Sozialpolitik

Verbände kritisieren Entlastungspaket als unzureichend

Die steigenden Energiekosten bedeuten eine finanzielle Mehrbelastung für alle Menschen in Deutschland. Um die Auswirkungen abzumildern, hat die Bundesregierung mehrere Entlastungspakete auf den Weg gebracht. Das dritte Entlastungspaket wurde am 04. September vorgestellt. Mehrere Verbände haben sich nun kritisch zu den Maßnahmen positioniert.

07.09.2022

Das dritte Entlastungspaket (PDF: 127 KB) des Bundes umfasst Maßnahmen in verschiedenen Bereichen:

  1. Maßnahmen auf dem Energiemarkt
  2. Einmalzahlung für Rentner:innen
  3. Entlastung Studierende
  4. Weitere Preisdämpfungen über Ersetzung von Gasmengen durch neue Quellen
  5. Ausweitung des Wohngeldanspruchs, Einführung einer Heizkosten- und Klimakomponente
  6. Einführung Bürgergeld
  7. Midi-Job: Anhebung der Grenze auf 2000 Euro
  8. Abbau der Kalten Progression (Steuererhöhung aufgrund von Inflation soll verhindert werden)
  9. Kindergeld (Anhebung des Kindergeldes für das erste und zweite Kind)
  10. Konzentrierte Aktion und Unterstützung der Tarifpolitik
  11. Unternehmenshilfen
  12. Spitzenausgleich energieintensive Unternehmen
  13. Bundesweites Ticket im Öffentlichen Nahverkehr
  14. Verlängerung Kurzarbeitergeld
  15. Umsatzsteuer in der Gastronomie
  16. Flankierende zivilrechtliche Maßnahmen (beispielsweise im Bereich des sozialen Mietrechts)
  17. Einführung nationale Mindestbesteuerung
  18. Globale Ernährungssicherheit
  19. Weitere Maßnahmen zur finanziellen Entlastung (beispielsweise Senkung der Umsatzsteuer auf Gas)
  20. Weitergeltende Maßnahmen die auch in den nächsten Jahren wirken (beispielsweise Kinder-Sofortzuschlag)

Vor allem armutsgefährdete Haushalte müssen mehr mitgedacht werden

Mehrere Verbände haben sich zu den Maßnahmen des dritten Entlastungspakets positioniert und kritisieren diese als unzureichend.

AWO: Aus armutspolitischer Sicht ist das Paket eine herbe Enttäuschung

Der Präsident der Arbeiterwohlfart (AWO), Michael Groß, begrüßt in einer Stellungnahme die schnelle Bereitschaft des Bundes Belastungen für Privathaushalte zu schmälern, kritisiert aber, dass vor allem arme Kinder und Jugendliche von den Maßnahmen kaum und nicht ausreichend profitieren würden. Daher fordert die AWO unter anderem eine sofortige Dopplung des Sofortzuschlags.

„Besonders arme Kinder leiden unter den massiven Preissteigerungen und profitieren auch nicht von den geplanten Erhöhungen des Kindergeldes und Kinderzuschlags.  Der seit Juli gewährte monatliche Sofortzuschlag für arme Kinder und Jugendliche müsse daher mindestens verdoppelt werden - und zwar sofort.“

Der Paritätische: Pläne sind in Summe nicht geeignet, den Ärmsten im Herbst Zuversicht zu geben.

Auch Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, kritisiert in einer Stellungnahme, dass vor allem arme Haushalte nur unzureichend unterstützt werden. Insbesondere Menschen in der Grundsicherung müssten umfangreichere Maßnahmen gewährleistet werden, um auch den Ärmsten substantiell Unterstützung und Entlastung zu bringen.

„Dass Rentner:innen und Studierende jetzt auch wie alle anderen eine einmalige finanzielle Unterstützung erhalten und beim Heizkostenzuschuss im Wohngeld noch einmal nachgelegt wird, ist nur gerecht, gut und wichtig, aber ganz sicher nicht genug.“

Caritas: Entlastungspaket stärkt Krisenresilienz des Landes. Solidarität ist das Gebot der Stunde

Die Präsidentin des Deutschen Caritas-Verbandes Eva Maria Welskop-Deffaa begrüßt in einer Stellungnahme ebenfalls, dass die Koalitionspartner zu einer Einigung gekommen sind und im dritten Entlastungspaket nicht nur die Erwerbstätigen, sondern auch Studierende und Rentner:innen mitbedacht werden. Sie nimmt unter anderem die Strompreisbremse genauer in den Blick.

