Resilienz

Mehr Resilienz durch Reisen: Wie Kinder- und Jugendreisen die mentale Gesundheit stärken

Um Kinder und Jugendliche zu stärken, lohnt es sich, den Blick auch auf außerschulische Bildungsangebote zu richten. Insbesondere gemeinschaftliche Reiseerlebnisse wie Ferienfreizeiten und Zeltlager bieten hier eine Möglichkeit, gezielt Ressourcen zur Stärkung des Wohlbefindens zu mobilisieren.

24.09.2025

Die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist in den vergangenen Jahren stark in den Fokus gerückt, insbesondere aufgrund der Folgen der Corona-Pandemie. Soziale Isolation, Schulschließungen und die Unsicherheiten im Umgang mit der Pandemie haben viele junge Menschen
psychisch belastet und Spuren in ihrem Alltag hinterlassen. Um Kinder und Jugendliche zu stärken, lohnt es sich, den Blick auch auf außerschulische Bildungsangebote zu richten. Insbesondere gemeinschaftliche Reiseerlebnisse wie Ferienfreizeiten und Zeltlager bieten hier eine
Möglichkeit, gezielt Ressourcen zur Stärkung des Wohlbefindens zu mobilisieren.

Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die psychische Gesundheit

Die Pandemie hat den Alltag von Kindern und Jugendlichen massiv verändert. Wissenschaftliche Untersuchungen wie die bundesweite COPSYStudie zeigen, dass die Lockdowns und die damit verbundenen Einschränkungen soziale Isolation verstärkt und Ängste sowie depressive Symptome bei vielen Jugendlichen ausgelöst haben. Gleichzeitig sind wichtige soziale Lernfelder weggefallen – wie Freundschaften pflegen, Konflikte lösen und sich selbst als Teil einer Gruppe zu erleben.

Martina Drabner, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholisches Jugendreisen, weist deshalb darauf hin:

„Studien haben gezeigt, dass Jugendliche bei gemeinsamen Reiseerlebnissen mit Altersgenossen ihre sozialen und emotionalen Kompetenzen erweitern und ihre Selbstwirksamkeit stärken können“.

Gruppenreisen als Bildungsraum: Erfahrungen aus der Praxis

Eine Reise, einen neuen Ort, neue Menschen zu erleben, sind wertvolle Erlebnisse. Die Herausforderung für die begleitenden Pädagog*innen lautet, einen sicheren Ort für die Teilnehmenden zu schaffen.

Samuel Koelewijn, Supervisor, Gestalttherapeut und Trainer für Gesundheitsförderung in der Jugendarbeit, bestätigt das. Seit fast zwei Jahrzehnten begleitet er Pädagog*innen als Trainer im Bereich Kinder- und Jugendfreizeiten – unter anderem für transfer e.V. Der Kölner Verein hat sich der Förderung der mentalen und physischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen verschrieben und bietet hierzu verschiedene Workshops an.

Koelewijn beschreibt Reisen als einzigartige Räume für Persönlichkeitsentwicklung:

„Hier können sich junge Menschen ausprobieren, werden in der Regel ohne Leistungsdruck so angenommen, wie sie sind, und wachsen an neuen Herausforderungen. Wenn Jugendliche lernen, sich in einer Gruppe zu behaupten, Verantwortung zu übernehmen und ihre Reise aktiv mitzugestalten, erleben sie Selbstwirksamkeit.“

Gerade nach der Pandemie sei das Bedürfnis nach echten Begegnungen, Selbstbestimmung und Anerkennung besonders groß. Koelewijn beobachtet, dass viele Jugendliche, die die Krise zwischen dem zwölften und 18. Lebensjahr durchlebt haben, aufgrund der stark eingeschränkten Möglichkeiten große Schwierigkeiten haben, sich in komplexen sozialen Situationen zurechtzufinden.

Seine Empfehlung:

„Schaffen wir Räume mit Bewegung, Austausch und Stille – dann finden junge Menschen zu sich selbst. Dabei ist es wichtig, Pädagog*innen so vorzubereiten, dass sie die Dynamik von Gruppen lesen und gestalten können – ähnlich wie ein DJ, der die Stimmung auf der Tanzfläche im Blick hat. Es geht um das richtige Maß an Aktivität und Entspannung, an Nähe und Distanz, damit sich Jugendliche selbst erforschen und erkennen können: Wer bin ich? Was brauche ich? Was tut mir gut? Und wohin soll meine Reise gehen?“

Resilienz stärken durch gemeinsame Erfahrungen

Auch Michelle Marquart, Jugendbildungsreferentin im Marstall Clemenswerth und im Jugendkloster Ahmsen e.V., setzt gezielt auf resilienzfördernde Formate. Sie arbeitet mit Schulklassen und Jugendgruppen im Rahmen mehrtägiger Gemeinschaftstage und Resilienzkurse. Besonders ab der 9. Klasse und in der Oberstufe sei der Bedarf nach Reflexionsräumen deutlich gestiegen.

