Gesundheit

Kranke Jugendliche fallen mit dem Erwachsenwerden in ein Versorgungsloch

Junge Erwachsene, die krank sind oder krank werden, stehen in Deutschland vor einem ganz großen Dilemma. Als Erwachsene finden sie zumeist häufig nicht mehr die gute medizinisch-therapeutische Versorgung vor, die sie aus ihrer Kinder- und Jugendzeit kennen. Statt eines weichen Übergangs hin zu einem selbständigen Leben erleben viele junge kranke Menschen als Erwachsene eine Bauchlandung, die ihr Leben radikal verändert.

15.12.2009

Denn Kinder- und Jugendärzte dürfen junge Erwachsene in der Regel nicht mehr behandeln, wenn sie älter als 18 Jahre sind. Ausnahmen sind zwar möglich, hängen aber allein vom Gutdünken der Krankenkassen ab, kritisiert Professor Dr. Hans-Michael Straßburg, Präsident der DGSPJ aus Würzburg. So gibt es Krankenkassen wie die AOK Bayern, die die Vergütung von Leistungen von erwachsenen Patienten beim Kinder- und Jugendarzt recht "großzügig" handhaben. Andere lehnen Übergangs-Regelungen strikt ab. Einen Rechtsanspruch gibt es weder für die Ärzte noch für die betroffenen Familien.

Auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat in seinem jüngsten Sondergutachten 2009 erkannt, dass die Versorgung von Jugendlichen im Übergang zum Erwachsenenalter defizitär ist. Die Experten wollen die Versorgungsforschung in diesem Bereich nun vorantreiben. Dabei soll herausgefunden werden, wie hoch der Bedarf an Transitionssprechstunden und Übergangsstationen (eigene Station für Heranwachsende) für bestimmte Krankheiten tatsächlich ist. Die DGSPJ stuft diesen Bedarf schon heute als hoch ein, da immer mehr chronisch kranke und (geistig) behinderte Adoleszente das Erwachsenenalter erreichen.

In vielen Ländern sind solche Übergangsmodelle vom Jugend- in das Erwachsenenalter (Transition) schön längst etabliert. In der Provinz Ontario (12 Millionen Einwohner) in Kanada wurden vorbildhafte "Best Practice Modelle" für den Übergang von Jugendlichen mit Krankheiten oder Behinderungen ins Erwachsenenalter entwickelt. Die Ziele einer gelungenen Transition erschöpfen sich dabei nicht nur darin, ein unabhängiges Leben zu führen. Genauso wichtig ist es für diese jungen Menschen, dass sie auch einer Beschäftigung nachgehen können, die sie tatsächlich gerne ausüben und in gesundheitlicher Hinsicht auch ausüben können.

Unterstützung können die Jugendlichen in Ontario neben einem Team aus Spezialisten aus den Bereichen Erwachsenen- und Kinder- und Jugendmedizin auch von einem "Peer Advisor" erhalten, also einem jungen Erwachsenen, der bereit ist, seine eigenen Erfahrungen mit Behinderung in dieser Übergangsphase an andere Betroffene weiterzugeben.

In Deutschland erfolgen die meisten der Transitionssprechstunden lediglich auf der Grundlage von Sonderregelungen für einzelne Patientengruppen (Spina bifida, Herzfehlbildungen, Mukoviszidose-Ambulanzen) oder durch guten Willen und großzügiges Übersehen der Altersgrenze. Deshalb ist dringender Handlungsbedarf geboten. In Anlehnung an die Regelungen des SGB IX zur Erbringung der "Komplexleistung Frühförderung" sollte eine "Komplexleistung Transition" geschaffen werden, fordert die DGSPJ. Damit würde es für Pädiater, Erwachsenenmediziner sowie Sozialarbeiter und Therapeuten möglich, fließende Übergangs-Programme für Jugendliche mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen zu schaffen, fordert Dr. Olaf Kraus de Camargo, Professor für Sozialpädiatrie an der Mc Master Universität in Hamilton (Kanada). Diese Programme könnten hierzulande an Spezialambulanzen und/oder Sozialpädiatrische Zentren angebunden sein. Ziel dabei sollte es sein, die Patienten so lange zu lotsen und zu begleiten, bis sie auch im Erwachsenenbereich gesundheitlich gut versorgt sind.

DGSPJ Präsident Straßburg sieht dafür mit der Unterstützung des Sachverständigenrates gute Chancen, solche Modelle nun auch in Deutschland fest zu verankern und verbindlich zu finanzieren. Damit würden auch die Patientenrechte junger Menschen - wie 2009 von allen Parteien eingefordert - gestärkt werden. 

Quelle: PM Dt. Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin vom 14.12.2009

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