Stellungnahme
Geflüchtete junge Menschen und Familien aus der Ukraine in der Kinder- und Jugendhilfe
Der Bundesverbandes Caritas Kinder- und Jugendhilfe (BVkE) und des Evangelischen Erziehungsverbandes (EREV) stellen sich an die Seite der Kinder und Jugendlichen, die aus der Ukraine geflüchtet sind. Die beiden Fachverbände appellieren in einer gemeinsamen Stellungnahme an die gemeinsame Verantwortungsübernahme von Bund, Land und Kommunen, um den Geflüchteten kurz-, mittel- und langfristig die notwendige Hilfe zukommen zu lassen und bestehende Lücken im Kinderschutz zu schließen. Im Mittelpunkt stehen die Themen Kinderschutz, Koordination von Platzkapazitäten, Fachkräfte, ambulante Versorgung und Finanzierung.
17.05.2022
In den vergangenen Wochen und Monaten zeichnet sich ganz deutlich ab, dass der Krieg erhebliche Auswirkungen auch auf die Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland und Europa haben wird. Die Kinder- und Jugendhilfe ist nicht nur gefordert, die Erstversorgung junger Menschen und Familien sicherzustellen, sondern auch ihren Aufenthalt und ihre Integration. Verbände seien zuständig für diese jungen Menschen und Familien, die traumatisiert, psychisch und wirtschaftlich belastet in Deutschland ankommen und mit einer so weitreichenden Krise umgehen müssen.
Verantwortung wahrnehmen, Unterstützung ausbauen, Hilfen absichern
Die Kinder- und Jugendhilfe sei nach den Entwicklungen der vergangenen Jahre gewissermaßen krisenerprobt, heißt es in der Stellungnahme „Geflüchtete junge Menschen und Familien aus der Ukraine in der Kinder- und Jugendhilfe – Verantwortung wahrnehmen, Unterstützung ausbauen, Hilfen absichern“. Es zeigten sich aber auch deutliche Handlungsbedarfe, um den Geflüchteten kurz-, mittel- und langfristig die notwendige Hilfe zukommen zu lassen. Die Stellungnahme benennt fünf Schwerpunkte, die Sie nachfolgend im Wortlaut der Veröffentlichung finden. Die vollständige Stellungnahme steht auchauf der Website des BVkE als PDF-Datei zum Download bereit:
1. Fachkräfte
Es zeigt sich, dass sich in Krisen die ohnehin schon bestehenden Problemlagen in unserem System der Kinder- und Jugendhilfe noch einmal zuspitzen: Es fehlt an ausreichend ausgebildeten Fachkräften. Das Problem ist, dass die Einrichtungen und Dienste dadurch erheblich ausgebremst werden. Die Kinder- und Jugendhilfe hätte zum Teil die Möglichkeiten, Platzkapazitäten zu erhöhen und auch Immobilien zur Verfügung zu stellen, aber den Einrichtungen fehlt es an Personal, um die Betreuung und Bildung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen zu gewährleisten. Wir brauchen größere Anstrengungen von politischer Seite, zum Beispiel durch die Anerkennung ausländischer Abschlüsse.
2. Koordination von Platzkapazitäten
Viele Kommunen werden in der Koordinierung von Platzkapazitäten größtenteils allein gelassen und stehen vor erheblichen Schwierigkeiten, diese Koordination ad hoc und zusätzlich zu leisten, es fehlt vor allem an strukturellen Ressourcen. Gerade für geflüchtete junge Menschen mit Behinderungen erschweren Zuständigkeitsfragen eine schnelle Hilfestellung. Dadurch wird das Hilfesystem ausgebremst. Besonders herausfordernd ist, dass viele junge Menschen mit einem Teil ihrer Familie ankommen, mit erwachsenen Begleitpersonen; aber ohne Sorgeberechtigte ankommen, dass sie in großen Gruppen ankommen und ganze Heime evakuiert werden müssen. Das macht es schwer, einen ersten Überblick zu schaffen, sowohl für die Kommunen als auch für die betriebserlaubnispflichtigen Behörden. Eine verbesserte Koordination auf Bundes- und Landesebene soll kurzfristig organisiert werden, um eine geordnete Aufnahme zu ermöglichen.
