Deutsches Kinderhilfswerk

Studie der Bertelsmann Stiftung zu Jugendlichen in der Corona-Pandemie alarmierend

Die von der Bertelsmann Stiftung vorgelegte vertiefte Auswertung der Studie zur Lage von Jugendlichen in der Corona-Pandemie ist aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes alarmierend.

23.03.2021

„Wir dürfen es nicht zulassen, dass psychische Probleme, Vereinsamung und Zukunftsängste das Leben der jungen Menschen zunehmend bestimmen. Jugendliche befinden sich in einer sehr prägenden Lebensphase. Sie erweitern ihre Handlungs- und Bewegungsspielräume, um ihre eigene Identität auszuprägen, sie bilden eine politische Haltung und eine Einstellung zu unserer Gesellschaft aus, und sie gehen entscheidende Schritte auf ihrem Bildungs- und Berufsweg. Und schließlich fällt auch die Erprobung erster Liebesbeziehungen in der Regel in die Jugendzeit. Gleichzeitig können Jugendliche vielfach schlechter als Erwachsene mit Krisensituationen umgehen, ihre Resilienz ist noch nicht so stark ausgeprägt“, betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.

„Wir müssen aber auch die besondere Phase der Jugendzeit als herausfordernden Prozess der Ablösung vom Elternhaus mitbedenken. Wenn dann ein Austausch im Freundeskreis aufgrund von Hygiene- und Abstandsregeln nur eingeschränkt möglich ist, gleichzeitig Schulen geschlossen sind und die Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit wegfallen, ist das für viele Jugendliche sehr belastend. Hier besteht zunehmend die Gefahr, dass wir insbesondere Jugendliche mit einer unsicheren Zukunftsperspektive ‚verlieren‘. Deshalb brauchen wir ein besonderes Augenmerk auf Kinder und Jugendliche in der Corona-Pandemie. Jugendliche müssen als „ganze Menschen“ und als umfassende Persönlichkeiten betrachtet werden. Die Reduktion auf ihr Dasein als Schülerinnen und Schüler wird dem nicht mal im Ansatz gerecht. Und wir brauchen einen besonderen Fokus auf diejenigen, die beispielsweise aufgrund von finanziellen Problemen im Elternhaus besonders von den Folgen der Corona-Pandemie betroffen sind“, so Krüger weiter.

„Gerade wenn Schulen ihre Tore schließen, braucht es außerschulische Angebote, die soziale Interaktion ermöglichen, Bewegungs- und Ernährungsangebote für Kinder und Jugendliche aufrechterhalten sowie eine Ansprechfunktion in schwierigen familiären Situationen bieten. Entsprechende niedrigschwellige Beratung-, Hilfs und Unterstützungsangebote für junge Menschen in persönlichen Problemlagen müssen ausgebaut, und Kinder- und Jugendeinrichtungen dafür auch auf digitale Angebote zurückgreifen können, für die es entsprechende Ausstattung und Fortbildungen braucht. Gleichzeitig sind insbesondere viele kleine Träger der Kinder- und Jugendhilfe derzeit massiv gefährdet. Diese müssen einen wesentlichen Teil ihrer Mittel selbst erwirtschaften. Viele Veranstaltungsformate, die für entsprechende Einnahmen sorgen, können derzeit nicht umgesetzt werden. Das ist nicht hinnehmbar, da auch diese Träger ebenso wie die Kinder und Jugendlichen selbst ‚systemrelevant‘ sind. Schließlich gilt es zu erkennen, dass von Kinder- und Jugendeinrichtungen geleistete Arbeit beim Thema politische Partizipation und Bildung wichtig für die demokratische Entwicklung unseres Landes ist. Auch darauf kann nicht verzichtet werden“, meint Thomas Krüger.
 
„Denn die Corona-Pandemie darf nicht zu einem tiefgehenden Vertrauensverlust von Kindern und Jugendlichen gegenüber unseren staatlichen Institutionen führen. Deshalb wird es für die Zukunft unserer Demokratie entscheidend sein, dass wir Kinder und Jugendliche stärker als bisher in Entscheidungen einbinden, dass ihre Beteiligung endlich zu einer Selbstverständlichkeit wird. In Jugendverbänden, mit starken Kinder- und Jugendparlamenten, in Schulen. Hierfür die gesetzliche und finanzielle Grundlage zu schaffen ist ein gemeinsamer Auftrag von Bund, Ländern und Kommunen. Es braucht mehr Qualifizierungsangebote für die Unterstützung bei der Durchführung von Beteiligungsprozessen ebenso wie ein Programm, das gezielt Kinder und Jugendliche anspricht, die von Armut betroffen sind und sie zur Mitwirkung motiviert. Denn viel zu oft werden gerade die Interessen benachteiligter Gruppen nicht gehört“, so Krüger abschließend.

Zum Hintergrund

Die Corona-Pandemie stellt die jungen Menschen in Deutschland vor große Herausforderungen. 61 Prozent von ihnen geben an, sich teilweise oder dauerhaft einsam zu fühlen. 64 Prozent stimmen zum Teil oder voll zu, psychisch belastet zu sein. 69 Prozent sind, und sei es nur teilweise, von Zukunftsängsten geplagt. Zudem gibt ein Drittel der Jugendlichen (34 Prozent) an, finanzielle Sorgen zu haben; vor Corona lag ihr Anteil noch bei etwa einem Viertel. Auffällig ist zudem, dass Jugendliche mit Geldsorgen öfter Zukunftsängste äußern und sich häufiger psychisch belastet und einsam fühlen als andere junge Menschen. Das geht aus den beiden Befragungen „Jugend und Corona" hervor, die von den Universitäten Hildesheim und Frankfurt/Main durchgeführt und in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung vertiefend ausgewertet worden sind.

Quelle: Deutsches Kinderhilfswerk e.V.

Redaktion: Uwe Kamp

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