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BKJE – Praxisbeispiel zur Gesundheitsförderung in der Kinder- und Jugendhilfe

Das Projekt BKJE bietet eine Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen. Es ist ein individuell auf die Lebenssituation zugeschnittenes, familienorientiertes Hilfs- und Beratungsangebot in Bremen. Lesen Sie hier in der Reihe des Fachkräfteportals „Gesundheitsförderung in der Kinder- und Jugendhilfe“ mehr zu den Projektinhalten, zur Finanzierung und zu weiteren notwendigen Umsetzungsressourcen.

06.12.2021

Praxisbeispiel BKJE 

Projekttitel

Beratungsstelle für Kinder- und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen

Träger und Handlungsfeld in der Kinder- und Jugendhilfe

Der AfJ e.V. Kinder- und Jugendhilfe Bremen ist ein anerkannter Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe in Bremen mit ca.110 Beschäftigten. Durch ihn werden Familien, Jugendliche und Kinder zu Hause betreut und er hat stationäre Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene (Jugendwohngemeinschaft, Therapeutische WG). Seit 2005 engagiert sich der AfJ e.V. in der Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche mit chronischer Erkrankung (Schwerpunkt DiabetesTyp1).

Projektmitarbeitende: Anzahl, Umfang, Qualifikation, Kooperation

Für das Projekt BKJE sind folgende Mitarbeitende tätig bzw engagiert:

  • 1 Projektleitung (5 WST)
  • 2 Beraterinnen (zusammen ca. 40 WST), beide "Peers"
  • ca. 15 Ehrenamtliche.

Es bestehen Kooperationen mit den örtlichen Kinderkliniken, mit dem Träger der Sozialmedizinischen Nachsorge, mit dem LIS - Landesinstitut für Schule (Lehrerfortbildung) sowie auch Kooperationen innerhalb des Trägers z.B. mit der Kinder- und Jugendfarm des AfJ e.V.

Projektziele

Problemlage bzw. Ausgangslage zur Projektentwicklung

Schwerwiegende chronische Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen stellen das ganze Familiensystem vor große Herausforderungen. Der Alltag verändert sich für alle Familienmitglieder und wird zeitweise oder dauerhaft als stark belastend empfunden. Dabei gibt es verschiedene Belastungsquellen für die Familien: die Erkrankung selbst, Stress aus den Behandlungsanforderungen, den Einschränkungen oder Verhaltensauffälligkeiten des erkrankten Kindes sowie die belastende Einschränkung in anderen sozialen Rollen der Eltern, wie z. B. Einschränkung in der Berufstätigkeit oder bei Freizeitaktivitäten. Dazu gehört ein komplizierter Übergang von der Pubertät in das Erwachsenenalter mit anderen Zuständigkeiten und Versorgungsumständen.

Hilfe und Unterstützung – über die medizinische Versorgung hinaus – ist oftmals erforderlich, damit die Eltern ihre Aufgaben für alle ihre Kinder erfüllen können, damit Geschwister sich nicht überbelastet und vernachlässigt fühlen, damit die Eltern ihre Paarbeziehung stärken können. Wenn weitere Krisen hinzukommen, wie eine eigene Erkrankung der Eltern oder der Geschwister, Arbeitslosigkeit, Scheidung, Wohnortwechsel, Armut, Sprachbarrieren etc., ist die Hilfe besonders wichtig.


Ziel

Für die betroffenen Familien ist das individuell auf die Lebenssituation zugeschnittenes, familienorientiertes Hilfs- und Beratungsangebot in Bremen einzigartig. Zu Beginn der Erkrankung, gerade wenn die Kinder sehr jung sind, gelingt es den Familien nicht, sich in einer Art Selbsthilfe zu organisieren, weil die Bewältigung des Alltags oftmals alle Ressourcen verbraucht. Das Projekt dient der Teilhabe der erkrankten Kinder und Jugendlichen und ihrer Familien sowie der Erhaltung ihrer somatischen und psycho-sozialen Ressourcen und der Stärkung des gesamten Familiensystems. Gerade auch in Hinblick auf die familiären Anforderungen bei der Bewältigung der Corona-Pandemie erscheint dies mehr denn je erforderlich.

Zielgruppen des Projektes

Das Projekt unterstützt Kinder und Jugendliche mit chronischer Erkrankung und ihre Familien, insbesondere Familien 

  • mit nur einem Elternteil / getrennt lebende Eltern
  • in prekären Verhältnissen
  • mit Bedarf an Erziehungshilfe
  • in insgesamt sozial, gesundheitlich und/oder psychisch belasteten Situationen

sowie Lehrkräfte, Erzeiherinnen und Erzieher wie auch Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe und der sozialmedizinischen Nachsorge.
Die Angebote sind kostenfrei.

