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Qualität im System der Frühen Bildung. Ergebnisse einer BMBF Förderrichtlinie liegen vor

Seit 2018 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Förderrichtlinie „Qualitätsentwicklung für gute Bildung in der frühen Kindheit“. Die Ergebnisse der zehn Forschungsprojekte tragen zu einem tiefergehenden Verständnis über Qualität in Kindertageseinrichtungen bei. Das Metavorhaben der Förderrichtlinie am Deutschen Jugendinstitut begleitete die Projekte und stellt deren Ergebnisse und Veröffentlichungen gebündelt dar.

30.11.2022

Qualität im System der Frühen Bildung: Was ist das?

Qualität ist ein schillernder Begriff, der vieles verheißt und doch erstaunlich inhaltsleer bleiben kann. Was unter hoher Qualität verstanden wird, also als „gute“ Leistung oder als „gutes“ Produkt gesehen wird, ist sehr unterschiedlich und abhängig davon, aus welcher Perspektive man auf einen Gegenstand blickt. Die Erwartungen, Interessen und Bedürfnisse des Einzelnen entscheiden darüber, wie etwas bewertet wird.

Umso schwieriger ist es, zu definieren, was eine hohe Qualität in pädagogischen Institutionen umfassen muss. Denn das pädagogische Handeln ist von komplexen Interaktionen, z.B. zwischen Kindern und Fachkräften, gekennzeichnet, die nie exakt wiederholbar und damit auch nicht standardisierbar sind. Dementsprechend verwundert es nicht, dass es auch im frühpädagogischen Bereich keine Qualitätsdefinition gibt, auf die sich alle Beteiligten einigen können (vgl. Schelle/Friederich/Buschle 2020).

Das hat zur Folge, dass ganz unterschiedliche Aspekte der pädagogischen Arbeit in Kitas als verbesserungswürdig beschrieben werden. So stehen zum einen strukturelle Rahmenbedingungen im Vordergrund, wie der Fachkraft-Kind-Schlüssel, für die die politische Ebene Verantwortung trägt. Zum anderen werden weitere Faktoren, wie die Leitung der Einrichtung, die Interaktionen zwischen Fachkraft und Kind oder die sozialräumlichen Bedingungen einer Kita, als wesentliche Qualitätsmerkmale hervorgehoben. Zusätzlich rücken neuere Qualitätsentwicklungsverfahren die Perspektive der Kinder und somit deren Vorstellungen von einer „guten“ Kita in den Fokus.

Was letztlich Qualität auszeichnet und welche Aspekte konkret weiterentwickelt werden müssen, kann auch die Qualitätsforschung in der Frühen Bildung bislang nicht umfassend beschreiben. Zwar können die Interaktionen zwischen Fachkräften und Kindern und die emotionale Zuwendung der Fachkräfte zu den Kindern in Studien als relevant nachgewiesen werden. Doch deutlich wird in den Forschungsergebnissen auch, dass Qualität nicht von einem einzigen Merkmal bestimmt wird, sondern von vielen strukturellen und prozesshaften Faktoren, die miteinander verwoben sind. Einfache Ursache-Wirkungs-Ketten können nicht identifiziert werden (vgl. Viernickel 2021). Um sich diesem komplexen Thema besser annähern zu können, ist also eine entsprechend vielfältige Qualitätsforschung notwendig, die eine breite Palette an Fragestellungen und methodischen Ansätzen einschließt.

Die BMBF-Förderrichtlinie zur Qualität im System der Frühen Bildung

In diesem Kontext ist die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Jahr 2018 initiierte Förderrichtlinie „Qualitätsentwicklung für gute Bildung in der frühen Kindheit“ als ein wichtiger Meilenstein in der Qualitätsforschung in der Frühen Bildung zu verstehen. Denn die insgesamt zehn bundesweit geförderten Forschungsprojekte bearbeiteten vielfältige Forschungsfragen, die für eine qualitätsvolle Arbeit in Kitas relevant scheinen.

So standen unter anderem

  • die Arbeit von Trägern und Kita-Leitungen,
  • die Veränderung und Zusammensetzung der Trägerlandschaft,
  • das Aufnahmeverfahren in Kitas,
  • die Gestaltung des pädagogischen Raums,
  • die Beteiligung der Kinder an der Qualitätsentwicklung,
  • die Interaktionsqualität sowie die sprachliche Bildung,
  • die Zusammenarbeit mit den Eltern oder auch
  • die Vernetzung von Kitas im Sozialraum

im Vordergrund der Forschungsarbeiten.

Mit dieser Themenvielfalt sollten zum einen die Komplexität der pädagogischen Praxis berücksichtigt und unterschiedliche Perspektiven hierauf eingenommen werden. Zum anderen sollten verschiedene Akteur*innenebenen im System der Frühen Bildung betrachtet werden. Eltern und Kinder, Leitungskräfte, Trägervertreter*innen oder auch die Ebene der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe wurden in die Forschungsarbeiten einbezogen und dabei deren Zusammenspiel in den Fokus gerückt. Denn die Struktur der Kindertagesbetreuung wird vor allem als System verstanden, also als komplexes Netzwerk unterschiedlicher Akteur*innen, die mit einer jeweils eigenen Handlungslogik agieren.

Entsprechend kann es als eine besondere Stärke der genannten BMBF-Förderrichtlinie verstanden werden, durch die vielfältigen Forschungsthemen und -methoden den Blick auf den Qualitätsdiskurs im System der Frühen Bildung zu weiten.

Die Ergebnisse der Forschungsprojekte auf einen Blick

Die Ergebnisse der zehn Forschungsprojekte bieten ein großes Spektrum an relevanten Aspekten für eine „gute“ pädagogische Arbeit in Kitas. Vielfältige und detaillierte Einblicke in die pädagogische Praxis und die Steuerungsebene lassen kontextabhängig erkennen, wie Qualität entstehen kann.

Alle zentralen Ergebnisse der zehn Forschungsprojekte wurden auf der Abschlusstagung der Förderrichtlinie im Mai 2022 vorgestellt. Die Dokumentation der Tagung – mit Videomitschnitten – ist auf dieser Webseite abrufbar.

Weitere Informationen zur Förderrichtlinie, zum Metavorhaben und einen Überblick über relevante Publikationen und Ergebnisse sind unter www.dji.de/metaqeb zu finden.

Verwendete Literatur:

Schelle, Regine/Friederich, Tina/Buschle, Christina (2020): Qualität in der Kita. Mögliche Impulse eines interaktionistischen Professionalitätsverständnisses ‒ Ein Diskussionsbeitrag. In: Diskurs Kindheits- und Jugendforschung 15, H. 2, S. 199–216.

Viernickel, Susanne (2021): Die empirische gestützte Identifikation struktureller Qualitätsmerkmale und Standards in Institutionen frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung. In: Bilgi, Oktay/Blaschke-Nacak, Gerald/Durand, Judith/Schmidt, Thilo/Stenger, Ursula/Stieve, Claus (Hrsg.): »Qualität« revisited. Theoretische und empirische Perspektiven in der Pädagogik der frühen Kindheit. Weinheim, Basel: Beltz Juventa. S. 116–132.

Autorin:

Dr. Regine Schelle
Deutsches Jugendinstitut e.V. / Abteilung Kinder und Kinderbetreuung
Metavorhaben: Qualitätsentwicklung für gute Bildung in der frühen Kindheit (Meta-QEB)
https://www.dji.de/metaqeb 

Redaktion: Kerstin Boller

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