Jugendlichen sich vorbereiten, sondern auch der Entscheidungsträger muss bereit und in der Lage sein, sich auf die Jugendlichen und ihre Sprache einzulassen. Dementsprechend sollten Förderbedingungen Projekte mit der Zielgruppe Entscheidungsträger stärker berücksichtigen und ermöglichen. Anschließend wurde die Frage gestellt, ob es tatsächlich notwendig und sinnvoll ist, dass Jugendarbeit sich internationalisiert und europäisiert und letztendlich angeregt, den Schwerpunkt auch begrifflich auf die Interkulturalität zu legen. Das Erkennen und Respektieren von Unterschieden, das Verständnis füreinander, fängt nicht erst an der Grenze zum Nachbarland, sondern bereits vor der eigenen Tür an. Auf diese Weise rückt Europa als Vielfalt in den Vordergrund, weniger als Ort oder Zielgruppe.

Auch Wolfgang Schick, Landesjugendreferent Salzburg, widmete sich in der Abschlussbetrachtung sprachlichen Feinheiten und fasste mit dem Slogan „Nicht Europa UND wir, sondern Europa SIND wir“ zusammen, dass es nicht eine zentrale Struktur ist, die Dinge vorgibt, sondern es die 27 Mitglieder sind, die Ideen und Leitfäden entwickeln und von denen eine Initiativkraft ausgehen muss. Schick schloss die Veranstaltung mit einem kritischen Blick auf den Begriff Querschnitt und einem Plädoyer für eine aufsuchende Querschnittspolitik. Die Umsetzung der EU-Jugendstrategie sollte nicht den Weg durch die Mitte der Politikfelder gehen, sondern vielmehr gezielt jene aufsuchen, die junge Menschen beschäftigen und betreffen.

Quelle: <link www.eurobba.de _blank external-link-new-window "Öffnet externen Link in neuem Fenster">Anika Lampe/www.eurobba.de</link>

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