„Die Strompreisbremse, die die Koalition für den Grundbedarf ankündigt, soll Energiesparanreize erhalten, so das Ergebnispapier vom Wochenende. Wie das gelingen soll, ist noch nicht überzeugend dargestellt. Hier wird der Deutsche Caritasverband genau hinschauen, denn wir dürfen mit den finanziellen Entlastungen den ökologischen Enthusiasmus nicht bremsen.“

Diakonie Deutschland: Drittes Entlastungspaket stellt richtige Weichen - Jetzt zügig umsetzen

Auch Diakonie-Präsident Ulrich Lilie begrüßt in einer Stellungnahme den Umfang des Maßnahmenpakets, macht aber auch auf zielgenauere Maßnahmen für Menschen in der Grundsicherung und Sozial- und Pflegeeinrichtungen aufmerksam.

„Die Menschen erwarten: die Beschlüsse müssen zügig umgesetzt, im Detail aber noch zielgenauer werden, insbesondere mit Blick auf Einkommensarme. So können wir bei Grundsicherungsbeziehenden nicht bis zum ersten Januar auf erste Entlastungen warten. Es muss klar sein: bei niemandem darf das Licht ausgehen oder die Heizung abgestellt werden.“

Fokus auf Folgen für Familien

Der Deutsche Familienverband und der Verband kinderreicher Familien nehmen insbesondere die Folgen für Familien in den Fokus.

Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V.: Das 3. Entlastungspaket blendet Mehrkindfamilien aus

Der Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. (KRFD e.V) kritisiert, dass Familien mit mehreren Kindern im Entlastungspaket nur unzureichend mitgedacht würden. Dadurch würden Existenzängste vor allem in kinderreichen Familien geschürt, so Dr. Elisabeth Müller, Vorsitzende des Verbandes in einer Pressemitteilung.

„Für Mehrkindfamilien bedeutet das Vorhaben, dass 36 Euro anteilig der Kinderzahl aufgeteilt werden müssen. Damit erhält eine Familie mit drei, vier oder weiteren Kindern genauso viel Unterstützung wie eine Familie mit zwei Kindern. „Warum hört diese Förderung ab dem dritten Kind auf?“, fragt Dr.  Müller in Richtung der Verantwortlichen (...).“

Deutscher Familienverband: Das Entlastungspaket ignoriert kinderreiche Familien

Auch der Deutsche Familienverband (DFV) sieht massiven Nachbesserungsbedarf im Bereich der kinderreichen Familien. Klaus Zeh, Präsident des Deutschen Familienverbandes, geht auf die Pläne zu Energiebesteuerung und auf das Nachfolgeticket für das 9-Euro-Ticket vor dem Hintergrund Mobilität für Familien ein. Besonders hebt er in der Pressemitteilung ebenfalls die Kindergeldanpassung hervor.

„Für den Deutschen Familienverband gilt ein wichtiger Grundsatz: „Jedes Kind muss dem Staat gleich viel Wert sein.“ Daher fordert der DFV ein Kindergeld in Höhe von mindestens 330 Euro. Das bedeutet, dass das Kindergeld der maximalen steuerlichen Wirkung des Kinderfreibetrages entsprechen muss.“

eaf: Keine Privatisierung der Kosten zu Lasten von Familien

Die evangelische arbeitsgemeinschaft familie (eaf) fordert in einer Pressemitteilung (PDF: 54,9 KB) ebenfalls, dass jedes Kind dem Staat gleich viel wert sein müsse. Gleichzeitig begrüßt die eaf die geplante Strompreisbremse als willkommene Maßnahme für Familien, macht aber auch darauf aufmerksam, dass andere kommunlate Maßnahmen die Energiekosten für Familien dennoch in die Höhe treiben könnten.

„Der Verband weist aber darauf hin, dass andere – kommunale – Maßnahmen den Gas- und Stromverbrauch in einigen Haushalten unfreiwillig nach oben treiben würden: „Die Tendenz, öffentliche Angebote wie Warmwasser zum Duschen in Sporthallen und Schwimmbädern zurückzufahren und damit die Kosten zu privatisieren, muss gestoppt werden. Auf diese Art werden Privathaushalte zur Entlastung der kommunalen Haushaltet belastet“, so Bujard.“

VAMV: Kinder von Alleinerziehenden fallen durchs Raster

Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) macht in einer Mitteilung darauf aufmerksam, dass die Kinder von Alleinerziehenden in Summe kaum von den Maßnahmen des Entlastungspaket profitieren würden und bemängelt unter anderen die Verrechnung der Erhöhung des Kindergeldes mit anderen Leistungen und dem Unterhaltsvorschuss.

„Bei Kindern, die Unterhalt erhalten, wird das halbe Kindergeld mit dem Kindesunterhalt verrechnet. „In Alleinerziehenden-Haushalten stehen somit nicht 18 Euro mehr Kindergeld zur Verfügung, sondern 9 oder nur 0 Euro. Dabei treffen Familien mit kleinem Einkommen und somit viele Alleinerziehende und ihre Kinder die steigenden Lebenshaltungspreise und Energiekosten besonders hart. (...).““

Weitere Informationen

Mehr Informationen zum dritten Entlastungspaket finden sich auf der Website des Bundesfinanzministeriums.

Redaktion: Silja Indolfo

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