Konzept und Ergebnisse

Konzeption des Projektes

Das Projekt "BKJE - Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen" umfasst mehrere Bereiche:

  1. Einzelberatungen für Familien zu allen Fragen der Teilhabe (z.B. zu Schwerbehindertenausweis, Pflegegrad, Kita-/Schulassistenz) mit niedrigschwelliger Lotsenfunktion im regionalen und überregionalen Hilfesystem.
  2. Themenorientierte Gruppengespräche für Eltern, z.B. Elterngesprächskreis zu "DiabetesTyp1 und Pubertät" , Delfin-Kurs zu Erzeihung mit Diabetes Typ1 für Familien mit Kindern unter 10 Jahren.
  3. Programm FUGE: Qualifizierung und Vermittlung von ehrenamtlichen Helfer*innen in Familien mit einem chronisch kranken Kind.
  4. Erlebnispädagogische Familienangebote: es werden mehrmals im Jahr Eltern-Kind-Nachmittage organsiert, bei denen die Eltern ihre Erfahrungen austauschen, Neues lernen und in moderierten Elternrunden ihre Situation reflektieren. Derweil werden die Kinder im Alter von 2-10 Jahren von kompetenten FUGE-Freiwilligen betreut. Einmal im Jahr fahren ca. 10 Familien, in denen ein Kind kürzlich an Diabetes erkrankt ist, auf einen Bauernhof im Umland. Die Kinder werden hier von FUGE-Freiwilligen betreut, während die Eltern in den moderierten Austausch gehen. Einmal im Jahr wird ein Sommerfest auf der der Kinder- und Jugendfarm des AfJ e.V. mit buntem Programm für die Kinder und einer Info-Börse für Eltern veranstaltet.
  5. Aufklärung in Bildungs- und Freizeiteinrichtungen und Netzwerkarbeit, z.B. 'Diabetes in Kita- und  Schulalltag' mit dem LIS Bremen.

Welche Ergebnisse sind erzielt worden?

Im Jahr werden mit dem niederschwelligen Hilfsangebot ca. 250 Personen aus Bremen und dem Umland erreicht. Ca. 40 Familien nehmen pro Jahr die Angebote war. Es werden Fachkräfte über die chronischen Erkrankungen und deren Auswirkungen informiert und sie damit zu Multiplikatoren in ihrem Arbeitsbereich ausgebildet.

Was sind die Maßnahmen zur Qualitätssicherung / zum Monitoring? 

In einem Jahresbericht werden alle Beratungsanfragen, -fälle und Veranstaltungen dokumentiert. Feedback-Bögen zu den Angeboten und weiteren Veranstaltungswünschen werden regelmäßig von den Familien anonym ausgefüllt und ausgewertet. Auch die Experten aus dem Netzwerk werden zu den Hilfsangeboten befragt.

Finanzierung und Förderung

Wie ist das Projekt finanziert bzw. gefördert?

Die Beratungsstelle ist auf Projektfinanzierung und Spenden angewiesen. Von 2015-18 erhielt das Projekt eine Anschubfinanzierung durch "Aktion Mensch". Im Anschluss wurde die Arbeit für 2 Jahre im Rahmen des Landesaktionsplans zur Umsetzung der UN-BRK durch die Stadt Bremen gefördert. Einzelne Bereiche werden durch die AOK Bremen/Bremerhaven unterstützt. Das Programm FUGE wurde durch die Kroschke Stiftung für Kinder, die Helmut und Ruth Märtens Stiftung und aktuell durch die Postcode-Lotterie gefördert. 
Benötigt wird alles in allem jährlich eine Summe von  65.000,-  Euro.

Gibt es eine Unterstützung durch die Komme oder durch ein kommunales Netzwerk?

Nein, eine Unterstützung durch die Kommune erfolgt nicht. 

Inwieweit wird das Projekt fortgeführt?

Das Projekt hat sich etabliert, die Angebote werden dringend benötigt und sehr gut angenommen. Viele Familien sind ausgesprochen dankbar, dass es diese Anlaufstelle gibt. Trotzdem ist es – wie leider so oft – äußerst und zunehmend schwierig, eine Anschlussfinanzierung für das Projekt zu erhalten, weil oftmals nur innovative Projekte gefördert werden.

Gesundheitsförderung in der Kinder- und Jugendhilfe

Wie hat sich die Arbeit durch die Pandemie verändert?

Der Zugang zu den Zielgruppen ist deutlich erschwert. Vor der Pandemie konnten die Familien noch während ihres stationären Aufenthalts im Krankenhaus, kurz nach der Manifestation, aufgesucht, mit wichtigen Erstinformationen versorgt werden. Das hat die Familien aufgefangen und den Weg für alle folgenden Kontakte geebnet. Solche aufsuchende Hilfe dürfen nicht mehr erbracht werden.

Aufgrund der Kontaktbeschränkungen konnten viele Angebote nicht stattfinden. Mit der Zeit konnten aber einige Veranstaltungen umgestellt werden: So findet die Lehrerfortbildung nun bspw. online statt und die Eltern-Kind-Nachmittage draußen im Garten. Um den persönlichen Kontakt auch im Winter zu ermöglichen, werden weiterhin auf große Räume gesucht, in denen Abstand möglich ist.

Was bräuchten Einrichtungen um Gesundheitsförderung als Bestandteil ihrer Arbeit zu etablieren?

Eine regelmäßige Basisfinanzierung.

Weitere Informationen zum Projekt stehen auf der Website des AfJ zur Verfügung.

Redaktion: Iva Wagner

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