Abschlusstagung

Forderungspapier zur BMBF Förderrichtlinie „Qualitätsentwicklung in der frühen Bildung“

Am 19. und 20. Mai 2022 fand die Abschlusstagung der Förderrichtlinie unter dem Titel „Entwicklung von Qualität in Arrangements der frühen Bildung. Akteur:innen, Organisationen und Systeme im Blick der Forschung“ als Online-Veranstaltung statt. Aus einem abschließenden Podiumsgespräch ist nun ein Thesenpapier entstanden.

30.06.2022

Unterzeichnet wurde das Forderungspapier von Professorin Dr. Karin Böllert (Universität Münster), Professor Dr. Peter Cloos (Universität Hildesheim), Professor Dr. Bernhard Kalicki, (Deutsches Jugendinstitut) und Professorin Dr. Susanne Viernickel (Universität Leipzig). Auf der Abschlusstagung diskutierten die Unterzeichnenden bei einem Podiumsgespräch die Handlungs- und Forschungsbedarfe für die kommenden Jahre. Das daraus resultierte Thesenpapier identifiziert Forschungsbelange und arbeitet Perspektiven für die Qualitätsentwicklung des gesamten Systems der frühen Bildung heraus.

Das Forderungspapier „Forschung zur frühen Bildung stärken!“ kann als PDF heruntergeladen werden.

Abschlusstagung der Förderrichtlinie

Die Förderrichtlinie „Qualitätsentwicklung in der frühen Bildung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) startete im Jahr 2018, die Laufzeit endet 2022. Die Förderrichtlinie identifiziert gute Bildung ab dem frühen Kindesalter als eine Grundvoraussetzung für gutes lebenslanges Lernen und die gesellschaftliche Teilhabe aller Kinder. Vor diesem Hintergrund sollten verschiedene Projekte Erkenntnisgewinne etwa in den Bereichen Interaktionen zwischen Akteur:innen der Kindertagesbetreuung oder Personalentwicklung in der frühen Bildung ermöglichen.

Auf der Abschlusstagung im Mai 2022 wurden verschiedene dieser Forschungsergebnisse diskutiert und präsentiert, die im Kontext der Förderrichtlinie entstanden sind. Dabei wurde sich in sechs verschiedenen Foren ausgetauscht:

  • Forum 1: „Trägerlandschaft im Wandel Kita-Träger – Organisationen im Wandel. Auslöser, Herausforderungen und Spannungsfelder (TrEiKo)“ und „Weiterentwicklung der Fachlichkeit von Kita-Trägern: Welche Ansätze finden sich bei alten und neuen Trägern (GEN-T)“
  • Forum 2: „Interaktionen gestalten Eine web-mediierte Weiterbildung zu Fachkraft-Kind Interaktionen – wie und wodurch verändert sich das pädagogische Handeln der Teilnehmenden (iQuaKi)“ und „Sprachliche Interaktionsqualität, Professionelle Wahrnehmung und Bedingungen zur Realisierung sprachlicher Bildung in der Migrationsgesellschaft – Das Projekt SprabiPiKs“
  • Forum 3: „Akteurschaft in Kitas Kinder als Akteur:innen – Reflexionen zur Herstellung von Arrangements in Kindertageseinrichtungen (KiSte)“ und „Bildungs- und Erziehungspartnerschaften in der frühkindlichen Bildung. Zur Praxis eines Programms (PARTNER)“
  • Forum 4: „Steuerung durch Träger und Leitung Wie wirkt sich das Führungsverhalten von Kita-Leitungen auf die Arbeitszufriedenheit ihrer Mitarbeiter:innen aus? Ergebnisse der LeiKi-Studie“ und „Wenn nicht Träger, was denn dann? Ausprägungen und Ursachen von Segregation in der Kindertagesbetreuung (SET)“
  • Forum 5: „Raum in der frühen Bildung Kindertageseinrichtungen als vernetzte Organisationen im Sozialraum – bildungspolitische Erwartungen, Vernetzungskulturen und Implikationen für gesellschaftliche Teilhabe (KitaNet)“ und „RaumQualitäten. Erfahrungsräume in Kindertagesstätten“
  • Forum 6: „Wissenstransfer in der frühen Bildung Modelle, Bedingungen und empirische Erkenntnisse“

