Jugendsozialarbeit

Jeden Tag fehlt jemand: Schulabsentismus wahrnehmen und entgegenwirken

„Einen Schulabschluss erreichen und eine Ausbildung machen!“ Das ist das Ziel der meisten jungen Menschen, wenn man sie nach ihren Lebensperspektiven fragt. Selbstverständlicher Wunsch ist das auch für diejenigen, die gar nicht (mehr) zur Schule gehen. Für eine steigende Zahl junger Menschen ist der scheinbar einfachste Weg dahin − ein regelmäßiger Schulbesuch − jedoch nicht gangbar. Das stellten über 100 Expert(inn)en, Fachkräfte und Multiplikator/-innen aus Schule sowie Kinder- und Jugendhilfe anlässlich der Fachtagung „Schulabsentismus. Alternative Wege zum Schulabschluss“ am 27. und 28. Mai in Bonn fest.

03.06.2019

„Das Ausmaß lässt sich nur sehr schwer beziffern. Belegen lässt sich aber, dass der Absentismus von 12% in der Primarstufe auf 19% in der Klassenstufe 9/10 ansteigt. Die häufig fehlenden Kinder und Jugendlichen werden von den Lehrkräften überwiegend (zu 61,8%) als „verhaltensauffällig“ beschrieben.“ erklärt Prof. Dr. Thomas Hennemann von der Universität Köln. Dennoch findet das Phänomen Schulabsentismus bildungs- und gesellschaftspolitisch viel zu wenig Beachtung. Die Auswirkungen sind fatal, sind sich die Teilnehmenden einig. Für betroffene junge Menschen ist Schule schwänzen belastend, weil sie aus einem zentralen Lebensort ausgegrenzt sind. Zudem schwinden ihre Aussichten auf eine erfolgreiche berufliche Integration und damit auch auf ein selbstständiges und erfülltes eigenes Leben.

Warum bleiben Kinder und Jugendliche der Schule fern?

Die Gründe sind vielschichtig. Zum einen kann das Wegbleiben ein Selbstschutz gegen Misserfolgserlebnisse, gegen das Gefühl von Isolation und geringer Akzeptanz bei Mitschüler/-innen und Lehrer/-innen sein. Zum anderen empfinden immer mehr junge Menschen schulisches Lernen als sinnlos, weil sie kaum noch Bezüge zu ihrer Lebensrealität herstellen können.

„Gerade hier ist die Kinder- und Jugendhilfe eine wertvolle Partnerin für Schulen. Sie wirkt präventiv und intervenierend mit ihren Angeboten, die von ihrem Ansatz her immer einen Gesamtblick auf die Lebenslage junger Menschen hat“, betont Christiane Giersen, Vorstandssprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozi­alarbeit (BAG EJSA).

Alternative Wege zum regulären Schulbesuch, wie die Angebote der Jugendwerkstätten, der Jugendsozialarbeit, der Produktionsschulen und der Fernschulen standen im Mittelpunkt der Tagung. Sie haben sich bewährt, weil sie über ein intensives Beziehungsangebot, die jungen Menschen mit ihren Sorgen und Ängste sehen, ernstnehmen und ihnen Raum zum selbstbestimmten Lernen anbieten. „Wichtig ist, gemeinsam zu reflektieren, was in welcher Form für welche jungen Menschen zielführend ist. Schulen im regulären Schulsystem können von anderen Konzepten lernen und eigene Schulentwicklungsprozesse starten“, sagt Marion Paar, Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS).

„Dazu gehört auch, dass die alternativen Angebote stärker anzuerkennen und finanziell nachhaltig zu sichern sind.“ Denn jeder junge Mensch, der keinen Schulabschluss erreichen kann, ist einer zu viel!

Quelle: IN VIA Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit Deutschland e.V. vom 27.05.2019

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