Studie
Bedürfnisse von Familien mit lebensverkürzend erkrankten Kindern und Jugendlichen
In Deutschland leben zwischen 320.000 und 400.000 Kinder und Jugendliche mit einer diagnostizierten lebensverkürzenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung. Zu den Bedürfnissen, die sich aus dieser Lebenssituation ergeben, ist bisher wenig bekannt. Diese Lücke schließt eine neue Studie des Instituts für Rehabilitationswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin.
18.10.2023
Die Studie FamPalliNeeds des Instituts für Rehabilitationswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin liefert nun erstmals umfassende Daten zu den unterschiedlichen Lebenssituationen und Bedürfnissen der Familien, in denen erkrankte Kinder und Jugendliche leben oder gelebt haben.
Soziale Teilhabe ist eingeschränkt
„Ob Bildung, Berufstätigkeit oder Freizeitaktivitäten – die Möglichkeiten der sozialen Teilhabe sind für Eltern und Kinder erheblich eingeschränkt“, sagt Sven Jennessen, Professor für Pädagogik bei Beeinträchtigungen der körperlich-motorischen Entwicklung und Leiter des Forschungsprojekts. Wie die Befragung von mehr als 400 Familien zeigt, hängt beispielsweise der Besuch einer Regelschule stark vom Pflegegrad eines erkrankten Kindes ab: Während Kinder mit Pflegegrad 1 alle eine Regelschule besuchen und auch noch 60 Prozent der Kinder mit Pflegegrad 2, ist es in der Gruppe mit Pflegegrad 5 nur noch etwa jedes achte Kind. Alle anderen Kinder in den befragten Familien besuchen eine Förderschule. Zudem fühlen sich Familien allein gelassen, wenn es darum geht, Anträge für Unterstützungsleistungen zu stellen. Mehr als zwei Drittel der Eltern gaben an, dass sie von Fachkräften nicht ausreichend über die ihnen zustehenden Leistungen und Angebote informiert wurden.
Wie könnte eine bedarfsgerechte Versorgung und Unterstützung aussehen?
Auf Grundlage der Ergebnisse der Befragung haben Jennessen und sein Team Empfehlungen für eine bedarfsgerechte Begleitung und Versorgung von Familien mit lebensverkürzend erkrankten Kindern und Jugendlichen erarbeitet. Die Forschenden raten unter anderem dazu, wohnortnahe Angebote insbesondere in ländlichen Regionen auszubauen und mehr Fachkräfte an die Schulen zu holen. Außerdem fordern sie eine bessere finanzielle Absicherung für Eltern: „Die finanzielle Unterstützung durch bestehende Angebote wie Pflegezeiten und Familienpflegezeiten sind für die Familien völlig unzureichend. Dringend notwendig sind passgenaue Leistungen im Sinne eines ElternPflegegeldPlus, das die enormen finanzielle Belastungen auffängt“, sagt Sven Jennessen.
Weitere Informationen
Über die Studie
Die Studie FamPalliNeeds wurde vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Zeitraum von August 2020 bis März 2023 gefördert. Kooperationspartner ist der Deutsche Kinderhospizverein e.V.
Die aus den Daten abgeleiteten Handlungsempfehlungen werden dem BMFSFJ zur Verfügung gestellt mit dem Ziel, Unterstützungsmöglichkeiten zu entwickeln, die auf die Bedürfnisse der Familien zugeschnitten sind.
Die Originalpublikation
Die Originalpublikation steht als Download zur Verfügung.
Quelle:Humboldt Universität zu Berlin vom 12.10.2023
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