SGB VIII
AGJ-Stellungnahme zur SGBVIII-Reform: Der erste Entwurf – ein Minimalkonsens?
Der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ hat eine Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen vom 17. März 2017 (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) beschlossen.
29.03.2017
In dieser Stellungnahme wird nicht nur auf die Regelungsvorschläge des Refentenentwurfs eingegangen, sondern es werden auch Hinweise zur Fortführung des Diskussionsprozesses „Inklusive Lösung“ und „Weiterentwicklung der Hilfen zur Erziehung“ gegeben.
Vorbemerkungen
Aus dem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen vom 17. März 2017 (im Folgenden RefE) wird deutlich, dass etliche Anmerkungen zur SGB VIII-Reform des letzten Jahres gehört und aufgegriffen wurden. Die jüngeren Signale einer zukünftig stärkeren beteiligungsorientierten Auseinandersetzung über die Zukunft der Kinder- und Jugendhilfe werden von der AGJ ausdrücklich begrüßt.
Gleichzeitig konterkariert die kurze Anhörungsfrist zum RefE dieses Bekenntnis zu beteiligungsorientierter Auseinandersetzung. Sie macht eine vertiefte Befassung mit den Regelungsvorschlägen (gerade auch unter Berücksichtigung von Verfahrensabläufen innerhalb von Fachverbänden wie auch der AGJ) unmöglich. Etliche der vorgelegten Regelungsvorschläge sind inhaltliche Fortentwicklungen aus dem bisherigen Diskussionsprozess, Anderes taucht erstmals auf.
Die mit dem Referentenentwurf vorgelegten gesetzlichen Änderungen gilt es zu reflektieren und deren intendierten wie möglicherweise nicht-intendierten Wirkungen auf der rechtlichen, aber auch der praktischen Vollzugsebene zu überdenken. Als Zusammenschluss bundeszentraler Organisationen und Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe Deutschlands hat sich die AGJ aus fachlicher Überzeugung in den vergangenen zwei Jahren sehr umfangreich und mit hohem Engagement in den Reformprozess zum SGB VIII eingebracht und will dies weiter tun.
Dringend möchte sie anregen, dass das BMFSFJ außerhalb des Verfahrens um den RefE eine Form findet, die eine Anknüpfung und Fortführung des Diskussionsprozesses des vergangenen Jahres nicht nur durch Arbeitsgruppentreffen transparent ermöglicht. Schriftliche Zusammenfassungen bereits vorgetragener Positionierungen zur Vermeidung unnötiger Wiederholungsschleifen, frühzeitige Terminierungen und transparente Vorbereitung mit vorab übersandten Besprechungsgrundlagen würden zur allgemeinen Entlastung und zur Stärkung eines Vertrauens in dem Beteiligungsprozess dienen. Auf Grund der sehr engen Zeitläufe und die parallel zu bewältigende finale Vorbereitung des 16. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetages konnten weder alle Aspekte des RefE aufgegriffen, noch umfängliche Bewertungen erfolgen.
Zielbestimmung einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe
Die AGJ unterstützt das vom BMFSFJ vorangetriebene Ziel einer inklusiven Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe. In Anbetracht der hohen Komplexität und der Vielzahl weiterzuverfolgender Fragen begrüßt sie die Absicht, dieses Vorhaben über die Legislaturperiode hinaus fortzutragen und dem Verständigungsprozess über Regelungs- und Umsetzungsfragen die erforderliche Zeit einzuräumen.
Im Sinne des bereits eingangs Gesagten, empfiehlt die AGJ, die umfangreichen Diskussionsbeiträge des vergangenen Jahres für alle zugreifbar zu sichern und aufzubereiten, um im weiteren Dialog daran anknüpfen und weiterdiskutieren zu können. Die Aufnahme der vorgeschlagenen inklusiven Zielbestimmung in § 1 Abs. 4 Nr. 4 SGB VIII-RefE, die Aufnahme in die Vorgaben zur Ausgestaltung der Leistungen und Erfüllung der Aufgaben in § 9 Nr. 3 SGB VIII-RefE, zur Qualitätsentwicklung in § 79a S. 2 SGB VIII-RefE und zur Jugendhilfeplanung in § 80 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB VIII-RefE sind sinnvolle und höchst begrüßenswerte erste Schritte.
Die AGJ gibt in diesem Zusammenhang aber zu bedenken, dass über die Voranstellung des Wortes „möglichst“ eine Relativierung des Entwicklungszieles der Selbstbestimmtheit erfolgt was für eine große Mehrzahl der jungen Menschen deutlich zu kurz griffe (§§ 1 Abs 1, 22 Abs. 2 Nr. 1, 24 Abs. 1 SGB VIII-RefE). Diese Einschränkung sollte daher gestrichen werden. Ferner bestehen noch sprachliche Unstimmigkeiten. Die Benennung „Teilhabe am Leben“ der Legaldefinition in § 1 Abs. 3 RefE vermittelt kein realitätsangemessenes Bild: Leben wird bereits aus sich heraus gelebt. Auch finden sich im RefE zwei unterschiedliche Fortführungen zu Teilhabe am Leben. Während § 1 Abs. 3 RefE selbst mit „Teilhabe an der Gesellschaft“ beginnt, heißt es in § 1 Abs. 4 Nr. 1 RefE „Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft“.
Eine Anlehnung an die Begrifflichkeit der UN-Behindertenrechtskonvention („volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft“) ist zu prüfen. Anstelle der u. a. in § 36a Abs. 2 SGB VIII aufgenommenen Begriffstrias „Entwicklungs-, Teilhabe- oder Erziehungsbedingungen“ empfiehlt die AGJ eine Anknüpfung an die Terminologie der §§ 27 ff. SGB VIII aktuelle Fassung bis in dem Dialogprozess zur inklusiven Lösung Entscheidungen über neue Begrifflichkeiten getroffen sind. Die Aufnahme der anderen Rehabilitationsträger nach dem SGB IX in § 81 Nr. 2 SGB VIII-RefE ist zu begrüßen, muss aber durch korrespondierende Verpflichtungen in den für diese geltenden Rechtsgrundlagen ergänzt werden. Nur die Kinder- und Jugendhilfe zur strukturellen Zusammenarbeit zu verpflichten, reicht nicht aus.
<link https: www.jugendhilfeportal.de material der-erste-entwurf-ein-minimalkonsens-stellungnahme-der-agj external-link-new-window der stellungnahme auf den seiten des>Zum Download der Stellungnahme
Quelle: Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ vom 27.03.2017
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