Aufarbeitung
Die Mauern der Scham und des Schweigens durchbrechen

Das DJI und die Stadt München beginnen mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Unrechtserfahrungen von Kindern und Jugendlichen, die das Stadtjugendamt in Obhut nahm. Es geht um Erfahrungen von physischer, psychischer und sexualisierter Gewalt der Betroffenen und die zugrundeliegenden Strukturen.
17.02.2025
Das Deutsche Jugendinstitut (DJI) wird Gewalt- und Unrechtserfahrungen von Menschen untersuchen, die im Zeitraum von 1945 bis 1990 vom Münchner Jugendamt in Heimen, Pflege- und Adoptivfamilien untergebracht wurden. Anhand der Ergebnisse soll ein Konzept zur Vorbeugung von Gewalt erarbeitet werden. Die geplante wissenschaftliche Aufarbeitung wurde heute auf einer Pressekonferenz der Stadt München vorgestellt.
„Es geht darum, die Mauern der Scham und des Schweigens zu durchbrechen. Wir wollen herausfinden, welche Gewalttaten in der Vergangenheit geschehen sind und was diese Taten ermöglicht hat. Je genauer wir die Risiken für sexualisierte Gewalt und Missbrauch verstehen, umso besser können wir diese Risiken für Kinder und Jugendliche in Zukunft verringern“,
sagte DJI-Direktorin Prof. Dr. Sabine Walper im Rathaus München.
Die DJI-Forschenden werden der Frage nachgehen, welche Formen physischer, psychischer und sexualisierter Gewalt Betroffene erlebt haben. Dazu führen sie Interviews mit Menschen, die in ihrer Kindheit und Jugend in Heimen oder in Pflege- oder Adoptivfamilien gelebt haben, zu denen sie das Münchner Jugendamt vermittelt hatte. Zudem analysieren sie eine Zufallsstichprobe von Akten aus drei städtischen Heimen sowie zugehörige Vormundschaftsakten. Dabei geht es auch darum, ob es unter den Tätern Netzwerke gab. Besondere Aufmerksamkeit werden die Forschenden auf politische, legislative und gesellschaftliche Strukturen und Entwicklungen richten. Begleitet wird der Forschungsprozess von zwei Menschen, die eigene Erfahrungen mit familienersetzenden Unterbringungen haben.
„Mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung nimmt die Stadt München eine deutschlandweite Vorreiterrolle ein, um das Unrecht, das die Menschen bei der Unterbringung in Heimen oder Adoptiv- und Pflegefamilien erfahren haben, systematisch aufzuarbeiten und öffentlich anzuerkennen",
sagte Bürgermeisterin Verena Dietl. Mit Anerkennungsleistungen in Höhe von 35 Millionen Euro, die der Stadtrat im August 2024 bewilligt hat, setze die Stadt München ein deutliches Zeichen. Die ersten Anträge mit einer Summe von insgesamt 930.000 Euro seien bereits ausgezahlt. „Dieser Verantwortung sollten sich auch Bund und Land stellen“, forderte Dietl.
Das Gesamtprojekt umfasst den Zeitraum von 1945 bis heute. Während sich das DJI der Zeit von 1945 bis 1990 widmet, übernimmt das Stadtjugendamt München die Aufarbeitung für die Zeit nach 1990, als das neue Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) in Kraft trat. Eine Unabhängige Expert*innenkommission, die im Jahr 2021 von der Landeshauptstadt München zur Aufarbeitung von Missständen in Heimen, Pflege- und Adoptionsfamilien eingesetzt worden ist, begleitet das Projekt bis Dezember 2026.
Weitere Informationen
Quelle: Deutsches Jugendinstitut e.V. (DJI) vom 04.02.2025
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