Gesundheit
RSV-Impfung über Versichertenpauschale abzudecken ist inakzeptabel
Das Bundesministerium für Gesundheit plant, die RSV-Impfung mit Nirsevimab in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufzunehmen, jedoch ohne zusätzliche Vergütung für Kinder- und Jugendärzt*innen. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen kritisiert dies und fordert eine angemessene Vergütung für den hohen Beratungsaufwand und zusätzliche Arzt-Patient*innen-Kontakte.
31.07.2024
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) plant, die von der STIKO empfohlene RSV-Impfung mit Nirsevimab in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu überführen. Eine entsprechende Rechtsverordnung sei bereits vom BMG erarbeitet worden, wie der Tagesspiegel Background gestern berichtete. Eine Vergütung für die Gabe von Nirsevimab durch die Kinder- und Jugendärzt*innen sei darin aber nicht vorgesehen. Stattdessen sollen die Impfungen durch die allgemeine Versichertenpauschale abgedeckt werden, die bei bis zu Vierjährigen derzeit 26,85 Euro pro Quartal beträgt – in den Augen des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen e.V. (BVKJ) ist das ein Affront.
Dr. Michael Hubmann, Präsident des BVKJ, zeigt sich empört:
„Was das BMG hier vorschlägt, ist unserer Meinung nach inhaltlich falsch. Die Versichertenpauschale ist für kurative Behandlungen da. Die RSV-Impfung ist eine Impfung und damit präventiv und muss anders als über die Versichertenpauschale vergütet werden.“
Alle Säuglinge, die zwischen April und September geboren sind, sollen Nirsevimab gemäß der STIKO-Empfehlung möglichst im Herbst vor Beginn ihrer 1. RSV-Saison erhalten. Dazu kommen alle Neugeborenen, die innerhalb der RSV-Saison, also zwischen Oktober und März geboren werden. Hubmann betont:
„Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden zwischen April 2023 und März 2024 in Deutschland 685.628 Kinder geboren. Davon ausgehend, dass wir in diesem Jahr eine ähnliche Geburtenrate haben, können wir absehen, dass wir diesen enormen, zusätzlichen Aufwand in unseren regulären Sprechstunden nicht leisten können. Gerade bei einer neueingeführten Impfempfehlung ist ein erheblicher Beratungsaufwand erforderlich. Auch müssen wir damit rechnen, dass sich Eltern mitunter Bedenkzeit nehmen und neben dem Aufklärungsgespräch ein zusätzlicher Termin für die Impfung notwendig wird. Das heißt, die Anzahl der Arzt-Patienten-Kontakte, die im Zuge der RSV-Impfung zustande kommen, wird noch um einiges höher sein, als die Anzahl der Neugeborenen. Wie bei der Corona-Pandemie werden wir zusätzliche Impfsprechstunden außerhalb der regulären Öffnungszeiten einrichten müssen. Den dadurch entstehenden zeitlichen und wirtschaftlichen Mehraufwand können wir nur mit zusätzlichen Finanzmitteln stemmen. Alles andere ist für uns inakzeptabel.“
Prof. Dr. Florian Hoffmann, Oberarzt auf der interdisziplinären Kinderintensivstation am Dr. von Haunerschen Kinderspital und Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin (GNPI) e.V., ergänzt:
„Die STIKO schreibt in ihrer Empfehlung, Ziel der RSV-Impfung sei es, die Häufigkeit schwer verlaufender RSV-Erkrankungen bei Neugeborenen und Säuglingen in ihrer 1. RSV-Saison zu reduzieren. Insbesondere sollen RSV-bedingte Hospitalisierungen, intensivmedizinische Behandlungen und RSV-bedingte Todesfälle sowie stationäre und ambulante Versorgungsengpässe verhindert werden. Mit dieser Impfung haben wir eine gute Chance, einer kritischen Belastung der Kinderkliniken entgegenzuwirken. Jede Hospitalisierung kostet das deutsche Gesundheitssystem 4.040 Euro, ist es ein Intensivfall sogar 58.800 Euro.(1) Angesichts der zahlreichen Klinikeinweisungen, die durch die RSV-Impfung verhindert werden können, wäre es aus gesundheitsökonomischer Sicht kein Verlustgeschäft, eine angemessene Vergütung für die Durchführung der Impfung sicherzustellen.“
Die STIKO-Empfehlung sieht vor, Neugeborene, die während der RSV-Saison zur Welt kommen, möglichst rasch nach der Geburt mit Nirsevimab zu impfen – idealerweise bereits in der Geburtseinrichtung. „Unsere Forderung nach einer fairen Vergütung der Beratung und der Impfung gilt daher sowohl für die Kliniken als auch für den niedergelassenen Bereich“, so Hoffmann.
Die Argumentation des BMG, dass es bei der Gabe von (monoklonalen) Antikörpern wie Nirsevimab nicht um eine Schutzimpfung nach § 2 Nummer 9 Infektionsschutzgesetz (IfSG), sondern um eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe nach § 2 Nummer 10 IfSG handle, kann der BVKJ nicht nachvollziehen. „Die RSV-Impfung mit Nirsevimab ist eine Schutzimpfung“, betont Hubmann.
„Sie wird intramuskulär verabreicht und verfolgt das Ziel, Neugeborene und Säuglinge vor RSV-Erkrankungen zu schützen. Auch der Beratungsaufwand der Eltern entspricht dem einer Impfung und ist in diesem Fall – da es sich um eine neueingeführte Impfempfehlung handelt – sogar noch deutlich höher. Es wäre an der Zeit, das Infektionsschutzgesetz in diesem Punkt zu konkretisieren.“
so Hubmann weiter.
Quelle: Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen e.V. (BVKJ) vom 13.07.2024
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