Bürgergeld und Kindergelderhöhung

Mehr Entlastungen für Familien gefordert

Zum Jahr 2023 treten mehrere Regelungen in Kraft, die Familien sowie Kinder und Jugendliche entlasten sollen. Zum einen ist dies das Bürgergeld, was ab 2023 die Grundsicherung ablösen wird. Zum anderen wird das Kindergeld 2023 erhöht. Mehrere Verbände kritisieren die Maßnahmen als unzureichend.

06.12.2022

Zum 1. Januar 2023 wird das Bürgergeld die Grundsicherung ablösen. Das haben Bundestag und Bundesrat beschlossen. Das Bürgergeld wird in zwei Schritten eingeführt. In einem ersten Schritt werden zum Jahresanfang der Regelsatz erhöht und eine Bagatellgrenze eingeführt. In einem zweiten Schritt werden Mitte des Jahres die Kernelemente zu Weiterbildung und Qualifizierung eingeführt.

Bürgergeld wird Grundsicherung ablösen

Vanessa Ahuja, Vorständin für Geldleistungen, erklärt dazu:

„Wir haben nun Klarheit und können loslegen. Die erhöhten Regelsätze werden wir pünktlich zum Jahreswechsel auszahlen. Es ist für das Bürgergeld kein neuer Antrag notwendig. Wer über den Jahreswechsel hinaus Leistungen des Jobcenters bezieht, bekommt automatisch den höheren Regelsatz ausgezahlt.“

Neue Regelsätze auch für Kinder und Jugendliche

Der Regelsatz erhöht sich für Alleinstehende zum 1. Januar 2023 auf 502 Euro, für Paare je Partner auf 451 Euro. Für Nicht-erwerbstätige Erwachsene unter 25 Jahren im Haushalt der Eltern steigt der Betrag auf 402 Euro, für Jugendliche von 14 bis 17 Jahren auf 420 Euro, für Kinder von 6 bis 13 Jahren auf 348 Euro und für Kinder unter 6 Jahren auf 318 Euro.

Zukünftig beträgt das Schonvermögen im ersten Jahr 40.000 für das antragstellende Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, für jede weitere Person 15.000 Euro. Ebenfalls im ersten Jahr werden von den Jobcentern die tatsächlichen Kosten der Wohnung übernommen. Nach Ablauf dieses Jahres muss die Unterkunft angemessen sein.

Durch höhere Freibeträge dürfen bei einer Beschäftigung mit einem Einkommen zwischen 520 und 1000 Euro 30 Prozent davon behalten werden. Junge Menschen behalten das Einkommen aus Schüler- und Studentenjobs und das Einkommen aus einer beruflichen Ausbildung bis zur Minijob-Grenze (derzeit 520 Euro). Einkommen aus Schülerjobs in den Ferien bleibt gänzlich unberücksichtigt.

Stellungnahmen von Verbänden

Mehrere Verbände bemängeln das beschlossene Bürgergeld als nicht ausreichend und zu kurz gedacht.

Der Paritätische Gesamtverband: Hartz IV bleibt Hartz IV

Der Paritätische Gesamtverband kritisiert, dass nicht von einer Reform gesprochen werden könne, sondern bestenfalls von einer Novellierung. Darüber hinaus würde weiterhin das negative Menschenbild des trägen Hilfesuchenden dominieren. Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider:

„Solange in der Grundsicherung weiterhin sanktioniert wird und solange die Menschen weiter in Armut gehalten werden, kann nicht ernsthaft von einer echten Reform, sondern bestenfalls von einer Novelle gesprochen werden. Die vermeintlich größte Sozialreform seit 20 Jahren zerbröselt (...)“

Die vollständige Pressemitteilung des Paritätischen Gesamtverbandes kann online nachgelesen werden.

Save The Children: Hartz IV mit neuem Namen

Auch Save the Children kritisiert das Bürgergeld als unzureichend und die Belange von Kindern und Familien nicht ausreichend beachtend. Eric Großhaus, Advocacy Manager Kinderarmut und Soziale Ungleichheit bei Save the Children Deutschland kommentiert:

„Der halbherzige Kompromiss zum Bürgergeld ist nicht viel mehr als Hartz IV mit neuem Namen: wieder zu wenig, wieder zu kurz gedacht, wieder an den Bedürfnissen der Kinder vorbei. Für zwei Millionen Kinder in der Grundsicherung wird sich die Hoffnung auf eine Verbesserung der Lebensumstände so definitiv nicht erfüllen. Die Regelsätze gleichen lediglich die Inflation aus. Das ist nicht genug. Sanktionen gegen Familien, die ohnehin kaum Geld für Essen und Kleidung haben, sind inakzeptabel. Leidtragende sind besonders die Kinder. Jetzt bleibt wieder nur das Warten auf die Kindergrundsicherung. Hier darf es keine faulen Kompromisse mehr geben.“

Das vollständige Pressestatement von Save The Children (PDF: 220 KB) kann online nachgelesen werden.

Diakonie Deutschland, der Evangelische Verband Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt und das Armutsnetzwerk e.V.: Das Bürgergeld muss ein Digitales Existenzminimum garantieren

Die Diakonie Deutschland, der Evangelische Verband Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt und das Armutsnetzwerk e.V. legen das Augenmerk auf einen anderen Schwachpunkt, den das Bürgergeld ihrer Meinung nach hat: Ein digitales Existenzminimum:

„„Deutschland wird von Monat zu Monat digitaler. Wer keine digitalen Zugänge hat, wird zunehmend mehr Schwierigkeiten haben einen Antrag auf existenzsichernde Leistungen zu stellen. Die digitalen Versäumnisse in der Sozialpolitik sind unglaublich groß“, kritisiert Jürgen Schneider vom Verein Armutsnetzwerk, in dem sich Menschen mit Armutserfahrung engagieren.“

Die vollständige gemeinsame Pressemitteilung kann online nachgelesen werden.

