World Vision-Studie
Geflüchtete Kinder erfahren sexualisierte Gewalt im deutschen Asylsystem
Vor Krieg fliehende Kinder kommen in Deutschland mit vielen helfenden Menschen in Kontakt und sind dennoch unterschiedlichen Formen sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Die aktuelle Studie von World Vision fordert bundesweite Gewaltschutzkonzepte und den Ausbau von passenden Hilfen.
24.03.2022
In Deutschland gibt es bisher keine offiziellen Daten oder Schätzungen dazu, wie stark geflüchtete Kinder von sexualisierter Gewalt betroffen sind. Die im März 2022 veröffentlichte Studie stützt sich daher auf Interviews mit Expertinnen und Experten aus den Bereichen der Sozialpädagogik, Psychotherapie und Sozialforschung, die ihr Fachwissen anonymisiert weitergeben. Ein Grund für das „große Dunkelfeld“ um die Datenlage ist die Tabuisierung von sexualisierter Gewalt im öffentlichen Raum. Dies trage dazu bei, dass Präventions- und Hilfsangebote gerade für die Lebenssituation flüchtender Kinder fehlen, obwohl dort mehrere Risikofaktoren zusammenkommen, erklärt die Forschungsleiterin der Studie, Dr. Caterina Rohde-Abuba.
Aktuell sorgt sich World Vision auch um die Sicherheit ukrainischer Kinder und Mütter, die bei ihrer Flucht oft kaum etwas mitnehmen können und vielfach schutzlos von Ort zu Ort ziehen oder in Sammelunterkünften oder auch bei ihnen unbekannten Gastgebern wohnen.
Stereotype beiseite: auch Jungen und Kinder mit LGBTIQ-Identitäten betroffen
Der World Vision-Studie zufolge haben viele Kinder aus Kriegs- und Konfliktgebieten bereits sexualisierte Gewalt erlitten, wenn sie in Deutschland eintreffen. Manche Transitländer sind für flüchtende Kinder besonders gefährlich, etwa Libyen und die Türkei, aber auch einige osteuropäische Länder. Auch Jungen sind unter diesen Umständen in hohem Maß betroffen. „Je länger eine Flucht dauert und desto schlechter die Kinder unterwegs versorgt sind, desto eher geraten Mädchen und Jungen in gefährliche Abhängigkeiten“, erläutert Dr. Caterina Rohde Abuba. Auch Zwangsprostitution oder Zwangsheirat werden durch Not begünstigt.
In Deutschland setzt sich die prekäre Situation fort, wenn die Kinder auf längere Zeit ein unsicheres Aufenthaltsrecht haben, nicht frühzeitig in Schulen und Freizeitangebote integriert werden und sich mit vielen Menschen in Unterkünften ohne abschließbare Räume aufhalten. Die Studie belegt hierbei, dass die Gefahr sexualisierter Gewalt nicht nur von Fremden ausgeht. In vielen Einrichtungen fehlen aber kindgerechte Beschwerdemöglichkeiten und mehrsprachige, kultursensible Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner.
Angebote für Hilfen von Ort zu Ort unterschiedlich
„Generell haben geflüchtete Kinder schlechteren Zugang zu Hilfen, um Taten zu melden oder erlebte Gewalt zu bewältigen als es bei in Deutschland aufgewachsenen Kindern der Fall ist, auch wenn die Situation meist besser ist als in vielen Herkunftsländern“, erklärt Dr. Caterina Rohde-Abuba. Die Angebote in Deutschland seien dennoch von Ort zu Ort sehr unterschiedlich gut und nicht gut vernetzt.
World Vision fordert von der Bundesregierung und von Organisationen, dass sie – auch angesichts der aktuell großen Fluchtbewegung aus der Ukraine - unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um ihren Schutzauftrag gemäß der Kinderrechtskonvention zu erfüllen.
Die Forderungen sowie die aufgeschlüsselten Ergebnisse können in der Studie „Sexualisierte Gewalt gegen Kinder im Fluchtkontext – Expertinnen und Experten berichten“ (PDF, 4,3 MB) nachgelesen werden.
Quelle: World Vision Deutschland e.V. vom 15.03.2022.
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