Bildungschancen

Klima-Migration verhindert Bildung vieler Kinder in Südostasien

Ein Bericht von World Vision zeigt, dass Klimawandel und Migration in Südostasien schwer auf Kindern lasten. Häufig müssen sie die Schule abbrechen, um ihre Familien zu unterstützen. Die Trennung von migrierenden Eltern und prekäre Arbeitsbedingungen gefährden ihre Bildung, Entwicklung und emotionale Gesundheit, was ihre Zukunftschancen stark beeinträchtigt.

18.09.2024

Aus Not veranlasste Migrationsbewegungen, die durch den Klimawandel weiter zunehmen, lasten schwer auf den Schultern von Kindern. Das verdeutlicht ein heute veröffentlichter Bericht der Kinderhilfsorganisation World Vision und des Stockholmer Umweltinstituts (SEI) zur Situation in Südostasien. Gerade im Bereich der Bildung zeigen sich deutlich negative Folgen: Sowohl mitgenommene Kinder als auch jene, die ohne Eltern zurückblieben, brechen häufiger die Schule ab. Aber auch ihre generelle Entwicklung und die Gesundheit bleiben auf der Strecke.

„Wir sehen einen blinden Fleck in der Klima- und Migrationspolitik: die Überlebensstrategie von Millionen armen Familien, denen Mittel zum Schutz ihrer Lebensgrundlagen vor Klimaschäden fehlen, gefährdet gleichzeitig die Ausbildung ihrer Kinder und damit deren Zukunftschancen. Obwohl Bildung oft Priorität für Migrant*innenneltern hat, führt die wirtschaftliche Belastung durch Schulden und Lebenshaltungskosten häufig dazu, dass Kinder ihren Schulbesuch unterbrechen oder beenden müssen, um ihre Familien zu unterstützen.“ ,

erklärt Marwin Meier, politischer Referent bei World Vision Deutschland. Die Analyse basiert auf persönlichen Geschichten betroffener Kinder, Jugendlicher und Eltern in Kambodscha, Laos und Vietnam, ergänzt durch Interviews mit lokalen Führungspersönlichkeiten und Experten.

Rund die Hälfte aller Kinder in Ostasien und in der Pazifik-Region erleben fünf oder mehr Klimaschocks, oft in Verbindung mit Umweltzerstörung. Durch häufigere Tropenstürme, Überschwemmungen, Hitzewellen, Dürren oder Erdrutsche verlieren gerade arme Familien zusehends ihre Lebensgrundlage. Unzählige arme Familien sind verschuldet und verlassen auf der Suche nach besser bezahlten Jobs ihre Heimat. Thailand und Malaysia zählen zu den wichtigsten Zielländern von mehr als 10 Millionen internationalen Arbeitsmigrant*innen in der Region (laut UNO-Statistik von 2020). Mitgenommene Kinder arbeiten oft informell mit – beispielsweise auf Plantagen, Baustellen, in Haushalten oder Servicediensten, wo sie in der Regel schlecht bezahlt und wenig vor Ausbeutung geschützt sind.  Die Lohnarbeit verhindert bei vielen die Fortsetzung des Schulbesuchs, insbesondere bei einer Migration ins Ausland.

Wegen Einreisebeschränkungen für Familien und mangelnder Sozialhilfen bleibt ein großer Teil der Kinder von Migrant*innen monatelang, manchmal auch jahrelang, allein zurück. Oft müssen die Kinder und Jugendlichen die sie betreuenden Verwandten finanziell unterstützen, weil ihre Eltern weniger überweisen können als erwartet. Vor allem ältere Mädchen übernehmen Pflichten im Haushalt und in der Landwirtschaft. Damit verstärkt die armutsbedingte Migration auch soziale Ungleichheiten.

Die 11-jährige Soaphea aus Kambodscha sammelt täglich Kohle, Bambuswurzeln, Wasserlilien oder kleine Krebse, die sie dann am Straßenrand verkauft – ein Korb Kohle zum Beispiel für 2,50 Euro. 

„Wir leben von Tag zu Tag, und ich mache mir große Sorgen um die Zukunft meiner Enkelin, da ich alt bin und ihr nichts bieten kann”, 

erzählt Großmutter San Saig. Ein Patenschaftsprogramm von World Vision gibt ihr Hoffnung, dass sich die Situation bessern könnte und Sophea in der Schule erfolgreich lernen kann.

Sowohl Kinder als auch Eltern berichten von tiefgreifenden emotionalen Auswirkungen der Trennung von der Familie. „Ich bin oft traurig, weil ich nicht mit meinen Eltern zusammen sein kann“, erzählt Soathalen aus Kambodscha, die bereits seit 14 Jahren unter der Obhut ihrer Großeltern lebt. Ihre Eltern arbeiten in Thailand. „Ich habe sie gebeten bei mir zu bleiben, bis ich meine Ausbildung beendet habe. Wenn sie hier wären, würden sie mich ermutigen und bei allem unterstützen.“

„Der physische, emotionale und mentale Tribut, den die Migration von Mädchen und Jungen fordert, ist viel zu lange unbemerkt geblieben“, erklärt Terry Ferrari, Regionalleiterin Ostasien von World Vision. „Es müssen dringend Schritte unternommen werden, um diese Herausforderungen zu bewältigen und die Zukunft dieser jungen Menschen zu sichern.“

Der Bericht “Climate Change, Vulnerability and Migration: Impacts on Children and Youth in Southeast Asia” enthält dazu Empfehlungen auf fünf Ebenen:

  • Verbesserte Infrastruktur und Katastrophenvorsorge, um die Folgen des Klimawandels besser zu bewältigen
  • Flexible und faire Unterstützung für einen nachhaltigen Lebensunterhalt
  • Verbesserter Schutz für Eltern und Kindern, die migrieren
  • Fürsorge für Betreuungspersonen und die Kinder, die bei ihnen zurückbleiben
  • Kinder und Jugendliche in die Lage versetzen, sich selbst eine bessere Zukunft aufzubauen.

World Vision ermöglicht vielen jungen Menschen in Südostasien an politischen Dialogen zur Stärkung der Kinderrechte und zu Lösungsansätzen für die wichtigsten Probleme im Zusammenhang mit der Migration und der Klimakrise teilzunehmen. In Projekten der Entwicklungszusammenarbeit unterstützt die Kinderhilfsorganisation auch den Aufbau von Kapazitäten zur Stärkung der Klimaresilienz, etwa in der Landwirtschaft, im Katastrophenschutz und durch Maßnahmen gegen soziale Benachteiligung. 

Weitere Inforamtionen

Quelle: World Vision vom 06.09.2024

Redaktion: Lukas Morre

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