Corona-Pandemie

Familien im Libanon auf harte Probe gestellt

Die Johanniter-Auslandshilfe passt ihre aktuellen Projektaktivitäten an, um auf die weltweite Corona-Pandemie zu reagieren. Das Ziel ist die Aufrechterhaltung der regulären Hilfsmaßnahmen, soweit es nationale Beschränkungen und die Sicherheitsbedingungen erlauben. Zusätzlich stehen Präventionsmaßnahmen im Mittelpunkt, um die Menschen in den Projektländern vor einer Ansteckung und einer COVID-19-Erkrankung zu bewahren. In einem Beitrag berichtet Roy Joude über die Auswirkungen von Lockdown und Pandemie im Libanon.

10.05.2021

Seit Mitte Januar gilt im Libanon ein harter Lockdown. Landesweit dürfen Menschen nicht mehr auf die Straße. Um besonders bedürftige Menschen darauf vorzubereiten, verteilte die Partnerorganisation Naba´a der Johanniter Auslandshilde kurz zuvor Nahrungsmittel. Der Mitarbeiter Roy Joude lebt im Libanon und hat mit mehreren Familien gesprochen, um zu erfahren, wie es ihnen derzeit ergeht.

Der seit nunmehr zwei Wochen andauernde Lockdown im Libanon bringt viele Menschen und Familien an den Rand der Verzweiflung.

Geflüchtete außerhalb der etablierten Camps fast ohne Unterstützung

    „Ich weiß nicht was schlimmer ist: An Corona zu sterben oder an Hunger." sagt Roushan.

Roushan ist aus Syrien geflüchtet und lebt nun mit zwei Kindern im Norden des Libanon. Sie leide an Depressionen, weil sie nicht wisse, wie sie ohne Arbeit ihre Kinder über die Runden bringen soll. Flüchtlinge wie sie, die außerhalb der etablierten Camps leben, sind meist ausgeschlossen von Unterstützung. „Corona macht mir Angst. Ich glaube nicht, dass uns die Regierung impfen lassen wird, weil wir Flüchtlinge sind“, so Roushan.

Die Pandemie und der jetzige Lockdown begleiten und verschärfen Probleme, die seit Monaten durch eine anhaltende politische und wirtschaftliche Krise entstanden sind. Stetig steigende Preise machen Produkte unerschwinglich und treiben große Teile der Bevölkerung in die Armut. Mit einer seit August arbeitenden Übergangsregierung ist keine Lösung in Sicht. Die anhaltenden Spannungen verschafften sich vergangene Woche Luft in gewaltsamen Demonstrationen – trotz Ausgangssperre.

Familien haben weniger zu essen

Fatme lebt zusammen mit acht Angehörigen auf engstem Raum im Rashidieh Camp im Süden des Landes. Die palästinensische Familie muss seit dem Lockdown vor allem beim Essen Abstriche machen. „Hühnchen oder Fleisch gibt es bei uns jetzt nicht mehr, das ist zu teuer geworden. Stattdessen koche ich jetzt Hülsenfrüchte oder Pflanzen, die neben dem Haus wachsen“, erzählt sie. Wenn jemand krank werde, koche sie nun Kräuter, da das Geld für Medikamente längst nicht mehr reiche. Zwar erhält die Familie alle drei Monate Unterstützung vom UN-Programm für palästinensische Flüchtlinge UNWRA, und ihr Sohn Salem steuert zum Haushalt bei, doch nie reiche das Geld, um die Familie adäquat zu versorgen.

Verhaltensänderungen bei Kindern

Besonders die Kinder bereiten vielen Eltern Kopfzerbrechen. Online-Unterricht findet zumeist nur über Messenger-Dienste statt - wenn das Internet funktioniert oder Lehrer überhaupt zur Verfügung stehen. Es kommt immer häufiger zu Spannungen untereinander, weil es zu wenig Essen im Haus gibt, Freundschaften zwischen Kindern nicht mehr gepflegt werden oder Langeweile herrscht. Homeschooling stellt nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern vor große Herausforderungen

„Das Verhalten meines Kindes ändert sich“, sagt eine Mutter aus Bekaa. „Es ist aggressiver, beschwert sich über die Situation. Langeweile wird abgelöst von Aufregung und übermäßiger Nervosität. Außerdem hat sich das Schlaf- und Essverhalten geändert."

Beileidsbekundungen nur per Telefon

Auch für Libanesinnen und Libanesen wird die Situation immer herausfordernder. „Die Situation wird desaströs sein, sollte der Lockdown um weitere Wochen verlängert werden“, sagt Nadine Dagher aus der Hauptstadt Beirut. Zwar hätten geschlossene Märkte, Bäcker oder Lebensmittelläden oft einen Lieferservice eingerichtet, aber die Preise seien enorm hoch. „Es hat längst nichts Angenehmes mehr, in diesem Land zu leben“, sagt sie. Wie auch bei den geflüchteten Familien findet die Kommunikation fast ausschließlich nur noch über Messenger-Dienste oder Social Media statt.

„Es gibt immer öfter Nachrichten von verstorbenen Freunden oder Angehörigen. Uns bleibt dann nichts, als unser Beileid über Telefon auszurichten, anstatt ihnen beizustehen." sagt Nadine Dagher.

Was Palästinenser, Syrer und Libanesen eint, ist der Wunsch, dass nach dem Lockdown die Kinder wieder am Schulunterricht teilnehmen und sie selbst wieder eine Arbeit aufnehmen können. Sich Essen und Reinigungsmittel leisten können, oder mal in den Bergen frische Luft zu atmen, scheint ihnen in den kommenden Wochen aufgrund der hohen Corona-Fallzahlen weiter verwehrt zu bleiben.

Quelle: Johanniter Auslandshilfe vom 02.02.2021

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