Forderungspapier „Forschung zur frühen Bildung stärken!“

Aus der abschließenden Podiumsdiskussion entwickelten die Diskutant:innen das Thesenpapier „Forschung zur frühen Bildung stärken!“. Im Papier heißt es:

„Auf der Abschlusstagung zur Förderrichtlinie „Qualitätsentwicklung in der frühen Bildung“ vom 19./20. Mai 2022 wurden in einem Podiumsgespräch die Handlungs- und Forschungsbe darfe für die kommenden Jahre diskutiert. Die erarbeiteten Forderungen der Diskutant:innen sind in diesem Thesenpapier festgehalten, das zunächst zentrale Forschungsdesiderata identifiziert, um anschließend Perspektiven für die Qualitätsentwicklung des gesamten Systems der frühen Bildung aufzuzeigen.“ (Quelle: Forderungspapier „Forschung zur frühen Bildung stärken!“)

Im Thesenpapier rufen die Unterzeichnenden dazu auf, die Qualitätsentwicklung und Professionalisierung in der frühen Bildung weiterhin zu verfolgen, nicht zuletzt, da dieser Bereich einer der Wichtigsten im Aufwachsen von Kindern ist. Dabei werden vor allem der Generierung wissenschaftlichen Wissens, dem Wissenstransfer zwischen Theorie und Praxis, der Politik und verschiedenen Ausbildungswegen eine zentrale Rolle zugesprochen. Die Coronapandemie habe einmal mehr gezeigt, wie wichtig das Feld der Kindertagesbetreuung ist und welche wichtigen Aufgaben diesem System zukämen:

„In der Auseinandersetzung mit den während der Corona-Pandemie gewonnenen Erfahrungen (Schließungen, begrenzte Öffnungen für einen eingeschränkten Kreis von Kindern, Belastungen des Personals, Notwendigkeit von Öffnungsperspektiven für alle Kinder etc.) wird die gesellschaftliche Bedeutung des Systems der Kindertagesbetreuung eindeutig vor Augen geführt, dem vielfältige Aufträge zukommen: Kindertageseinrichtungen sind u.a. für das Aufwachsen, Wohlergehen und die Bildung der Kinder, für die Begleitung und Unterstützung von ihren Familien, für ein demokratisches Miteinander in einer vielfältigen Gesellschaft, für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber auch für die Gesundheit und den Schutz von Kindern zentral.“ (Quelle: Forderungspapier „Forschung zur frühen Bildung stärken!“)

Daraus abgeleitet ergeben sich im Forderungspapier drei Punkte.

Die Kindertagesbetreuung als ein kompetentes System durch Forschung stärken

Die Unterzeichnenden machen auf die Diskrepanz zwischen den an die Fachkräfte herangetragenen Erwartungshaltungen und den im System vorhandenen Rahmenbedingungen aufmerksam. Zu vielen Aufgabenbereichen im System der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung gäbe es kaum empirische Erkenntnisse, die das professionale Handeln unterstützen und damit zur Qualitätssicherung beitragen könnten. Empirisch begründetes Wissen müsse auch vor dem Hintergrund der Einführung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes (KJSG) stärker in die Praxis transferiert werden – Inklusion wird mit dem KJSG als Leitgedanke der Kinder- und Jugendhilfe gesetzlich verankert, Kinder mit und ohne diagnostizierte Behinderung sollen gemeinsam unterrichtet und betreut werden.

Weiter heißt es im Papier zum Wechselspiel von Kindertagesbetreuung und Forschung:

„Unklar bleibt aus wissenschaftlicher Perspektive, wie gut es unter welchen Bedingungen gelingen kann, den veränderten Erwartungen an die Kindertagebetreuung professionell gerecht zu werden. Auch wenn das Forschungsvolumen erheblich zugenommen hat, bestehen nach wie vor Forschungslücken. Viele der in den Bildungsplänen formulierten Erwartungen, wie z.B. die sozialraumorientierte Vernetzung von Kindertageseinrichtungen, die Organisationsentwicklung oder die Umsetzung demokratiepädagogischer Ansätze, sind empirisch kaum untersucht. Auch die Qualifizierung an Fach- und Hochschule wird nur punktuell durch Forschungsvorhaben begleitet.“ (Quelle: Forderungspapier „Forschung zur frühen Bildung stärken!“)

Die Unterzeichnenden stellen fest, wissenschaftliche Erkenntnisse müssten auf mehreren Ebenen der Praxis verfügbar und anwendbar gemacht werden.

