Aufruf
Mitwirken an den Standards der Betroffenenbeteiligung bei Aufarbeitungsprozessen
In einem Dialogprozess möchte die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), Kerstin Claus, gemeinsam mit dem Betroffenenrat und der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs institutionsübergreifende Standards für die Beteiligung von Betroffenen an Aufarbeitungsprozessen entwickeln. Auch Betroffene sollen an diesem Prozess gleichberechtigt mitwirken.
18.04.2023
Im Zentrum des Dialogprozesses stehen Fragen, was eine gelingende und echte Beteiligung Betroffener an Aufarbeitungsprozessen ausmacht, warum die Beteiligung ein Gewinn für die Institutionen ist und welche Kriterien und Standards nötig sind, damit diese Beteiligung erreicht und sichergestellt werden kann.
Die Betroffenenexpertise einzubeziehen, ist Voraussetzung für gelungene Aufarbeitung
Beauftragte Kerstin Claus betont:
„Die Einbeziehung von Betroffenenexpertise ist mehr als nur ein Gewinn für jeden Aufarbeitungsprozess. Sie ist Voraussetzung dafür, dass Aufarbeitung überhaupt gelingen kann. Es muss aber sichergestellt werden, dass Art und Qualität einer solchen Beteiligung nicht einseitig durch die Institutionen diktiert oder Betroffene in diesen Prozessen instrumentalisiert und schlimmstenfalls neuen Traumatisierungen ausgesetzt werden. Betroffene müssen von Anfang an wissen, was für ein Mandat sie haben, welche Aufgaben mit ihrer Mitwirkung verbunden sind und auf welche Unterstützung sie zurückgreifen können. Um sowohl ihnen, als auch den aufarbeitenden Stellen eine Orientierung zu geben, wollen wir gemeinsam Kriterien und Standards für die Betroffenenpartizipation entwickeln.“
Es braucht Standards für die Betroffenenbeteiligung
Für den Betroffenenrat, der das Austauschformat mitentwickelt hat, sind klare Kriterien und Strukturen bei der Beteiligung von Betroffenen das Fundament für einen wertschätzenden und transparenten Aufarbeitungsprozess, von dem Institutionen nur profitieren können. Angela Marquardt, Betroffenenrat erklärt:
„Für das Gelingen von Aufarbeitungsprozessen ist die Sicherstellung der Betroffenenexpertise grundlegend. Ich selbst bin Mitglied verschiedener Aufarbeitungsprojekte und weiß aus eigener Erfahrung, wie dringend Standards der Betroffenenbeteiligung benötigt werden. Die Einbeziehung unserer Expertise findet derzeit ohne bestehende institutionsübergreifende Standards statt. Es sind individuelle Entscheidungen der Institutionen, wie sie die Betroffenenexpertise sicherstellen. Betroffene müssen sich oft in Aushandlungsprozesse über die Art und Weise der Beteiligung begeben. Mit der Entwicklung institutionsübergreifender Standards wollen wir die Einbeziehung der Betroffenenexpertise auf Augenhöhe sicherstellen und den Institutionen die notwendigen Gestaltungsmöglichkeiten aufzeigen.“
Herausforderungen bei Aufarbeitungsprozessen
Auch die Aufarbeitungskommission begrüßt die Initiative der Missbrauchsbeauftragten, Standards für die Beteiligung von Betroffenen in Aufarbeitungsprozessen zu entwickeln. Prof. Dr.Barbara Kavemann, Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs, hebt hervor:
„Immer wieder erfahren wir, dass Betroffene sich manipuliert fühlen oder dass Institutionen ratlos sind, wie sie Aufarbeitung gemeinsam mit Betroffenen gestalten können. Wir freuen uns, dass der nun beginnende Dialogprozess Betroffenen ermöglicht, sich vielfältig einzubringen – wie es ihren Interessen entspricht, welche Erfahrungen sie zur Verfügung stellen können und wie es ihre Lebenssituation erlaubt (...).“
Mitwirkung an dem Dialogprozess
Betroffene können sich mit einem Bewerbungsbogen (PDF: 413KB) für die Mitwirkung an der Auftakt- und Abschlussveranstaltung und/oder an den Themenworkshops des Dialogprozesses bewerben. Bewerbungen können bis 14. Mai 2023 beim UBSKM-Amt eingereicht werden. Das Auswahlgremium besteht aus folgenden Akteur:innen:
- Vertreter*innen des UBSKM-Arbeitsstabs,
- Mitgliedern des Betroffenenrats,
- Mitgliedern der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs
- sowie einer Person des Vereins „Dissens – Institut für Bildung und Forschung e. V.“, das den Dialogprozess inhaltlich und organisatorisch unterstützt.
Besonders berücksichtigt wird die Repräsentation möglichst vielfältiger Betroffenenperspektiven und institutioneller Kontexte. Die zu beteiligenden Institutionen werden direkt eingeladen, da die unterschiedlichen institutionellen Kontexte – wie etwa Kirche, Sport, Gesundheit, Bildung oder Heimerziehung – möglichst ausgewogen abgebildet und zudem nur solche Institutionen beteiligt werden sollen, die bereits eigene Aufarbeitungserfahrung einbringen können. Außerdem werden zu einzelnen Workshops auch externe Aufarbeitungsexpert*innen eingeladen, um die Diskussionen durch ihre Perspektiven zu bereichern.
Der Dialogprozess
Der Dialogprozess startet am 6. Juni 2023 mit einer Auftaktveranstaltung, in der der geplante Prozess wie auch die Ziele vorgestellt und diskutiert werden. In den darauffolgenden Monaten finden Themenworkshops zu einzelnen Elementen der Beteiligung Betroffener statt. Die Ergebnisse der Workshops werden dokumentiert und auf einer Abschlussveranstaltung in 2024 innerhalb des Plenums vorgestellt und abschließend diskutiert. Ziel ist es, die erarbeiteten Standards zu veröffentlichen, damit sie künftig in institutionellen Aufarbeitungsprozessen praktisch erprobt und angewendet werden.
Quelle: Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) vom 06.04.2023
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