Mehrkindfamilien

Inflationsausgleichsgesetz übersieht kinderreiche Familien

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat gestern Eckpunkte für ein Inflationsausgleichsgesetz vorgestellt, die auch eine Erhöhung des Kindergeldes für 2023 und 2024 einschließen. Der Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. bemängelt, dass mit der vorgesehenen neuen Kindergeldstaffelung Familien mit drei und mehr Kindern künftig schlechter gestellt würden.

15.08.2022

Dr. Elisabeth Müller, Vorsitzende des Verbands kinderreicher Familien Deutschland e.V., äußert sich zu den Plänen:

„Christian Lindners Vorschlag übergeht Mehrkindfamilien und wird deren besonderer Leistung nicht gerecht. Jede Familie ist dankbar für Kindergeld. Dass die Sätze aber nur bis zum dritten Kind an die Inflation angepasst werden sollen, ist absolut unverständlich.“

Kinderreiche Familien sind durch die dramatisch steigenden Lebenshaltungskosten besonders hart getroffen, z.B. durch die Preisexplosion bei Lebensmitteln. Müller zeigt sich vom aktuellen Gesetzentwurf enttäuscht:

„Mehrkindfamilien tragen enorme Lasten. Für die Gesellschaft bringen sie einen erheblichen Mehrwert, etwa, indem sie etwas gegen die demografische Lücke stellen. Auch Familien mit vier und mehr Kindern sollten spürbar vor der Inflation geschützt werden.“

Eine stärkere staatliche Förderung von Familien, die sich für dritte und weitere Kinder entscheiden, geht mit einem hohen Mehrwert für die Gesamtgesellschaft einher und rechnet sich nicht nur als positives Ergebnis von Fiskalanalysen (vgl. IW-Mehrwertstudie 2017). „Der Inflationsausgleich für kinderreiche Familien würde den Bundeshaushalt vergleichsweise wenig belasten, denn nur rund zwei Prozent der Familien haben vier Kinder; über fünf Kinder haben gerade einmal 0,7 Prozent der Familienhaushalte“, so Dr. Müller weiter.

Kinderreiche Familien investieren deutlich mehr finanzielle Mittel und Zeit für die Betreuung, Bildung und Erziehung ihrer Kinder. Dabei stehen ihnen oftmals nur ein- bis anderthalb Gehälter zur Verfügung. Aufgrund ihres alltäglich notwendigen Konsums werden größere Familien durch Verbrauchssteuern deutlich stärker belastet als kleinere, die einen nicht so hohen Anteil ihres Einkommens für Verbrauchsgüter verausgaben müssen. Im Falle anderer wesentlicher Ausgabenbereiche für Familien, wie z. B. Wohnen und Mobilität, müssen Mehrkindfamilien ebenfalls jeweils mit deutlich höheren Kosten rechnen. Diese wesentlich höheren Familieninvestitionen sollten deshalb auch adäquat abgebildet werden. Angesichts der gegenwärtigen Ausnahmesituation bedarf es für Familien einer gesonderten Betrachtungsweise. Der KRFD e.V. schlägt deshalb eine Erhöhung des Kindergeldes um je 50 Euro pro Kind mit vorerst zeitlicher Befristung der Auszahlung z.B. für ein Jahr vor. Langfristig setzt sich der Verband für die Erhöhung des Kindergeldes beim dritten Kind um 50% und bei vierten und weiteren um je 75% ein. Zu den Forderungen des KRFD

Dr. Elisabeth Müller kritisiert:

„An sich ist Lindners Vorschlag, das Kindergeld zu erhöhen, ein gutes Signal. Schaut man jedoch genauer hin, kommen gleich mehrere Negativaspekte zum Vorschein, die der Realität von Mehrkindfamilien in keiner Weise gerecht werden. Wer Familien wirklich entlasten will, muss dies spürbar tun und nicht mit Kleinstbeträgen. In der Höhe der Kindergeldbeiträge ist dieser Vorschlag daher absolut unzureichend.“

Familien, in denen drei Kinder und mehr im Haushalt leben, trifft die Inflation schwer. Eine Familie mit drei Kindern würde laut Vorschlag 36 Euro pro Monat mehr erhalten. Alle größeren Familienformen mit vier und weiteren Kindern werden schlichtweg übersehen. Lindners Vorhaben, die Staffelung des Kindergeldes aufzuheben und so zwischen Familien mit einem Kind und Familien mit mehreren Kindern nicht mehr zu unterscheiden, trifft deshalb beim Verband auf großes Unverständnis. Laut Entwurf werden Kind 1 und 2 minimal gefördert; Kind 3 bekommt 2 Euro mehr und Kinder 4, 5 und weitere bleiben unberücksichtigt. Auch vierte und fünfte Kinder verursachen Kosten. Eine Anhebung des Kindergeldes sollte mindestens für jedes Kind in gleicher Höhe erfolgen.

Auch eaf fordert Korrektur beim geplanten Inflationsausgleichsgesetz

„Angesichts der steigenden Inflation ist die für das kommende Jahr geplante Kindergelderhöhung mit 8 Euro für das erste und zweite Kind schon vollkommen unzureichend. Ab dem dritten Kind sollen es gar nur 2 Euro sein und für vierte und weitere Kinder entfallen die Erhöhungen gänzlich“, kritisiert Bernd Heimberg, Vizepräsident der eaf. Die Armutsbetroffenheit von Familien steigt aber mit der Kinderzahl. Insbesondere die Kosten für angemessenen Wohnraum und Mobilität erhöhen sich sprunghaft ab dem dritten Kind. Erwiesenermaßen haben Mehrkindfamilien „pro Kopf“ ein geringeres Einkommen zur Verfügung als kleinere Familien.

Bernd Heimberg fordert Korrektur:

„Nicht umsonst ist seit Jahrzehnten das Kindergeld für dritte, vierte und weitere Kinder höher als für das erste und zweite Kind. Nun von dieser Praxis abzuweichen, ist angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten weder sachgerecht noch angemessen. Wir halten es für erforderlich, dass diese beabsichtigte Schlechterstellung von Mehrkindfamilien in den Beratungen der Koalition rückgängig gemacht wird.“

Der Paritätische Wohlfahrtsverband spricht von einer sozialen Schieflage

Die durch Medienberichte bekannt gewordenen Pläne kritisierte der Paritätische Wohlfahrtsverband als „völlig falschen Ansatz” mit einmal mehr beachtlicher sozialer Schieflage. Die angekündigte Kindergelderhöhung sei ein an sich gutes Signal, in der Höhe jedoch – unabhängig von der Kinderzahl – absolut unzureichend. Der Paritätische fordert eine Anhebung des Kindergeldes um mindestens zehn Prozent und unterstreicht darüber hinaus die Dringlichkeit gezielter finanzieller Entlastungsmaßnahmen insbesondere für alle einkommensschwachen Haushalte. Zum Artikel auf jugendhilfeportal.de

Über den Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V.

Der Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. (KRFD) ist im Jahr 2011 aus der Initiative engagierter kinderreicher Familien entstanden; vertritt 1,4 Millionen kinderreiche Familien in Deutschland und setzt sich in Politik, Wirtschaft und Medien für ihre Interessen ein. Der Verband versteht sich als Netzwerk von Mehrkindfamilien, die sich untereinander unterstützen und die Öffentlichkeit für ihre Anliegen erreichen wollen. Der Verband ist konfessionell ungebunden und überparteilich.

Quelle: Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. vom 11.08.2022

Redaktion: Kerstin Boller

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