„Freizeiten bieten jungen Menschen eine der besten Möglichkeiten, Abstand zum Alltag zu gewinnen und sich selbst neu zu entdecken. In unseren Kursen sprechen wir über Stress, üben Atemtechniken oder führen ein Resilienztagebuch. Die Jugendlichen lernen, was ihnen guttut – und dass sie selbst etwas dafür tun können.“

In ihren Workshops stellt Marquart fest, dass sich Jugendliche nach Corona schneller überfordert fühlen, gleichzeitig aber sehr offen für persönliche Weiterentwicklung sind – wenn man sie ernst nimmt:

„Sich selbst zu fragen ‚Wie geht es mir?‘ ist für viele neu. Aber mit der richtigen Begleitung entsteht eine Offenheit, die viele überrascht.“

Besonders eindrücklich schildert sie Erfahrungen aus inklusiven Ferienfreizeiten mit ehrenamtlichen Betreuer*innen zwischen 16 und Mitte 20, die sie als Pädagogin mit ihrem Team betreut. Diese wachsen durch die Verantwortung spürbar:

„Sie erleben Selbstwirksamkeit und reflektieren ihre Grenzen und Stärken. Viele berichten, dass sie das erste Mal wirklich sie selbst sein dürfen. Es geht nicht um Leistung, sondern um Entwicklung.“

Eine Teamerin brachte es so auf den Punkt:

„Ich komme mit einem Rucksack voller Sorgen, stelle ihn am Eingang ab – und wenn ich ihn am Ende wieder aufsetze, fühlt es sich an, als hätte jemand die Hälfte herausgenommen.“

Katholische Jugendreisen: „Ein Mehrwert für die Seele“

Konfessionelle Jugendreisen bieten zusätzliche Dimensionen: Sie schaffen nicht nur Raum für Erholung, sondern auch für Sinnfragen, spirituelle Impulse und Gemeinschaftserleben. Achtsamkeitsübungen, besinnliche Tageseinstiege oder Gespräche über Werte und Lebensziele stärken das innere Gleichgewicht vieler Teilnehmender.

Martina Drabner fasst es so zusammen:

„Im Unterschied zu nichtkonfessionellen Reisen legen katholische Anbieter Wert darauf, einen Mehrwert für die Seele zu bieten.“

Langfristige Wirkung von Gruppenreisen

Gelungene Jugendreisen können nicht nur kurzfristig das Wohlbefinden stärken, sondern wirken oft langfristig nach. Die Erfahrung, Teil einer Gruppe zu sein, angenommen zu werden und aktiv mitzugestalten, fördert Selbstwert, Verantwortungsbewusstsein und die Fähigkeit, sich neuen Situationen zu stellen.

Ehemalige Teilnehmende, die später als Teamer*innen zurückkehren, zeigen, wie stark diese Reisen prägen. Durch die Übernahme von Verantwortung wird die eigene Entwicklung sichtbar – und der Kreislauf der Stärkung setzt sich fort. In einer Gesellschaft, in der der Druck auf junge Menschen stetig wächst, braucht es solche Erfahrungsräume. Kinder- und Jugendreisen schaffen Orte, an denen junge Menschen nicht nur entspannen, sondern auch wachsen können – mental, sozial und emotional.

Weiterführende Informationen

Die BAG Katholisches Jugendreisen ist eine Arbeitsgemeinschaft unter dem Dach der Bundeszentrale
für Katholische Jugendarbeit. Ihre derzeit 34 Mitglieder sind Jugendreiseanbieter und Unterkünfte.

Wer entsprechende Angebote sucht und sich weiter informieren möchte, kann sich gerne an die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholisches Jugendreisen wenden: www.bag-katholisches-jugendreisen.de oder 0211/46 93-161.

Quelle: BAG Katholisches Jugendreisen

Redaktion: Sofia Sandmann