SGB VIII-Reform
Bundesrat stimmt dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz zu

Der Bundesrat hat am 7. Mai 2021 dem vom Bundestag am 22. April 2021 verabschiedeten Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) zugestimmt. Das Gesetz wird damit in der vom Bundestag beschlossenen Fassung nach der Verkündung in Kraft treten.
10.05.2021
Der Bundestag hat umfassende Änderungen am Achten Buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII - beschlossen. Damit ist die Reform des Gesetzes nach rund acht Jahren und zwei Anläufen in zwei Legislaturperioden vorerst abgeschlossen. Die Reform der Kinder- und Jugendhilfe soll Minderjährige aus einem belastenden Lebensumfeld, die in Heimen oder Pflegefamilien leben, besser schützen und ihnen mehr Chancen auf Teilhabe geben. „Es bleibt aber noch viel zu tun“, sagt zum Beispiel der Deutsche Bundesjugendring. Auch der AWO Bundesverband mahnt an, dass Träger und Ämter auf dem Weg der Novellierung erheblich unterstützt werden müssen.
Das Gesetz tritt im Wesentlichen am Tag nach der Verkündung in Kraft. Zuvor muss es noch vom Bundespräsidenten unterzeichnet und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden.
Inklusion als Leitgedanke
Das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz regelt zum einen, dass Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe zukünftig allen Kindern und Jugendlichen zugänglich werden. Staatliche Leistungen und Hilfen für Kinder- und Jugendliche mit Behinderungen werden in den kommenden Jahren im SGB VIII gebündelt. Prinzipiell soll die Inklusion als Leitgedanke in der Kinder- und Jugendhilfe und die grundsätzlich gemeinsame Betreuung von Kindern mit und ohne Behinderung verankert werden.
Ab 2024 wird die Funktion eines Verfahrenslotsen beim Jugendamt eingerichtet, der als Ansprechpartner für Eltern und andere Erziehungsberechtigte fungiert. Bis 2028 werden die Unterstützungsangebote zur Teilhabe für Kinder mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung in die Zuständigkeit der Jugendämter überführt. Die inklusive Ausgestaltung der Kinder- und Jugendhilfe verbessert damit den Zugang von Kindern, Jugendlichen und Familien zu Hilfen. Die Gesamtzuständigkeit der Jugendhilfe ist damit auf den Weg gebracht.
AWO-Vorstandsmitlgied Jens M. Schubert erklärt in einer Pressemeldung dazu:
„Die gesetzlichen Regelungen alleine reichen aber nicht aus, um die Kinder und Jugendlichen nachhaltig zu stärken. Sie müssen in der Praxis auch personell und finanziell umgesetzt werden können“, ergänzt Schubert, „Die Jugendhilfe vor Ort bedarf deshalb einer angemessenen finanziellen Ausstattung. Um verlässlichere Strukturen für die Familien zu schaffen, müssen die Jugendämter und Leistungserbringer in den neuen, komplexeren Aufgaben erheblich unterstützt werden. Da dürfen Bund, Länder und Kommunen nicht bremsen, wenn es ihnen Ernst ist mit der Stärkung der Kinder und Jugendlichen.“
Dem Deutschen Bundesjugendring erscheint die die Übergangsfrist von sieben Jahren in einem dreistufigen Verfahren mit Blick auf die betroffenen Kinder und Jugendlichen und ihre Eltern recht lang. „Ein schnelleres Verfahren wäre wünschenswert gewesen“, sagt Daniela Broda, stellvertretende Vorsitzende des DBJR.
Verbesserungen durch die Reform
Mehr Kontrolle für Heime
Heime und ähnliche Einrichtungen werden einer strengeren Aufsicht und Kontrolle unterstellt. Kinder in Pflegefamilien verbleiben auf Anordnung des Familiengerichts dauerhaft dort, wenn dies zum Schutz und Wohl des Kindes erforderlich ist.
Kostenbeteiligung sinkt auf 25 Prozent
Junge Menschen in Pflegefamilien und Einrichtungen der Erziehungshilfe, die Einkommen aus Schülerjobs, Praktika oder einer Ausbildung haben, müssen sich künftig nur noch mit 25 Prozent an den Kosten beteiligen - bislang waren es 75 Prozent. Dabei bleibt ein Freibetrag von 150 Euro des Einkommens von der Kostenbeteiligung ausgenommen. Einkommen aus kurzfristigen Ferienjobs und ehrenamtlicher Tätigkeit sind gänzlich freigestellt.
Kooperation und Prävention
Alle beteiligten Stellen, also Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Gesundheits- und Strafverfolgungsbehörden sowie die Familien- und Jugendgerichte sollen besser miteinander kooperieren. Ärzte, die sich bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung an das Jugendamt wenden, erhalten beispielsweise eine Rückmeldung über die anschließende Gefährdungseinschätzung. Verbesserungen sind auch für die Prävention vor Ort und die Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien vorgesehen.
Unbürokratische Hilfe
In Notsituationen können sich die Betroffenen an eine Erziehungsberatungsstelle in ihrer Umgebung wenden und dort unbürokratisch Hilfe erhalten. In den Ländern soll eine bedarfsgerechte Struktur von unabhängigen Ombudsstellen entstehen. Die Beschwerdemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in Heimen und Pflegefamilien werden erweitert.
Länderkosten kompensieren
In einer begleitenden Entschließung weist der Bundesrat darauf hin, dass das Gesetz mit erheblichen Kostenfolgen für die Länder verbunden sind, die diese nicht tragen können. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, dauerhaft einen vollständigen Kostenausgleich für Länder und Kommunen zu schaffen, beispielsweise durch Änderung des Finanzausgleichsgesetzes. Die Entschließung wurde der Bundesregierung zugeleitet. Diese entscheidet, wann sie sich mit der Forderung befasst. Der Deutsche Bundesjugendring ruft vor diesem Hintergrund Länder und Kommunen auf, die Kosten nicht auf die vielen Träger der Kinder- und Jugendhilfe abzuwälzen oder in anderen Bereichen des SGB VIII zu sparen.
Quellen: AWO Bundesverband, Deutscher Bundesjugendring, Bundesrat
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Verband / Interessenvertretung
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