3. Kinderschutz
Aufgrund der anfänglichen schwierigen Koordination der Geflüchteten, beobachten wir Lücken im Kinderschutz. Dadurch, dass viele junge Menschen privat organisiert in Gastfamilien untergebracht werden, haben die Kommunen und betriebserlaubniserteilenden Behörden zu wenig Einsicht darin, wo die jungen Menschen eigentlich verbleiben. Die Gastfamilien können aufgrund des beschriebenen Status nicht professionell begleitet werden und kommen schnell an ihre Grenzen. Damit der Kinderschutz gewährleistet werden kann, brauchen diese Familien Beratung und Unterstützung. Aber auch freiwillige Verbünde mit Hilfsangeboten wie Jugendherbergen, Jugendgästehäuser, Jugend- und Familienbildungsstätten, die ganze Gruppen aus Heimen in der Ukraine aufgenommen haben, brauchen Unterstützung. Wir sehen, dass Träger aktiv werden, die vorher nicht in der Kinder- und Jugendhilfe aktiv waren. Sie organisieren die Aufnahme von Gruppen und Heimen zum ersten Mal und werden mit Kinderschutzfragen konfrontiert, wie beispielsweise mit Besuchsangeboten in deren Wohnungen, Angebote zu Ausflügen oder kulturellen Besuchen von unbekannten Dritten. Diese Verbünde von Jugendherbergen und anderen müssen im Rahmen des Kinderschutzes ebenso geprüft und fachlich begleitet werden, wie die Hilfsangebote von Gastfamilien und anderen Privatpersonen. Dazu gehört eine zeitlich klar definierte fachliche Perspektive der Hilfsangebote, um den Standards und Qualitätsansprüchen der Kinder- und Jugendhilfe, im Sinne der geflüchteten jungen Menschen, gerecht zu werden. Der Kinderschutz verlangt ein entschiedenes Handeln bei der Betreuung von geflüchteten Kindern.
4. Ambulante Versorgung
Ein wichtiger Punkt ist die ambulante Versorgung: dadurch, dass viele getrennte Familiensysteme ankommen, die privat organisiert oder auch behördlich untergebracht werden, braucht es einen schnellen und unbürokratischen Zugang zu therapeutischer Versorgung, niedrigschwelliger und pädagogischer Hilfe. Hier hat sich in den vergangenen Wochen und Monaten ganz klar gezeigt, dass die Bedeutung ambulanter Hilfen gewachsen ist, zum Beispiel im Kontext von Kita, von Schule und Schulbegleitung, aber auch im Rahmen der Alltagsbewältigung. Ganz eindeutig werden die ambulanten Hilfen daher auch langfristig gesehen an Relevanz gewinnen, sodass wir auch diesen Bereich qualitativ und quantitativ absichern müssen.
5. Finanzierung
Die Träger der Kinder- und Jugendhilfe haben sich sehr schnell auf die Seite von Kindern und Jugendlichen gestellt. Für die Versorgung, Betreuung und Bildung der geflüchteten Kinder und Jugendlichen bedarf es einer klaren Zuständigkeit bei den Innen-, Sozial und Jugendministerien auf Länderebene und eine entsprechende Rechtssicherheit. Davon abgeleitet wird eine Finanzierung, die sich an dem Bedarf der Kinder und Jugendlichen orientiert. Die freien Träger der Kinder- und Jungendhilfe übernehmen eine sehr hohe Verantwortung für die Geflüchteten, aber auch für die gesamte Gesellschaft. Es bedarf einer sicheren Finanzierung, die den Geflüchteten kurzfristig zur Verfügung steht.
Grundlage bilden die Kinderrechte
Der Bundesverbandes Caritas Kinder- und Jugendhilfe (BVkE) und des Evangelischen Erziehungsverbandes (EREV) stellen sich an die Seite der Kinder und Jugendlichen, die aus der Ukraine geflüchtet sind. Die Grundlage für das Handeln der Verbände bilden die Kinderrechte. Nach ihnen richtet sich die Versorgung, Betreuung und Bildung der betroffenen Kinder und Jugendlichen.
Die vollständige Stellungnahme steht auf der Website des BVkE als PDF-Datei zum Download zur Verfügung.
Quelle: Bundesverband Caritas Kinder- und Jugendhilfe e.V. (BVkE) vom 12.05.2022
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