Jugendsozialarbeit

Mobbing an Berufsschulen: Warum Lehrkräfte oft nichts bemerken und wie Schulen vorbeugen können

Viele Schülerinnen und Schüler an beruflichen Schulen sind mit Mobbing konfrontiert. Lehrkräfte bekommen davon häufig nichts mit. Im DJI-Interview erklärt Wissenschaftlerin Tatjana Mögling die Ursachen. Im Forschungsschwerpunkt „Übergänge im Jugendalter“ hat sie Mobbingfälle in Berufsschulklassen untersucht und empfielt u.a. eine Stärkung der Schulsozialarbeit und mehr Achtsamkeit für das soziale Miteinander an Schulen.

15.05.2018

Tatjana Mögling ist zusammen mit Frank Tillmann und Anna Wisniewski im Forschungsschwerpunkt „Übergänge im Jugendalter“ am Deutschen Jugendinstitut (DJI) tätig. Gemeinsam haben sie Mobbing-Fälle in acht Berufsschulklassen untersucht und dazu Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler befragt.

DJI: Frau Mögling, warum treten Mobbingfälle an Berufsschulen häufiger auf als an anderen Schulen?

Tatjana Mögling: Mobbingprozesse unter älteren Schülerinnen und Schülern laufen generell nicht so offensichtlich ab und sind daher weniger sichtbar. Gerade an den großen, anonymen Berufsbildungszentren müssen die Täterinnen und Täter zudem weniger mit Interventionen seitens der Lehrkräfte rechnen. Mobbing geschieht heute an Berufsschulen ausschließlich in „Tateinheit“ mit Cybermobbing, das sich vielfach der Aufmerksamkeit der Fachkräfte entzieht. Und viele wollen es – so unsere Erfahrungen – auch gar nicht so genau wissen. Gleichzeitig sehen sich die Eltern der jungen Erwachsenen nicht mehr so sehr in einer Beschützerrolle wie bei Schulkindern.

Was führt dazu, dass eine Schülerin oder ein Schüler gemobbt wird?

Jegliche Abweichung von der im Klassenverband definierten „Normalität“ –  zum Beispiel in Bezug auf Äußerlichkeiten, ethnische Herkunft oder Leistungsniveau –  kann Auslöser für Mobbing sein. Aber auch singuläre Ereignisse, wie etwa die situative Verletzung der Gruppen-Loyalität, liefern Anlässe bzw. Vorwände für eine Verfestigung von „negativer Kommunikation“, als die Mobbing vielfach beschrieben wird.

Wie läuft das konkret ab?

Anhand unserer Fallstudien haben wir drei Konfliktstufen identifiziert: Eine Konfrontationsphase, die sich an Konflikten entzündet, geht in eine Verfestigungsphase über, die das eigentliche Mobbing ausmacht. Diese mündet schließlich in eine Rückzugsphase, in der die Betroffenen die fortgesetzten Übergriffe nicht mehr aushalten können und den einzigen Ausweg darin sehen, der Schule fernzubleiben.

Was können Berufsschulen tun, um es gar nicht erst so weit kommen zu lassen?

Auf Klassenebene können teambildende Maßnahmen vor allem zu Beginn der Ausbildung hilfreich sein. Außerdem empfehlen wir Lehrkräften, gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern einen sozialen Verhaltenscodex zu erarbeiten. Auf der Ebene der Schule raten wir zu einem Achtsamkeitskonzept, das alle am schulischen Leben Beteiligten für Gewaltfreiheit sensibilisiert. Zudem sollte die Schulsozialarbeit an Berufsschulen gestärkt werden, die eine wichtige Mediationsfunktion erfüllt. Zur Prävention eignen sich eigentlich alle Initiativen, die einer langfristigen Verbesserung des sozialen Miteinanders an der Schule dienen.

Sind die Fachkräfte ausreichend geschult?

Die meisten Lehrkräfte können sich kaum in die mediatisierte Welt von Jugendlichen hineinversetzen. Dies wäre nötig, um jungen Menschen das sichere Agieren beim Auftreten von konkreten Mobbingvorfällen zu vermitteln. Schulungen, auch zu rechtlichen Aspekten oder zu Ansätzen einer gewaltfreien Schulentwicklung, wären deshalb wichtig.

Welche Unterstützungsangebote gibt es für Betroffene?

Niemand muss sich mit seinem Schicksal abfinden. Für Jugendliche gibt es spezielle Beratungsstellen, wie zum Beispiel FairKom in Kiel, MobbingHelp in Halle (Saale) oder das Jugendinformationszentrum (JIZ) in München. Außerdem ist eine von der EU geförderte Anti-Mobbing-App empfehlenswert.

Hintergrund

Die Ergebnisse der qualitativen Studie, die von der Aktion Mensch gefördert wurde, sind 2018 unter dem Titel  „Mobbing an beruflichen Schulen“ erschienen. Das Autor/-innenteam beschreibt in der Veröffentlichung auch, welche Möglichkeiten der Intervention pädagogische Fachkräfte und betroffene Klassenverbände haben und wie Mobbing an Berufsschulen präventiv entgegengewirkt werden kann.

Das Erstveröffentllichung des Interviews steht online beim Deutschen Jugendinstitut mit weiterführenden Informationen zum Forschungsschwerpunkt Übergänge im Jugendalter online zur Verfügung.

Quelle: Deutsches Jugendinstitut e.V.

Back to Top