Digitalisierung und Medien

Wo steht die Digitalisierung im Sozialbereich?

Der Alltag hat sich für Mitarbeitende in Organisationen im Sozialbereich deutlich verändert. Heute sind sie für ihre Klientel beispielsweise durch das Smartphone ständig erreichbar. Dennoch ist der technologische Fortschritt kleiner als in anderen Branchen, zeigt eine neue Studie in der Schweiz.

29.03.2019

„Wissen Sie, heute haben alle ein Handy. Und mit alle meine ich auch jene, die es sich nicht leisten können und auch jene, die sich technisch nicht damit auskennen. Ausnahmslos alle sind damit ausgestattet und nutzen es. Und wir kommen nicht mehr drum herum, auf diese Veränderungen zu reagieren“, sagt Frau Meier (fiktiver Name). Sie arbeitet im Sozialdienst einer Stadt und hat an der Studie „Bestandsaufnahme Digitalisierung in/von Organisationen im Sozialbereich“ teilgenommen.

Neue Kommunikationswege bringen grundlegende Veränderungen mit sich

Die Studie der Schweizerischen Hochschule für Soziale Arbeit FHNW und des Vereins sozialinfo.ch zeigt: Das Handy hat die Kommunikation von Organisationen im Sozialbereich mit ihrer Klientel grundlegend verändert. Rund 62 Prozent aller teilnehmenden Institutionen geben an, dass sie die digitalen Angebote aufgrund der veränderten Bedürfnisse angepasst haben. Insbesondere aufgrund der neuen Kommunikationskanäle wie Mail, SMS oder WhatsApp: Heute werden Quittungen mittels Fotos eingereicht oder Fragen per WhatsApp gestellt. Die ständige Erreichbarkeit auf Seiten der Klientel wie auch bei den Organisationen löst die Erwartung einer schnellen Reaktion aus. Und durch das Handy entstehen neue Verschuldungsmöglichkeiten, welche die Mitarbeitenden in Organisationen des Sozialbereichs zunehmend beschäftigen.

Warum ist die Innovation geringer?

Die Resultate zeigen, dass unter Innovation im Feld der Sozialen Arbeit primär die digitale Optimierung oder Ergänzung bestehender Produkte verstanden wird. Die Entwicklung komplett neuer Angebote, Dienstleistungen oder Produkte auf Basis digitaler Technologien ist zwar ebenfalls Thema, jedoch zweitrangig. „Wissen Sie, wir arbeiten immer noch mit Menschen“, lauteten Aussagen von Teilnehmenden an der Studie. Dies ist sicherlich ein Hinweis, warum der technologische Fortschritt langsamer verläuft.

Die Studie zeigt außerdem, dass in der Begleitung von Menschen mit physischer und psychischer Beeinträchtigung und in der Gemeinwesenarbeit digitale Technologien seltener eingesetzt werden. Ganz anders ist dies im Gesundheitsbereich: dieser schätzt sich innovativer ein als der restliche Sozialbereich. Digitale Technologien werden zur Effizienzsteigerung und Automatisierung der Abläufe eingesetzt. Ebenfalls ist es möglich, dass durch den medizinischen Kontext eine Beeinflussung der Haltung zu digitalen Entwicklungen vorliegt.

Innovationen durch Kooperationen

Im Gegensatz zum gewinnorientierten Sektor wird im sozialen Bereich häufig auf Kooperationen gesetzt, um digitale Entwicklungen voranzutreiben. Partnernetzwerke helfen dabei, sich zu koordinieren, auszutauschen, zu unterstützen und geplante Vorhaben umzusetzen. Die Studie zeigt, dass das Konkurrenzdenken im Feld der Sozialen Arbeit geringer ist, da es sich nicht um den freien Markt handelt. Zudem steht im sozialen Bereich weniger Geld zur Verfügung, so dass eigene Innovationen schwieriger zu realisieren sind.

Das Projekt gibt spannende Einblicke zum Einsatz digitaler Technologien bei 100 Organisationen im Sozialbereich in der deutschsprachigen Schweiz. Es zeigt auf, dass die Digitalisierung in aller Munde ist. In der Sozialen Arbeit steht jedoch der Mensch im Mittelpunkt, was sich speziell beim technologischen Fortschritt bemerkbar macht.

Vertiefende Informationen

Auftraggeberin der Studie ist der Verein sozialinfo.ch.
Alle Ergebnisse unter: digitalisierung.sozialinfo.ch/digitalisierung/bestandesaufnahme-2018/

Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, Hochschule für Soziale Arbeit
Sarah Bestgen, Projektleiterin «Bestandsaufnahme Digitalisierung in/von Organisationen im Sozialbereich»
sarah.bestgen@fhnw.ch

Quelle: Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, Hochschule für Soziale Arbeit vom 05.03.2019

Redaktion: Kerstin Boller

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