Hintergrund SGB II

Im Oktober 2022 bezogen in Deutschland 5.331.000 Menschen in 2.826.000 Bedarfsgemeinschaften Leitungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II). Knapp drei Viertel der Regelleistungsberechtigten waren erwerbsfähig (3.790.000), 1.678.000 von diesen arbeitslos. 1.541.000 zählten als nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Nicht-erwerbsfähige Leistungsberechtigte sind vor allem Kinder unter 15 Jahren.

Die Grundsicherung bzw. ab 2023 das Bürgergeld wird von den Jobcentern ausgezahlt. Die Jobcenter unterstützen auch bei der Suche nach Arbeits- oder Ausbildungsplätzen und unterstützen mit Qualifizierung und Weiterbildung den (Wieder)Einstieg in Beschäftigung.

Die komplette Pressemitteilung der Bundesagentur für Arbeit kann online nachgelesen werden

Erhöhung des Kindergeldes zum 1. Januar 2023

Das Kindergeld wird erhöht: Ab 2023 erhalten Eltern für jedes Kind 250 Euro pro Monat. Familien mit niedrigem Einkommen werden zusätzlich durch einen Sofortzuschlag und die Erhöhung des Kinderzuschlags entlastet. Das Kindergeld wird im SGB II und beim Unterhaltsvorschuss voll angerechnet. Mehrere Verbände haben die Erhöhung des Kindergeldes als unzureichend kritisiert.

VAMV: Mehr Kindergeld für Alleinerziehende nur Nullsummenspiel – Steuergutschrift jetzt!

Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) kritisiert in die volle Anrechnung des Kindergeldes im SGB II und beim Unterhaltsvorschuss, da dies vor allem einen Nachteil für Alleinerziehende bedeute.

„„Auch die größte Kindergelderhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik bleibt jedoch für Kinder von Alleinerziehenden ein Nullsummenspiel, wenn diese im SGB II und beim Unterhaltsvorschuss voll angerechnet wird“, kritisiert Daniela Jaspers, Vorsitzende des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV).

„Ein einheitliches Kindergeld für jedes Kind ist zwar ein Schritt hin zur Kindergrundsicherung, aber Alleinerziehende brauchen jetzt eine tat-sächliche Unterstützung und nicht erst in einigen Jahren! Denn Familien mit kleinem Einkommen und somit viele Alleinerziehende und ihre Kinder treffen die steigenden Lebenshaltungspreise und Energiekosten besonders hart“, bemängelt Jaspers.““

Die vollständige Pressemitteilung des VAMV kann online nachgelesen werden.

Deutscher Familienverband: Nur das Notwendigste getan

Der Deutsche Familienverband begrüßt grundsätzlich, die Pläne das Kindergeld zu erhöhen, kritisiert diese aber auch als unzureichend.

„„Die Bundesregierung macht bei der Kindergelderhöhung nur das verfassungsrechtlich Notwendigste. Das sagt sie selbst in ihrem Gesetzesentwurf“, so Sebastian Heimann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Familienverbandes. „In der Öffentlichkeit wird hingegen so getan, als wäre das Kindergeld das große Inflationsrettungspaket für Familien. Zur Wahrheit gehört aber, dass das Kindergeld zum größten Teil eine monatliche Rückerstattung von zu viel gezahlten Steuern auf das Existenzminimum des Kindes ist.““

Die vollständige Pressemitteilung des Deutschen Familienverbandes kann ebenfalls online nachgelesen werden.

Verband kinderreicher Familien e.V.: Kindergelderhöhung zum 1.1.2023: Das vierte und jedes weitere Kind geht leer aus

Der Verband kinderreicher Familien begrüßt grundsätzlich ebenfalls die Pläne der Bundesregierung, kritisiert aber die Benachteiligung von Familien mit vier oder mehr Kindern.

„„Das Kindergeld für das vierte und jedes weitere Kind bleibt beim bisherigen Satz von 250€. Was nach Gerechtigkeit und Gleichbehandlung klingt, ist in Wirklichkeit eine deutliche Benachteiligung von Mehrkindfamilien. Es ist eben nicht so, dass die Kosten für Kinder linear mit der Kinderzahl steigen. Familien mit drei und mehr Kindern haben überproportional hohe Ausgaben für ihre Kinder und häufig durch an die Lebenssituation angepasste Arbeitszeitmodelle ein geringeres Monatseinkommen. Viel mehr Menschen müssen mit weniger Haushaltseinkommen auskommen. Dabei tragen Mehrkindfamilien wesentlich zur Gesellschaft bei,“ so Dr. Elisabeth Müller, Bundesvorsitzende des Verbandes kinderreicher Familien Deutschland e.V. (KRFD).“

Die vollständige Pressemitteilung von KRFD kann ebenfalls online nachgelesen werden.

Quellen: Bundesagentur für Arbeit vom 25.11.2022, Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) vom 10.11.2022, Deutscher Familienverband vom 10.11.2022, Verband kinderreicher Familien Deutschland e.V. vom 10.11.2022, Diakonie Deutschland vom 21.11.2022, Save the Children vom 22.11.2022, Der Paritätische Gesamtverband vom 22.11.2022

Redaktion: Silja Indolfo

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