Kindertagesbetreuung

Naturwissenschaftliche Bildung in Kindertageseinrichtungen

Kinder sind neugierig auf ihre Umwelt. Doch wie lässt sich kindlicher Forscherdrang in der Kita auch in den Naturwissenschaften fördern? Welche alltäglichen Naturerscheinungen lassen sich als Lerngelegenheiten nutzen? Antworten bietet Prof. Dr. Mirjam Steffensky vom Leibnitz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in einer neuen WIFF-Expertise. Im Interview gibt sie einen Einblick ins Thema und erklärt, was frühpädagogische Fachkräfte können sollten, um frühe naturwissenschaftliche Bildung zu gestalten.

06.02.2018

Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte: Frühe naturwissenschaftliche Bildung wird rege und kontrovers diskutiert. Einige versprechen sich einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen, andere haben Angst vor Verschulung und davor, dass Unternehmen ihre Interessen in den Elementarbereich einbringen. Welche Chancen sehen Sie in früher naturwissenschaftlicher Bildung? Welche Risiken?

Portrait von Prof. Dr. Mirjam Steffensky

Quelle: WIFF

Professorin Dr. Mirjam Steffensky: Kinder beschäftigen sich vollkommen unabhängig von möglichen Interessen oder Ängsten anderer mit Naturwissenschaften, wenn sie die belebte und unbelebte Natur entdecken, erkunden und erforschen. Zum Beispiel wenn sie im Matsch spielen, Kuchen backen oder eine Spinne beobachten. Eine stärkere Verankerung Naturwissenschaftlicher Bildung in der Kita kann dazu beitragen, dass Kinder mit unterschiedlichen Voraussetzungen Zugänge zu naturwissenschaftlichen Bildungsgelegenheiten erhalten. Ein Risiko im aktuellen „MINT-Hype“ ist, dass naturwissenschaftliche Bildung darauf beschränkt wird, einzelne Experimente durchzuführen, und die Auseinandersetzung mit eigenen Ideen und Erklärungen zu kurz kommt. Dabei ist genau das ein zentrales Element naturwissenschaftlicher Bildung.

Welche Themen und Aktivitäten eignen sich besonders gut für frühe naturwissenschaftliche Bildung in der Kita?

Gut eignen sich Phänomene, denen Kindern in ihrem Alltag begegnen, etwa Magnetismus, das Wachstum von Pflanzen. Oder Themen, zu denen sie einen Bezug über Spiele, Geschichten oder Bücher haben, zum Beispiel Dinosaurier. Es ist kaum möglich zu sagen, diese oder jene Aktivität sei besser geeignet. Denn es geht nicht darum, ein Phänomen vollkommen zu durchdringen. Vielmehr geht es darum, darauf aufmerksam zu werden und erste Ideen dazu zu entwickeln. Schwierig sind Erklärungen, die Kita-Kinder gar nicht verstehen können, weil ihnen dafür notwendiges Vorwissen fehlt. Sie können zum Beispiel erfahren, dass manche Gegenstände untergehen und andere schwimmen und es oft mit dem Material zusammenhängt, aus dem sie bestehen. Es macht aber keinen Sinn, sehr schwierige und in der Sekundarstufe I verortete Konzept der Dichte als Erklärung zu geben.

Wie sollte frühe naturwissenschaftliche Bildung gestaltet sein, damit alle Kinder an ihr partizipieren können?

Genau wie in anderen Bildungsbereichen ist die Prozessqualität der Lerngelegenheiten zentral. Dazu gehören Aspekte wie die emotionale Unterstützung, zum Beispiel die positive emotionale Beziehung zwischen pädagogischer Fachkraft und Kind, sowie die kognitive Unterstützung, also die Anregung der Lernenden, über einen Sachverhalt nachzudenken. Das kann geschehen, indem sich Kinder mit unterschiedlichen, möglicherweise widersprüchlichen Ideen von sich und anderen auseinandersetzen.

Welches Wissen und welche Kompetenzen benötigen Fachkräfte, um frühe naturwissenschaftliche Bildung zu gestalten?

Fachkräfte brauchen zum einen ein Interesse an naturwissenschaftlicher Bildung sowie das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten, naturwissenschaftliche Bildungsprozesse zu begleiten und unterstützen. Zum anderen brauchen sie aber auch ein grundlegendes Fachwissen und fachdidaktisches Wissen, um zum Beispiel Alltagssituationen zu identifizieren, die als naturwissenschaftliche Lerngelegenheit genutzt werden können.

Wenn Sie in Bezug auf frühe naturwissenschaftliche Bildung einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich wünschen?

Ich würde mir für die Einrichtungen und Fachkräfte mehr zeitliche Ressourcen wünschen. Dadurch könnten sie erstens an längerfristig angelegten Fortbildungsangeboten teilnehmen und hätten zweitens mehr Gelegenheiten, sich im Team mit naturwissenschaftlicher Bildung auseinanderzusetzen. Das ist eine Voraussetzung, um naturwissenschaftliche Bildung langfristig und in hoher Qualität in der Kita umzusetzen.

Hintergrund

Kinder erkunden ihre Umwelt mit großem Eifer. Frühe naturwissenschaftliche Bildung zielt darauf, diese kindliche Neugier für die Entwicklung eines nachhaltigen Interesses zu nutzen. Dabei sollte in Kitas eine altersgerechte Auseinandersetzung mit der belebten und unbelebten Natur stattfinden: Gelingt es, alltägliche Naturerscheinungen als Lerngelegenheiten zu nutzen, werden nicht nur der Forscherdrang der Kinder unterstützt und ihr Selbstvertrauen gestärkt, sondern sie können bereits früh naturwissenschaftliche Ideen und Vorgehensweisen kennenlernen.

Mirjam Steffensky geht in ihrer Expertise Naturwissenschaftliche Bildung in Kindertageseinrichtungen (PDF 2,58 MB)  den vielfältigen Bezügen zur Frühpädagogik und Naturwissenschaftsdidaktik nach. Sie gibt einen Überblick über aktuelle Forschungsbefunde, analysiert die Rolle der Naturwissenschaften in den Bildungsplänen und diskutiert schließlich die Anschlussfähigkeit der Elementar- zur Primarpädagogik. Abschließend umreißt die Autorin Herausforderungen, die sich bei der Umsetzung naturwissenschaftlicher Bildung in der Kita ergeben, und formuliert zukünftige Aufgaben für die Praxis.

Das Interview mit Prof. Dr. Steffensky steht im Original und mit weiterführenden Informationen auf der Webseite der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WIFF) zur Verfügung. Prof. Dr. Mirjam Steffensky ist Sprecherin der Forschungslinie „Bildungsprozesse im Elementarbereich“ und Professorin für Chemie-Didaktik am Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) in Kiel.

Quelle: Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte

Back to Top