Elterntalk NRW

Superheldinnen und Superhelden – oder einfach „Eltern“

Eltern müssen in der Pandemie alles auf einmal sein: Lehrer/-innen, Spielfreunde, Großeltern und eben immer noch Eltern. Ihre Erwerbsarbeit machen Supermum und Superdad ganz nebenbei am Laptop. Und trotz aller Kraftaufwendung sind sie stets zerrissen – einerseits wollen sie das Beste für ihre Kinder. Andererseits haben sie ständig Angst, die falschen Entscheidungen zu treffen. Darf das Kind wirklich Freunde treffen oder in die Notbetreuung? Was brauchen eigentlich Eltern aktuell? Elterntalk NRW nimmt Stellung.

19.05.2021

Wecken, anziehen, Zähne putzen, Wäscheberge sortieren, gesundes Mittagessen kochen, Streit schlichten, Spiele spielen, Trostpflaster kleben, Fahrdienste und Handyregeln machen, Eltern managen das Familienunternehmen. Der ganz normale Familienzirkus eben.

Und jetzt noch mehr Akrobatik.

Seit einem Jahr betreiben Eltern stetige Jonglage auf engstem Raum im Schulstundentakt, wenn Schulen und Kitas mal wieder kurzfristig schließen. Sorge um die Gesundheit der Familie, Kinderbetreuung, Homeschooling und Arbeit (sofern man eine hat) sind Chaos und Überforderung pur, eine nie endende Mischung aus Essenbereiten, Putzen, Aufräumen und Einkaufen, schon wieder Essenzubereiten, Fragen zum kleinen Einmaleins oder der Wahrscheinlichkeitsrechnung beantworteten; gefühlt tausendmal am Tag Nein sagen, weil so vieles nicht erlaubt ist und die Kinder nicht den ganzen Tag vor der Glotze oder dem Smartphone sitzen sollten; wieder Essenmachen; Arbeitsblätterausdrucken und Lernvideos auf dem eigenen Arbeitsrechner zum Starten bringen; mal um 8.15 Uhr das Kind vors Zoom-Meeting setzen, am nächsten Tag gar nicht, dann wieder um 12.00 Uhr, wenn das kleine Kind nach Mittagessen schreit und bis dahin nur im Schlafanzug herumvagabundiert ist und mindestens schon ein Hörspiel und zwei Folgen seiner Lieblingsserie geschaut hat. Zwischendrin zur Arbeit gehen und hoffen, dass alles gut geht. Oder zwischendrin Zoom-Meetings mit den Kolleg(inn)en, Mails schreiben, immer wieder neue Versuche, sich auf die Arbeit zu konzentrieren, wobei es permanent im Hintergrund etwas Neues zu managen gibt – und sei es die Unterstützung beim Bau eines Lego-Drachen, weil das sechsjährige Kind einen Fehler beim Bausatz für Neunjährige gemacht hat und verzweifelt und tränenüberströmt um Hilfe bettelt. Abends fallen Eltern dann erschöpft und unzufrieden ins Bett, um sich beim Klingeln des Weckers am nächsten Morgen zu fühlen wie Bill Murray in „Und täglich grüßt das Murmeltier“.

Eltern müssen derzeit alles sein: Lehrer/-innen, Spielfreunde, Großeltern und eben immer noch Eltern. Ihre Erwerbsarbeit machen Supermum und Superdad ganz nebenbei am Laptop. Im „Homeoffice“ alias Küche oder Schlafzimmer. Zwischendurch erklären sie ihren Kindern geduldig oder mittlerweile auch ungeduldig immer wieder neue Coronamaßnahmen und teils widersprüchliche Regeln. Die Kinder sollen die Welt verstehen können. Denn Eltern wollen ja das Beste für ihre Kinder!

Und das ist das Problem.

Eltern sind in ernsthafter Sorge um das Wohlergehen ihrer Kinder. Der innige Wunsch: Frei und offenen Herzens sollen Kinder sich entwickeln können. Aber: Sie leben in ständiger Sorge, die falschen Entscheidungen zu treffen. Ist Freundetreffen in Ordnung? Ist es gut, das Kind die „Notbetreuung“ besuchen zu lassen? Kindern und Jugendlichen wird in der Pandemie ein Höchstmaß an Solidarität und Verzicht abverlangt. Das geht auf Kosten ihrer Bildungs- und Entwicklungschancen, ihrer psychischen und körperlichen Unversehrtheit.

Eltern wissen, dass ihre Kinder vor allem liebevolle Begleiter/_innen brauchen, die sich selbst nicht vergessen. Sie wissen, dass es Kindern gut geht, wenn es ihren Eltern gut geht. Wer kann, holt also tief Luft und geht allein spazieren oder Rad fahren, trifft sich mit Freund(inn)en und tauscht sich aus. Wer kann! Viele können nicht (mehr). Eltern sind am Rande der Erschöpfung, denn Überraschung: Sie sind keine Superhelden.

Eltern brauchen jetzt:
  • Verständnis und Wertschätzung,
  • die Erlaubnis, klagen zu dürfen und die Möglichkeit, sich ausheulen zu können,
  • die Versicherung, nichts falsch zu machen,
  • Gewissheit, dass ihre Kinder ihren Platz im Leben finden,
  • ein aktives Miteinander, Räume für Begegnungen, in denen sie sich gegenseitig stärken können,
  • die Rückkehr in ihren ganz normalen Familien-Zirkus.

Ein Vater sagt: „Das Schönste und das Schrecklichste in der Coronakrise zugleich: Dass wir so viel Zeit als Familie miteinander verbringen.“

Elterntalk NRW

Hier setzt die Initiative Elterntalk NRW der nordrhein-westfälischen Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz an. Eltern treffen sich im privaten Rahmen mit anderen Vätern und Müttern zu Gesprächsrunde und tauschen sich zu Erziehungsthemen aus. Dabei werden sie von geschulten Moderator(inn)en begleitet. Hier begegnen sich Eltern mit Respekt und Wertschätzung. Ziel ist es, Eltern zum besseren Schutz ihrer Kinder zu befähigen, ihnen Unterstützung im Erziehungsalltag zu bieten und sie in ihrer Handlungssicherheit zu stärken.

Elterntalk NRW ist bisher in 18 Kommunen in NRW angesiedelt und wird vom Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.

Quelle: Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz (AJS) Nordrhein-Westfalen e.V. vom 19.05.2021

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