Im Gespräch

Jugend und Corona – Wird Klimaaktivismus ausgebremst?

Jugendliche gehen mit der Klimabewegung „Fridays for Future“ seit 2018 weltweit auf die Straßen, um sich für eine bessere Zukunft einzusetzen. Sie wollen mitgestalten und eine Generation sein, die die Welt verändert. Doch Demonstrationen können seit Corona nicht mehr in gewohnter Weise stattfinden. Wir fragen uns: Was hat sich verändert und wie ist Engagament heute möglich? In unserer Interviewreihe „Im Gespräch“ gibt uns die 16-jährige Klimaaktivistin Christina Schliesky Antworten.

30.03.2021

Vor nicht allzu langer Zeit haben noch viele Jugendliche weltweit die Schule „geschwänzt“, um für das Klima zu demonstrieren. Und dann kam Corona. Große Demos sind nun nicht mehr erlaubt, Veranstalter müssen Hygienekonzepte vorlegen. Trotzdem geben die „Fridays for Future“-Aktivisten und -Aktivistinnen nicht auf. 

Gleichwohl ist es für Jugendliche schwieriger geworden ist, sich zu engagieren. Seit Ausbruch der Pandemie nehmen weniger junge Menschen an den Protesten teil – ausgeglichen wird dies auch nicht durch die Teilnahme an Online-Aktionen. Trotz allem spielt das Thema Nachhaltigkeit für Jugendliche nach wie vor eine wichtige Rolle: Klimafragen scheinen zentraler denn je, so wurden jüngst Zusammenhänge zwischen der Corona- und der Klima-Krise hergestellt. Der Klimawandel könnte eine Rolle bei der Entstehung von Covid-19 gespielt haben, denn durch die veränderten Temperaturen hätten sich die Fledermäuse extrem ausgebreitet – so teilten es im Februar 2021 Forscher/-innen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung mit. Neben diesem möglichen Zusammenhang zeigt sich in Corona-Zeiten auch, dass die Forschung schnell neues Wissen liefern und Politik und Gesellschaft es zur Orientierung nutzen können. In der Pandemie wird deutlich, dass Länder zusammenarbeiten können und müssen. Doch es gibt noch weit mehr zu lernen, denn die Corona-Krise ist für die Umwelt und unsere Gesellschaft ein großes Experiment. 

Die Schülerin Christina Schliesky ist Klimaaktivistin und eine von mehreren Pressesprecher/-innen bei Fridays for Future. Sie beschäftigt sich vor allem mit dem Kohleausstieg, da sie am Rande des Tagebaus Garzweiler lebt. Im Interview berichtet Christina davon, wie sich Jugendproteste zurzeit verändern. Sie erzählt uns von ihrem Engagement und gibt Anregungen, wie andere junge Menschen sich einbringen können. 

„Wir können die Klima- und Corona-Krise nicht getrennt voneinander betrachten“

Zeitungen schreiben von einer „Corona-Zwangspause“ für Jugendproteste und davon, dass die Jugendbewegung Fridays for Future geschwächt sei. Wie siehst du das?

Ich würde nicht von einer Zwangspause oder einer geschwächten Bewegung sprechen. Wir mussten in der Tat neue Wege finden, um Corona-konform protestieren zu können und dabei niemanden zu gefährden – das haben wir meiner Ansicht nach auch geschafft. Die Corona-Pandemie ist eines der brennenden gesellschaftlichen Themen, aber das schließt die Bekämpfung der Klimakrise nicht aus. Wir können die Klima- und Corona-Krise nicht getrennt voneinander betrachten, sie gehen Hand in Hand und können auch nur gemeinsam angegangen werden. Das betont Fridays For Future immer wieder.

Wie können sich junge Menschen zurzeit – trotz Corona – engagieren?

Eigentlich überall, Engagement hört ja nicht beim Straßenprotest auf. Es braucht Menschen, die die Demonstrationen organisieren, Hygienekonzepte erstellen und andere organisatorische Arbeit leisten. Vieles ist dabei auch online möglich.

