Monitor „Jugendarmut in Deutschland“
Handlungsbedarf in der Jugendhilfe bleibt hoch

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V. hat mit ihrem neuen Monitor „Jugendarmut in Deutschland 2024/2025“ eine detaillierte Analyse der Lebensrealitäten junger Menschen vorgelegt. Die Publikation zeigt, dass Armut unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen weiterhin ein zentrales gesellschaftliches Problem darstellt – mit weitreichenden Folgen für die Praxis der Kinder- und Jugendhilfe.
24.01.2025
Die Ergebnisse des Monitors sind eindeutig: Jede*r vierte junge Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren ist von Armut betroffen oder bedroht. Bei Minderjährigen unter 18 Jahren liegt die Armutsgefährdungsquote bei 21 Prozent. Diese Zahlen verdeutlichen, dass viele junge Menschen in Deutschland mit massiven finanziellen und sozialen Einschränkungen leben müssen, die ihren Alltag und ihre Perspektiven prägen.
Armutsgefährdung wird dabei an der 60-Prozent-Grenze des mittleren Einkommens bemessen. 2023 lag diese Grenze für Alleinlebende bei 1.310 Euro netto im Monat. Für Jugendliche in prekären Beschäftigungsverhältnissen, in der Ausbildung oder im Übergang von Schule zu Beruf bleibt diese Schwelle häufig außer Reichweite.
Wohnraumkrise trifft Jugendliche besonders hart
Ein zentraler Aspekt, dem ein Schwerpunktkapitel im Monitor gewidmet ist, ist die Wohnsituation junger Menschen. Steigende Mieten und der Mangel an bezahlbarem Wohnraum belasten vor allem Auszubildende und Studierende. Viele von ihnen geben mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für das Wohnen aus – eine Situation, die gerade bei geringem Einkommen existenzbedrohend sein kann.
Besonders betroffen macht die Tatsache, dass zunehmend junge Menschen von Wohnungslosigkeit betroffen sind. Laut aktuellen Bericht der Bundesregierung zur Wohnungslosenstatistik waren 40 Prozent der wohnungslosen Menschen, die 2024 in Einrichtungen untergebracht wurden, jünger als 25 Jahre. Diese Zahl zeigt, dass die Wohnungslosigkeit junger Menschen ein akutes Problem darstellt, dem auch die Jugendhilfe begegnen muss.
Mobilität als Schlüssel zur Teilhabe
Ein zweiter Schwerpunkt des Monitors widmet sich der Frage, wie wichtig Mobilität für junge Menschen ist – und wie stark Armut ihre Mobilität einschränkt. Für viele Jugendliche, die in ländlichen Regionen oder Randgebieten wohnen, ist die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel ein entscheidender Faktor für ihre Bildung, Arbeit und soziale Teilhabe. Doch die Realität sieht oft anders aus:
- Hohe Kosten für den Nahverkehr: Junge Menschen, die in prekären Lebenslagen leben, können sich oftmals keine Monats- oder Jahrestickets für Bus und Bahn leisten. In ländlichen Regionen, wo öffentliche Verkehrsmittel rar sind, wird die Mobilität so zum Luxusgut.
- Einschränkungen im Alltag: Fehlende oder teure Mobilitätsoptionen führen dazu, dass Jugendliche weniger an Bildungsangeboten, Freizeitaktivitäten oder sozialen Treffen teilnehmen können. Die Folge ist häufig eine weitere soziale Isolation.
- Ungleichheiten verstärken sich: Während Großstädte zumindest Ansätze wie günstige ÖPNV-Tickets bieten, bleiben Jugendliche in strukturschwachen Regionen abgehängt.
Die BAG KJS fordert deshalb eine Mobilitätswende, die insbesondere junge Menschen berücksichtigt. Ein Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, finanzielle Unterstützung für Mobilität und gezielte Maßnahmen für den Zugang zu Verkehrsmitteln könnten erhebliche Fortschritte bringen.
Fallreportagen: Jugendarmut aus persönlicher Perspektive
Ein besonderer Teil des Monitors sind die Fallreportagen, die die abstrakten Zahlen mit konkreten Lebensgeschichten verbinden. Diese Fallbeispiele geben jungen Menschen eine Stimme und verdeutlichen, wie Armut ihren Alltag und ihre Zukunft prägt.
Diese Geschichten schaffen nicht nur Verständnis für die Herausforderungen junger Menschen, sondern machen auch deutlich, wie wichtig gezielte Unterstützung und gesellschaftliche Veränderung sind.
Was bedeutet das für die Praxis der Jugendhilfe?
Die Ergebnisse des Monitors verdeutlichen die Bedeutung präventiver und unterstützender Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe. Ziel muss es sein, junge Menschen frühzeitig zu erreichen und sie dabei zu unterstützen, finanzielle, berufliche und soziale Hürden zu überwinden. Aus den Erkenntnissen lassen sich mehrere zentrale Handlungsfelder ableiten:
- Frühzeitige Unterstützung im Übergang Schule-Beruf: Jugendsozialarbeit an Schulen, Berufsorientierung und individuelle Begleitung können jungen Menschen Perspektiven eröffnen.
- Förderung von bezahlbarem Wohnraum: Die Jugendhilfe sollte gezielt Programme nutzen und fördern, die jungen Menschen den Zugang zu erschwinglichem Wohnraum erleichtern.
- Stärkung der sozialen Teilhabe: Finanzielle Unterstützung wie Bildungs- und Teilhabeleistungen müssen verstärkt werden, um jungen Menschen gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.
- Sensibilisierung und Qualifizierung: Fachkräfte benötigen spezifisches Wissen und Handlungsstrategien, um mit den Folgen von Jugendarmut kompetent umzugehen.
Ein Appell an Politik und Gesellschaft
Die BAG KJS macht mit dem Jugendarmutsmonitor deutlich, dass Jugendarmut kein individuelles, sondern ein strukturelles Problem ist. Politik, Gesellschaft und Fachpraxis müssen gemeinsam handeln, um die Chancen junger Menschen zu verbessern und ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.
Für Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe ist der Monitor „Jugendarmut in Deutschland 2024/2025“ ein wichtiges Instrument, um die Lebenslagen junger Menschen besser zu verstehen und auf ihrer Basis Handlungsstrategien zu entwickeln.
Die vollständige Publikation ist auf der Website der BAG KJS abrufbar.
Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e.V. vom 23.01.2025
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