Ein Jahr Krieg in der Ukraine

Hilfswerke kritisieren anhaltende Kinderrechtsverletzungen

Vor einem Jahr begann Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Diesen Jahrestag nehmen verschiedene Hilfswerke zum Anlass, erneut auf gravierende Situation der vom Krieg betroffenen Kinder aufmerksam zu machen. Gewalt, Vertreibung, traumatische Erfahrungen und fehlende Bildung gefährden eine ganze Generation ukrainischer Kinder.

24.02.2023

Die Rechte ukrainischer Kinder werden seit Beginn des Angriffskrieges vor einem Jahr gravierend verletzt. UNICEF beziffert die Zahl der seit Kriegsbeginn getöteten Kinder auf 438. Weitere 842 wurden verletzt und mehr als 2.300 Bildungseinrichtungen wurden bereits zerstört. Bei diesen Zahlen ist zu beachten, dass es sich dabei lediglich um die verifizierten Fälle handelt, die Dunkelziffer also wesentlich höher sein kann. Innerhalb des Landes sind rund 3,3 Millionen Kinder und Jugendliche auf humanitäre Unterstützung angewiesen. Durch die Angriffe auf die Stromversorgung haben schätzungsweise 16 Millionen Menschen zeitweise keinen sicheren Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen.

Verschleppungen ukrainischer Kinder nach Russland

Die Hilfsorganisation terre des hommes berichtet, dass ukrainische Behörden mitterlweile von 14.000 „fehlenden Kindern“ berichten, bei denen davon auszugehen ist, dass sie nach Russland verschleppt wurden. In Russland bekämen die Kinder neue Ausweispapiere, sodass der Verbleib nicht nachvollziehbar sei. Nach der Ankunft in Russland werden die Kinder laut Berichten zur Adoption an russische Familien freigegeben. Joshua Hofert, Vorstandssprecher von terre des hommes sprich diesbezüglich von einem „Kapitalverbrechen, das die Kinderrechte mit Füßen tritt“.

„Es steht außer Frage, dass ukrainische Mädchen und Jungen aus ihrer Heimat entführt werden. Genaue und verlässliche Zahlen in der Kriegssituation zu erheben, ist jedoch äußerst problematisch“

sagte Frank Mischo, Advocacy Manager der Kindernothilfe. Katrin Weidemann, Vorsitzende der Kindernothilfe beschreibt die Verschleppung der Kinder als schweres Kriegsverbrechen.

Mehr als 900 Stunden im Untergrund

Die Kinderrechtsorganisation Save the Children beschreibt, dass sich Kinder in der Ukraine seit Kriegsbeginn durchschnittlich 920 Stunden – also mehr als einen Monat – im Untergrund vor Bombenangriffen verstecken mussten. Zur Situation der Kinder im Krieg veröffentliche Save the Children den Bericht „A Heavy Toll“ (PDF: 6,72 MB). Dieser beschreibt die großen Gefahren, denen Kinder in der Ukraine jeden Tag ausgesetzt sind, den fehlenden Zugang zu Bildung, aber auch die psychische Belastung durch das Erleben von Gewalt und Vertreibung.

Sonia Khush, Länderdirektorin von Save the Children in der Ukraine, erklärte:

„Viele Kinder mussten mit ansehen, wie ihre Häuser und Schulen zerstört wurden und ihre Angehörigen im nicht enden wollenden Granaten- und Raketenbeschuss starben. Und während der Krieg nun in sein zweites Jahr geht, erleben sie neue Wellen der Gewalt. Kinder haben diesen Krieg nicht begonnen, aber sie zahlen den höchsten Preis. Trotzdem sind Kinder mit der richtigen Unterstützung erstaunlich gut in der Lage, schwierige Erfahrungen zu verarbeiten. Diese Chance müssen wir ihnen geben.“

Einschränkungen beim Zugang zu Bildung

Die fortdauernden Angriffe haben laut UNICEF zudem für mehr als fünf Millionen Kinder zu großen Beeinträchtigungen beim Lernen geführt. Der Online-Unterricht – für rund zwei Millionen Kinder die einzige Möglichkeit, um weiter zu lernen – ist häufig kaum möglich. Jeden Tag, den der Krieg weitergeht, wächst auch die psychische Belastung der Kinder. UNICEF schätzt mit aller Vorsicht, dass etwa 1,5 Millionen Kinder in der Ukraine ein hohes Risiko haben, an Depressionen, Angstzuständen und posttraumatischen Belastungsstörungen zu erkranken.

Gleichzeitig haben viele Familien ihre Lebensgrundlagen verloren und sind in Armut gestürzt. Für die 5,9 Millionen Menschen, die innerhalb des Landes vertrieben wurden, darunter viele Kinder, ist die Situation besonders schwierig.

Quellen: Kindernothilfe vom 21.02.2023; terre des hommes vom 20.02.2023; Save the Children vom 20.02.2023; UNICEF vom 15.02.2023

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