Forschungsprojekt
Lebenswelten sorbischer Jugendlicher im deutsch-tschechischen Grenzgebiet nach 1945

Das ist ein bislang wenig erforschtes Thema der ostmitteleuropäischen Geschichte. Ein von der DFG gefördertes Projekt erforscht es nun (2025-2027) am konkreten Beispiel sorbischer Jugendlicher, die zwischen 1945 und 1950 zur Ausbildung in die Tschechoslowakei geschickt wurden.
21.05.2025
Im Mittelpunkt stehen dabei Fragen nach den sozialen und kulturellen Bedingungen, unter denen die Jugendlichen lebten und lernten, aber auch nach ihren individuellen Handlungsspielräumen in einer Zeit tiefgreifender politischer und gesellschaftlicher Umbrüche. Das Projekt von Dr. Jana Piňosová, Historikerin am Sorbischen Institut, beleuchtet nicht nur die organisierten Ausbildungswege, sondern auch die Erfahrungen, Erwartungen und alltäglichen Herausforderungen der Jugendlichen selbst. „Ziel ist es“, so die Projektleiterin, „neue Perspektiven auf die Nachkriegsgeschichte im ostmitteleuropäischen Raum zu eröffnen. Dabei interessiert mich die Sicht junger Menschen, die grenzüberschreitend in Bewegung waren und deren Lebenswege bislang weitgehend im Schatten der großen Geschichte standen.“
Im dreijährigen Forschungsprojekt plant Dr. Jana Piňosová zwei Workshops mit Kooperationspartnern aus Deutschland (GWZO, Collegium Carolinum) und Tschechien (Karlsuniversität Prag, Masary-Universität Brünn). Abschließen wird sie ihr Forschungsprojekt mit einer Monografie. – Das Projekt knüpft an bestehende Arbeiten und Erfahrungen am Sorbischen Institut an – insbesondere an das Projekt Lehrpfad Warnoćicy, das in grenzüberschreitender Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und Schüler*innen realisiert wurde und neue Wege der historischen Bildungsarbeit erschloss.
„Seit den 1990er Jahren nehmen die Erfahrungen aus dieser grenzüberschreitenden Schul- und Internatszeit einen festen Platz in der sorbischen Erinnerungskultur ein – und doch ist dieses Kapitel bis heute nur bruchstückhaft dokumentiert und wissenschaftlich kaum aufgearbeitet“,
stellt Jana Piňosová fest. So widmete sich 1993 eine Ausstellung im Sorbischen Museum und im Museum in Česká Lípa dem Thema. Ende der 1990er Jahre publizierten sorbische Zeitungen zwei Serien mit Erinnerungen ab. Und der Schriftsteller Jurij Koch verarbeitete seine Erlebnisse in Varnsdorf literarisch (s.u.).
Hintergrund
Nationale Elitenbildung war das erklärte Ziel einer tschechisch-sorbischen Bildungsinitiative, die sich unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in der Tschechoslowakei formierte. Getragen wurde sie vom tschechischen Schulverein (Ústřední matice školská), dem Lausitzer Freundesverein (Společnost přátel Lužice), dem Lausitzisch-Sorbischen Nationalausschusses (dem Gremium der Exil-Sorben in Prag) sowie von sorbischen Gruppen in der Tschechoslowakei – maßgeblich unterstützt von der wiedergegründeten Domowina in Bautzen.
Ende 1945 startete das Schulbildungsprogramm mit Schulen und Internaten im tschechischen Grenzgebiet, konkret in Varnsdorf, Česká Lípa und Liberec. Mehrere Hundert sorbische Jugendliche im Alter von 11 bis 17 erhielten so Zugang zur höheren Schulbildung. Rückblickend sehen viele Beobachter*innen in den sogenannten „Varnsdorfer Zeiten“ einen zentralen Moment sorbischer Elitenbildung.
Das Forschungsprojekt Sorbische Jugend in der ČSR 1945–1950 wird gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Projektnummer 540447822. Projektzeitraum: 1.1.2025-31.12.2027
Weitere Informationen zu Vorgängerprojekten und -ergebnissen
- Lehrpfad „Warnoćicy. Sorbische Spuren“ (Projektpartner: Sorbisches Institut(Leitung), Gymnasium Varnsdorf, Sorbisches Gymnasium Bautzen, Stadtbibliothek Varnsdorf, Museum Varnsdorf)
- Sammlung “Warnoćicy. Sorbische Spuren” im Wissensportal SORABICON
Erinnerungen von Jurij Koch in literarischen Werken
- Landung der Träume, 1982 (sorbische Ausgabe: 1983, Nawrót sonow)
- Zabych ći něšto rjec, 2010 (deutsch: Das Feuer im Spiegel, 2012)
Quelle: Sorbisches Institut / Serbski Institut vom 19.05.2025
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