Inflation
Einkommensarme brauchen in der Krise schnelle Entlastung

Bund und Länder haben sich auf ein umfassendes Entlastungspaket gegen die Preissteigerungen mit einem Volumen von 200 Milliarden Euro geeinigt. Die Diakonie begrüßt die Maßnahme zur Entlastung der Bevölkerung, kritisiert jedoch, dass diese stärker auf ökonomisch schwache Haushalte eingehen sollten. Arme Menschen sind immer noch am stärksten von Inflation und Krise betroffen.
18.11.2022
Die Diakonie begrüßt, dass mit den Beschlüssen über das 200 Milliarden-Euro-Entlastungspaket der Weg freigegeben ist, um die Bürger:innen von den enormen Preissteigerungen zu entlasten. Allerdings sind die Maßnahmen immer noch nicht zielgenau genug. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie äußert sich dazu:
„Die Regierungschefs müssen ihren Kompass deutlich stärker auf diejenigen ausrichten, die am stärksten unter der Inflation leiden und in ihrer Existenz bedroht sind: Einkommensarme und Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Das Prinzip Gießkanne, nachdem jeder ein Stück vom Kuchen bekommt, befördert eine wachsende Unzufriedenheit in der Gesellschaft. Es schadet der Demokratie, wenn die Ärmsten – und das sind rund 15 Millionen Menschen in Deutschland - die geringste Entlastung erfahren.“
Bewertung der Maßnahmen aus Sicht der Diakonie
Die Gas- und Strompreisbremse ist ein sinnvolles Instrument, um Wirtschaft und Gesellschaft Planungssicherheit für diesen Winter zu geben. Die geplanten Abschlagszahlungen für Gas und Fernwärme sind jedoch ein Schritt zurück: Hiervon profitieren alle - von der Millionärin bis zum Hartz-4-Empfänger:innen. Angesichts der für viele Menschen bedrohlichen finanziellen Lage ist das nicht nachvollziehbar. Stattdessen sind zielgenaue Hilfezahlungen nötig, die die Einkommensärmsten schnell und unbürokratisch erreichen. Diese müssten sofort greifen und dürfen nicht erst mit dem Inkrafttreten des Bürgergeldes und dann auch nur für Sozialleistungsbeziehende greifen. Statt komplizierter Antragsprüfungen sind unmittelbare und einfache Direktzahlungen nötig.
Die Entscheidung für ein bundesweites Nahverkehrsticket für 49 Euro ist gut. Leider wurde die Chance vertan, gleichzeitig ein 29-Euro-Sozialticket auf den Weg zu bringen, damit Mobilität und Teilhabe für alle möglich ist. Die Kosten des neuen Tickets liegen über dem Ansatz, der in der Grundsicherung für Mobilität vorgesehen ist.
Mit dem Hilfsfonds für die Sozialwirtschaft schützen Bund und Länder nun endlich auch die Sozialwirtschaft. Dieser Hilfsfonds beschränkt sich jedoch auf Einrichtungen, die auf Bundesebene von Sozialversicherungsträgern refinanziert werden. Daher ist ergänzend eine Unterstützung für soziale Einrichtungen und Dienste dringend erforderlich, die aus Mitteln der Länder und Kommunen refinanziert werden. Der Hilfsfonds lässt derzeit Einrichtungen der Eingliederungshilfe, der Jugendhilfe, Tageseinrichtungen für Kinder, die Wohnungslosenhilfe, Frauenhäuser, Familienerholungsstätten, Schuldnerberatung und Migrationsberatungsstellen außen vor.
Mit der Wohngeldreform soll der Kreis der Antragsberechtigten deutlich ausgeweitet werden. Die Sozialberatungsstellen berichten aber, dass schon jetzt die Ämter mit der Antragsbearbeitung kaum nachkommen. Dies gilt auch bei Neuanträgen auf die Grundsicherung, wenn Haushalte jetzt aufgrund der Preissteigerungen in die Antragsberechtigung rutschen. Darum setzt sich die Diakonie beim Wohngeld wie auch in der Grundsicherung für Vorschuss- und Vorauszahlung ein, wenn die Bedürftigkeit plausibel ist, und pauschale monatliche Ausgleichszahlungen in Höhe von 100 Euro für Haushalte mit Niedrigeinkommen für die nächsten Monate – ab sofort. Bisher erfolgen Vorauszahlungen nur, wenn Menschen Zahlungsunfähigkeit nachweisen können. Die Ärmsten können aber nicht warten, bis Sozialleistungsreformen im Vermittlungsausschuss besprochen, umgesetzt und dann noch die Neuanträge abgearbeitet wurden.
Hintergrund
Seit Monaten weist die Diakonie darauf hin, dass Menschen in der Grundsicherung oder im Wohngeldbezug, Einkommensarme, Kinder und Jugendliche, Rentner:innen angesichts steigender Energiepreise sofort mehr finanzielle Unterstützung benötigen. Unser Vorschlag: Diesen Menschen soll jeden Monat 100 Euro mehr über eine vom Bundestag zu verabschiedende Notlagenregelung unkompliziert, schnell und unbürokratisch ausgezahlt werden. Wenn der Bundestag eine soziale Krise von nationaler Tragweite feststellt, soll dies zunächst für sechs Monate gelten. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) würden hierdurch die nach Einkommen unteren 20 Prozent der Haushalte wirksam entlastet werden und einen ausreichenden Ausgleich für die zunehmenden Belastungen durch Inflation und Energiepreissteigerungen erhalten. Diese Haushalte geben nahezu zwei Drittel ihres Einkommens für Wohnen und Essen aus und sind von den Preissteigerungen am Stärksten betroffen. Das Bürgergeld muss jetzt kommen, allerdings reichen 50 Euro für Menschen in der Grundsicherung ab Januar nicht, um durch die Wintermonate zu kommen. Das Geld wird jetzt benötigt. Das gilt auch für das Kindergeld. 18 Euro Erhöhung ab Januar gleichen weniger als die Hälfte der gestiegenen Belastungen aus.
Quelle: Diakonie Deutschland vom 03.11.2022
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