Europäisches Jugendportal
Künstlich erschaffen und dennoch einflussreich – Wie KI-Influencer*innen Social Media übernehmen


Virtuelle Influencer*innen erleben einen deutlichen Aufschwung in den sozialen Medien. Die größte virtuelle Influencerin hat allein auf Instagram beeindruckende 7,2 Millionen Follower*innen. Aber wie einfach ist es, diese digitalen Personas zu erstellen? Was sind die Risiken und wie kann ich ein gesundes Gleichgewicht in meiner eigenen Social-Media-Nutzung aufrechterhalten?
16.12.2024
Übersetze und wortgetreue Übernahme des Beitrags vom Europäischen Jugendportal.
Ich gebe „Canva AI“ in die Suchleiste meines Browsers ein. Nach ein paar Klicks komme ich zu einem Feld, in dem ich meine Befehle eintrage: „Erstellen Sie einen jungen Mann, mit braunen Haaren, braunen Augen, trägt moderne Kleidung mit einem kurzen Bart. Er sollte ein virtueller Influencer werden und authentisch sein und realistisch aussehen“.
Die Ladeleiste des Programms bewegt sich langsam auf 100 Prozent. Ich öffne das Bild, das es erzeugt, und sehe jemanden, der seltsam vertraut aussieht, aber alles an ihnen scheint ein bisschen zu perfekt zu sein. Es ist mein Avatar und sieht freundlich aus. Er trägt ein braun-weiß gestreiftes T-Shirt. Nur ein Blick in seine Augen offenbart eine gewisse Leere. Das ist nicht verwunderlich, denn diese Person hat es nie gegeben. Mit ein paar Anweisungen von mir wurde mein virtueller Charakter geboren.
Es war noch nie so einfach, eine eigene künstliche Person zu erschaffen. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz kann jeder seinen perfekten Avatar erstellen. Die Zahl der Tools zur Erstellung künstlicher Bilder wächst von Jahr zu Jahr. Zu den bekanntesten gehören DALL-E 2, Midjourney oder die künstliche Intelligenz von Canva. Einst wenig beachtet, haben diese virtuellen Persönlichkeiten heute Millionen von Follower*innen in den sozialen Medien.
Die Faszination für künstlich geschaffene Menschen liegt in den Details ihrer Programmierung. Manchmal ist die Programmierung so fortgeschritten, dass ein virtueller Avatar fast nicht von einer realen Person zu unterscheiden ist - nur einen Mausklick entfernt. Welchen Einfluss haben virtuelle Avatare auf die jüngere Generation?
Derzeit gibt es Dutzende von etablierten virtuellen Influencer*innen in den sozialen Medien. Zuerst gibt es natürlich Miquelas Freunde, Blawko22 und Bermuda. Blawko sticht hervor - er ist ein Mann, der wie ein typischer Playboy aussieht, aber gleichzeitig urban, stilvoll und besonders ist. Sein Markenzeichen ist die Maske auf seinem Gesicht. Bermuda, auch aus dem Brud-Universum, sieht im Vergleich dazu sehr klassisch aus. Schlank, blond, athletisch und eher mädchenhaft, postet sie Bilder von sich selbst, die Sport treiben oder ausgehen. Insgesamt folgen den drei Charakteren über 2,84 Millionen Menschen.
Das Geschäft der virtuellen Influencer*innen scheint zu boomen. Sie arbeiten als Models, sie arbeiten mit Unternehmen zusammen und sind deren Markenbotschafter*innen. So verdienen Unternehmen hinter diesen KI-Influencer*innen Geld. Ein großer Vorteil – diese Influencer*innen sind schnell geschaffen, billig zu produzieren und immer verfügbar. Sie können sogar DIY-Anleitungen im Internet finden, wie Sie mit künstlichen Influencer*innen Geld verdienen können.
Auf rechtlicher Ebene haben die EU-Mitgliedstaaten Mitte Mai dieses Jahres die ersten Vorschriften für den Einsatz von KI entwickelt, die sich auf die obligatorische Kennzeichnung sowie den Schutz und die Wahrung der Grundrechte konzentrieren. Es besteht jedoch bereits eine deutliche Kluft zwischen Rechtsvorschriften und praktischen Erfahrungen. Das liegt nicht zuletzt an der rasanten Entwicklung der künstlichen Intelligenz.