Verbindliche Qualitätskriterien forschungsbasiert begründen

Die Unterzeichnenden fordern, dass die Festlegung von Qualitätsstandards im System frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung sich unter Einbindung wissenschaftlicher Expertise vollzieht.

„Die mit dem KiTa-Teilhabe- und Verbesserungsgesetz eingeführten Instrumente des Monitorings und der Evaluation leisten einen wichtigen Beitrag zur Einschätzung von bundeslandspezifischen Entwicklungen im Sinne der Ziele des KiQuTG. Monitoring und Evaluation der Anwendbarkeit und Implementation von Standards und der Wirksamkeit von Gesetzesvorhaben und darauf basierenden Maßnahmen bleiben eine Daueraufgabe. Darüber hinaus fehlt es aber an aktueller Grundlagenforschung zu Zusammenhängen zwischen strukturellen Rahmenbedingungen, pädagogischer Prozessqualität und kindlicher Entwicklung unter Berücksichtigung weiterer intervenierender Faktoren im Kontext des deutschen Früherziehungssystems.“ (Quelle: Forderungspapier „Forschung zur frühen Bildung stärken!“)

Professionalisierung und Verwissenschaftlichung der frühen Bildung vorantreiben

Die Unterzeichnenden fordern außerdem, dass die Gewinnung von akademischen Fachkräften und ihr Potenzial für Qualitätssicherung wieder verstärk in das Zentrum bildungspolitischer Debatten rücken. Um seiner zugeschriebenen Bedeutung gerecht werden zu können, müsse das System der Kindertagesbetreuung auf ein breites Forschungswissen zurückgreifen können und hochqualifizierte Fachkräfte beschäftigen. Der Trend des Fachkräftemangels verschärfe die Gefahr der De-Qualifizierung.

„Die Folgen dieser Entwicklungen und die damit verbundenen Belastungen für das pädagogische Personal sind kaum abzusehen. Die Einführung eines Rechtsanspruches auf ganztägige Bildung auch im Grundschulalter wird den Fachkräftemangel weiter zuspitzen. Auf der anderen Seite ist in Folge der Diskussion um die Akademisierung der frühen Bildung und der Etablierung von kindheitspädagogischen Studiengängen eine erheblich wachsende Gruppe an akademisch qualifizierten Fachkräften in der Kindertagesbetreuung zu finden. Die Gruppe der akademischen Fachkräfte und ihr hohes Potenzial für die Sicherung von Qualität müssen wieder stärker in das Zentrum der bildungspolitischen Debatten rücken.“ (Quelle: Forderungspapier „Forschung zur frühen Bildung stärken!“)

Allen Kindern Teilhabe ermöglichen

Die Unterzeichnenden des Forderungspapiers „Forschung zur frühen Bildung stärken!“ fordern allen Kindern Teilhabe zu ermöglichen und Entfaltungsmöglichkeiten zu gewährleisten. Um diesem Anspruch gerecht zu werden bedürfe es forschungsbasierten Wissens und organisierten Wissenstransfers. Die durch den Forschungsausbau erzielten Erfolge sollten nicht nur erhalten, sondern auch weiter ausgebaut werden.

Weitere Informationen

Mehr Informationen zur BMBF Förderrichtlinie „Qualitätsentwicklung in der frühen Bildung“ finden sich auf der Website des BMBF. Informationen zum zugehörigen Meta-Vorhaben finden sich auf der Website des DJI. Die Dokumentation der Abschlusstagung „Entwicklung von Qualität in Arrangements der frühen Bildung. Akteur:innen, Organisationen und Systeme im Blick der Forschung“ ist ebenfalls auf der Seite des dji einsehbar.

Das Forderungspapier „Forschung zur frühen Bildung stärken!“ kann als PDF heruntergeladen werden.

Quellen: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Deutsches Jugendinstitut (dji), Forderungspapier „Forschung zur frühen Bildung stärken!“

Redaktion: Silja Indolfo

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