Was habt ihr im letzten Jahr erreicht? Welche Erfolge könnt ihr in 2020/2021 verzeichnen?

Es war nicht einfach, gerade zu Beginn, während der Corona-Pandemie die Klimakrise auf der politischen Agenda zu halten und in der Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen. 2020 forderten wir gemeinsam den Stopp der Adani-Kohlemine in Australien, wir verhinderten eine Abwrackprämie, die vor allem den Kauf von neuen Verbrennern begünstigt hätte und protestierten gegen das neue Kohlekraftwerk Datteln 4 sowie das Kohleausstiegsgesetz. Wir schafften es immer wieder, wichtige Themen in die Öffentlichkeit zu bringen und Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Ich bin optimistisch, dass wir dies auch im nächsten Jahr schaffen.

Was hat sich im letzten Jahr an den Klima-Jugendprotesten verändert?

Viel hat sich in den Online-Bereich verlagert, dabei entdeckten wir auch neue Protestformen. Durch Plakatbilder, Livestreams, Schriftzüge aus Kerzen und mit Menschenketten haben wir es geschafft, Corona-konform und mit Abstand Protest zu organisieren – das ist eine nie da gewesene, aber auch sehr aufregende Erfahrung.

Superwahljahr 2021: „Wir werden jede Wahl zur Klimawahl machen“

Unter Vorbehalt des Verlaufes der Pandemie: Welche Pläne hast du und habt ihr als Fridays for Future für 2021?

Unser Fokus wird im Superwahljahr 2021 auf den verschiedenen Wahlen liegen: Egal ob Kommunal-, Landes- oder Bundestagswahl, wir werden jede Wahl zur Klimawahl machen. Die nächsten Regierungen stellen jetzt die Weichen und entscheiden damit, ob Deutschland auf eine Erderwärmung von max. 1,5 Grad oder 4 Grad zusteuert. Die Politiker/-innen müssen endlich ihrer Verantwortung gerecht werden und Klimapolitik machen, die im Übereinkommen von Paris beschlossen wurde. Sie müssen verstehen, dass sie diejenigen sind, die den größten Einfluss haben. Sie sind in der Verantwortung, die Klimakrise einzudämmen!

Auch wenn die öffentliche Wahrnehmung von Klimathemen abgenommen hat, lesen wir immer wieder, dass die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie einen positiven Einfluss auf die Umwelt haben könnte. Wie schätzt du das ein? Meinst du, man kann daraus etwas mitnehmen?

Dass die Corona-Pandemie einen positiven Einfluss auf die CO2-Konzentration hätte, machte letztes Jahr Schlagzeilen. Wie wir damals schon betont haben, hat das langfristig allerdings nur einen minimalen Einfluss, denn nach solchen Krisen steigen die Emissionen meist deutlich rasanter an, wodurch das vorherige Level schnell wieder erreicht ist. Das sehen wir bereits jetzt: Aktuell haben wir nicht nur das CO2-Level erreicht, das wir vor der Pandemie hatten, wir sind bereits drüber. Das bedeutet zusammengefasst, dass die CO2-Emissionen 2020 vielleicht gesunken sind, diese im Jahr 2021 allerdings wieder zurückkommen, und zwar deutlich stärker, als es ohne Pandemie der Fall gewesen wäre.

Außerdem möchte ich noch sagen: Es gibt einige Menschen, die glauben, man könne nur eine Kehrtwende in der Klimakrise erreichen, wenn wir uns einschränken. Das kann aber keine Lösung sein. Wir müssen lernen, die Klimakrise zu bewältigen, indem wir die Art wie wir leben verändern. Das bedeutet nicht, dass wir uns einschränken müssen und verzichten müssen, sondern dass wir Alternativen finden sollten, die unseren Planeten und unsere Ressourcen nicht bis zum Erschöpfen ausbeuten.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Nadine Salihi

Redaktion: Iva Wagner

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