Forschung

Glück lernen in der Schule

Kann man Glück trainieren? Ja, kann man! Und je früher, desto besser, sagt der Glücksforscher Tobias Rahm. Deshalb hat der Wissenschaftler vom Institut für Pädagogische Psychologie der Technischen Universität Braunschweig gemeinsam mit der Buchautorin Carina Mathes das Projekt „Glückskompetenz in der Grundschule“ (GlüGS-Projekt) ins Leben gerufen.

07.06.2024

Mehr Glückserleben und Wohlbefinden in die Schulen bringen – das ist das Ziel des GlüGS-Projekts. Deshalb standen von November 2022 bis Januar 2023 und von April bis Juni 2023 neben Mathe, Deutsch und Sport auch insgesamt elf Stunden „Glücksunterricht“ auf dem Stundenplan der Viertklässler*innen. Für die „Glücksstunden“ verantwortlich waren angehende Lehrer*innen und Erziehungswissenschaftler*innen der TU Braunschweig, die jeweils zu zweit an einer der 16 teilnehmenden Braunschweiger Grundschulen gemeinsam mit der Klassenlehrkraft im Unterricht mitgewirkt haben. 

Schulfach Glückskompetenz

Grundlage für die Unterrichtsentwicklung war das „Curriculum Schulfach Glückskompetenz“ der Autorin Carina Mathes, das den Studierenden ein leicht umsetzbares Curriculum mit anregenden Geschichten, Elterninformationen, Arbeitsblättern und Bastelanleitungen bietet. Zu jeder Unterrichtsstunde gab es für die Studierenden ein neues Lernvideo von der Autorin und eine Reflexionsstunde mit dem Diplompsychologen Tobias Rahm, der pensionierten Schulleiterin Barbara Steinau-Giesert und der online zugeschalteten Carina Mathes. 

Der Glücksunterricht basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen der positiven Psychologie, der Resilienzforschung und der Lern- und Gehirnforschung. Themen sind beispielsweise Hilfsbereitschaft und Dankbarkeit, Entspannung und Achtsamkeit, Stress und Angst, Selbstbewusstsein oder die Wahrnehmung von Gefühlen. Diese wurden den Schüler*innen im „Glücksunterricht“ spielerisch und kreativ vermittelt, zum Beispiel indem die Kinder Postkarten mit Komplimenten schrieben. 

Was hat der Glücksunterricht bewirkt? „Die Resonanz der teilnehmenden Kinder, Eltern, Lehrkräfte und Schulleitungen war durchweg positiv“, sagt Tobias Rahm vom Institut für Pädagogische Psychologie der Technischen Universität Braunschweig. Doch natürlich wollte der Forscher es genauer wissen. Deshalb gab es eine wissenschaftliche Begleitforschung: Zu vier Messzeitpunkten wurden Schüler*innen, Eltern, Lehrer*innen und die Studierenden zu Effekten und Erfahrungen mit dem „Glücksunterricht“ befragt und interviewt. 

Negative Gefühle nahmen ab

Vor Beginn der Glücksstunden füllten die teilnehmenden Kinder und ihre Parallelklassen Fragebögen zum eigenen Wohlbefinden aus, um Veränderungen messen zu können und sicherzustellen, dass diese auf das Programm zurückzuführen sind. Die Ergebnisse ergaben ein gemischtes Bild. Signifikante Effekte zeigten sich bei den Kindern vor allem in einem Punkt: Negative Emotionen nahmen nach einem Monat ab. Die Fragebogendaten der Eltern wiesen auf einen mittleren positiven Effekt auf das psychische Wohlbefinden ihrer Kinder hin. Besonders interessant waren auch die Hinweise darauf, dass Kinder, die zu Beginn zu Hause weniger Unterstützung erfuhren oder ein geringer ausgeprägtes Selbstbild hatten, stärker von den Glücksstunden profitierten. Obwohl die quantitativen Ergebnisse begrenzt waren, zeigten die qualitativen Rückmeldungen eine hohe Zufriedenheit mit dem Programm und seinen Wirkungen. Kinder und Eltern berichteten insbesondere von Verbesserungen des Sozialverhaltens und des Klassenklimas. Auch in Gesprächen mit Schulleitungen und Lehrkräften wurden positive Erfahrungen hervorgehoben.

Warum blieben viele erwartete Effekte, wie beispielsweise eine verbesserte Stimmung, aus? Ein Vergleich mit anderen Programmen der Positiven Bildung, wie dem GNH-Curriculum (Gross National Happiness) von Alejandro Adler (2016), zeigt, dass die Intensität des Glücksunterrichts mit elf Unterrichtsstunden à 45 Minuten über drei Monate geringer ist als bei umfangreicheren Programmen, die von intensiv ausgebildeten Lehrkräften durchgeführt werden. Die hier gefundenen Effekte können daher als Teilerfolg gewertet werden.

Unkomplizierte Integration in den Schulalltag

„Das GlüGS-Projekt entlastet die Lehrkräfte und benötigt nur geringe finanzielle Ressourcen, was im Schulalltag natürlich sehr von Vorteil ist. Anders als umfangreiche Programme, die stark vom Engagement und der Vorbereitungszeit der Lehrer*innen abhängen, kann dieser Ansatz viel unkomplizierter in den Schulalltag integriert werden.“, 

so Tobias Rahm

Ein weiterer Nebeneffekt: Die Lehramtsstudierenden lernen bereits in einer frühen Phase ihrer Ausbildung, wie wertvoll die Förderung des Wohlbefindens von Kindern in der Schule sein kann und wie sie dies in der Praxis umsetzen können. Der schrittweise Aufbau einer glücksorientierten Schulkultur könnte langfristig durch erfahrenere Lehrkräfte und anderen an der Schule tätigen Professionen vorangetrieben werden.

„Es sollte jedoch nicht vergessen werden, dass das Wohlbefinden von Kindern von vielen Faktoren beeinflusst wird, einschließlich genetischer Dispositionen und familiärer Variablen wie elterliche Fähigkeiten und Gesundheit. Diese können das Wohlbefinden stärker beeinflussen als positive Bildungsprogramme“, 

betont der Glücksforscher Tobias Rahm

„Wenn wir uns eine Gesellschaft mit mehr Wohlbefinden und weniger Stress und psychischen Erkrankungen wünschen, ist unser Bildungssystem aber weiterhin der beste Ansatzpunkt.“ 

Seine Vision: Schulen zum Aufblühen mit Selbststärkungsprogrammen in jedem Jahrgang, in positiver Bildung trainierten Kollegien und motivierenden Angeboten für Eltern.

Quelle: Technische Universität Braunschweig vom 03.06.2024

Redaktion: Paula Joseph

Back to Top