Der wahre Boom der KI-Influencer*innen ereignete sich während der Pandemie. Flughäfen waren geschlossen, Reisen war schwierig, und Menschen durften manchmal ihre Häuser nicht verlassen. Aber in der virtuellen Welt gab es keinen Lockdown. Infolgedessen entkamen viele Menschen in künstlich geschaffene Umgebungen, und der Hype um virtuelle Avatare war geboren.
Jemand, der diesen Trend seit einiger Zeit verfolgt, ist Tebbe Helfers. Er studiert Wirtschaftsinformatik in Ostdeutschland und ist fasziniert von der Herstellung künstlicher Avatare. „Ich bin gespannt, wohin das in Zukunft geht. Ich denke, es wird verrückt - wir werden nicht in der Lage sein, den Unterschied zwischen echt und falsch zu erkennen“, sagt Tebbe. Aber er behauptet, das stört ihn nicht, denn hinter jeder fiktiven Person steckt jemand, der menschliche Intelligenz nutzt, um sie zu entwerfen. Tebbe macht sich mehr Sorgen um die Videoerstellung. „Was passiert, wenn Open AI oder Google ihre Videomodelle einführen? Wenn Sie wirklich authentische Videos erstellen können, denke ich, dass es sehr schlecht gemacht sein wird.“
Tebbe hat keinen Zweifel daran, dass die Gesellschaft diese Art von künstlichen Influencern akzeptieren wird, besonders wenn sie nicht wissen, dass sie keine echten Menschen sind. Dies wirft wichtige Fragen zu den Auswirkungen virtueller Avatare auf soziale Medien auf.
Es gibt jedoch auch einige Probleme mit KI-Influencer*innen, da viele etablierte KI-Avatare etwas gemeinsam haben - sie alle fördern ein stereotypes Image. Sie sind extrem hübsch, haben einen tollen Körperbau, reisen viel und erleben aufregende Dinge. In den sozialen Medien sind sie allgegenwärtig und stellen ein Schönheitsideal dar, das weit von der Realität entfernt ist. Dadurch rücken Fiktion und Realität näher zusammen und die Grenze zwischen virtuellem und realem Leben verschwimmt zunehmend.
Es ist bekannt, dass es eine Verbindung zwischen der fiktiven Welt der sozialen Medien und der realen Welt gibt. Eine interne Facebook-Studie, die von der Whistleblowerin Frances Haugen ans Licht gebracht wurde, ergab, dass insbesondere die psychische Gesundheit junger Social-Media-Nutzer*innen negativ beeinflusst wird. Wenn Sie sehen, dass andere Menschen in Fotos oder Videos mehr Aufmerksamkeit erhalten, kann dies zu sozialem Druck führen. Es gibt einen automatischen Vergleich, der oft nicht den eigenen Erwartungen entspricht. Obwohl viele Benutzer*innen wissen, wie Beiträge erstellt werden, stecken sie oft in einem Zyklus fest, in dem sie nach Bestätigung suchen und einer idealisierten Version ihrer eigenen Realität nachjagen.
Virtuelle Influencer*innen werden wahrscheinlich den Druck auf junge Nutzer*innen erhöhen, sich diesen Avataren anzupassen. Das Technologieunternehmen Meta, das Instagram und Facebook betreibt, reagiert auf den Aufstieg von KI-generierten Bildern, indem es sie als KI-made bezeichnet. Was kann ich als Konsument von Social Media tun?
Neben ausreichenden Pausen in den sozialen Medien empfehlen Expert*innen „Realitätsprüfungen“. Dies bedeutet, dass sie sich ein paar Minuten Zeit nehmen, um andere Menschen in ihrem täglichen Leben zu beobachten und zu bemerken, wie das wirkliche Leben ist. Die Unterstützung von Freunden, Eltern oder Lehrer*innen kann zusammen mit einem besseren Selbstbewusstsein dazu beitragen, ihr Körperbild zu verbessern. Es ist ein Prozess, der Zeit braucht, aber er zeigt, dass die reale Welt und die Online-Welt sehr unterschiedlich sind. Und das ist eine wirklich gute Sache.
Wenn sich jeder in sehr kurzer Zeit mit ein paar Worten selbst erschaffen könnte, wie ich es in meinem obigen Beispiel beschrieben habe, wäre dann nicht das Unvollkommene wieder perfekt?
Quelle: Europäisches Jugendportal vom 27.11.2024
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