Rohingya-Krise
Familien leben in den Geflüchteten-Camps weiter in Angst
Fünf Jahre, nachdem mehr als 750.000 Rohingya vor der Gewalt in Myanmar über die Grenze nach Bangladesch fliehen mussten, leben die Geflüchteten weiter in Angst. Das zeigt eine neue Umfrage von Save the Children, in der 66 Prozent der Kinder und 87 Prozent der Eltern sagen, dass sie sich heute nicht sicherer fühlen als bei ihrer Ankunft.
31.08.2022
Onno van Manen, Länderdirektor von Save the Children in Bangladesch, mahnt:
„Die Welt mag ihre Aufmerksamkeit auf andere Krisen richten, aber selbst fünf Jahre nach ihrer Flucht wachsen knapp eine halbe Million Rohingya-Kinder in überfüllten Lagern auf. (...) Diese Kinder zeigen besorgniserregende Anzeichen von Depressionen und Angstzuständen. Und da sie kaum Bildungschancen haben, verlieren sie jede Hoffnung auf ein besseres Leben.“
Im August 2017 waren Hunderttausende Rohingya aus dem Rakhine-Staat geflohen und hatten vor allem im Distrikt Cox’s Bazar in Bangladesch Zuflucht gesucht, wo in der Folge das größte Geflüchteten-Lager der Welt entstand. In der aktuellen Erhebung sagte die Hälfte der dort befragten Kinder, dass sie ein „unglückliches“ Leben führen. Fast 80 Prozent der Mädchen und Jungen sind manchmal, meistens oder ständig deprimiert oder gestresst. Bei den Eltern und Betreuungspersonen sind es 92 Prozent bzw. 96 Prozent. „Wir leben seit fünf Jahren mit Einschränkungen und Gefahren in diesem Exillager - genau wie in Myanmar“, klagt Mohammad*, der mit seinen Kindern in Cox’s Bazar wohnt. „Wir haben keine Kraft mehr, dieses schreckliche Leben zu ertragen.“
Die größten Sorgen der Befragten sind Frühverheiratungen sowie mangelnde Sicherheit und Bildung. Weil die Preise steigen und es kaum Einkommensmöglichkeiten gibt, kämpfen viele Familien ums Überleben. Einige sehen keinen anderen Ausweg als die Verheiratung ihrer Kinder. Den Daten zufolge gaben mehr als 70 Prozent der Familien an, dass sie von einem Kind wissen, das im vergangenen Monat verheiratet wurde.
Corona-Pandemie und Lockdowns führten außerdem dazu, dass weniger humanitäre Organisationen vor Ort waren. Die Lager wurden unsicherer, mehr Banden und bewaffnete Gruppen waren unterwegs. „Vor ein paar Jahren fühlte ich mich sicherer, weil die Gangs nicht so aktiv waren wie heute“, berichtet einer der befragten jungen Männer. „Die Sicherheitsbehörden übernahmen damals mehr Verantwortung.“
Drei Viertel der Befragten nannten den Mangel an guter Bildung als eine der größten Sorgen. „Wir können hier nicht unterrichtet werden, vor allem nicht auf Birmanisch“, sagt ein Zwölfjähriger. „Jetzt lernen wir nur noch auf Englisch und vergessen unsere eigene Sprache. Wir können auch nicht draußen spielen, weil der Platz fehlt.“
Onno van Manen sagt:
„Obwohl die meisten Rohingya in ihre Heimat zurückkehren möchten, bedeutet die anhaltende Gewalt in Myanmar, dass eine sichere Rückkehr vorerst keine Option ist. (...) Sie werden weiter verhaftet und inhaftiert, wenn sie sich außerhalb ihrer Dörfer bewegen, und ihnen werden die Staatsbürgerschaft und grundlegende Rechte verweigert. Sie sind von medizinischer Versorgung, Bildung und Arbeit abgeschnitten. Die Rohingya können erst nach Hause, wenn die Ursachen für ihre Vertreibung beseitigt sind. Bis dahin müssen wir mehr tun, um sie zu schützen – angefangen damit, dass wir unsere Hilfe aufstocken.“
Save the Children fordert die Staatengemeinschaft, nationale Regierungen und die Regierung von Bangladesch auf, die Unterstützung für die Rohingya zu verstärken und ihnen einen legalen Status, Bildung und Arbeitsmöglichkeiten zu eröffnen.
Weitere Informationen
- Save the Children ist eine der führenden internationalen NGOs, die in Cox’s Bazar tätig sind. Die Organisation unterstützt Rohingya-Kinder und ihre Familien mit Zugang zu Bildung, Gesundheitsleistungen, Nahrung, Wasser, Unterkunft sowie beim Kinderschutz. Seit Beginn der Hilfe im Jahr 2017 hat Save the Children mehr als 600.000 geflüchtete Rohingya erreicht, darunter 462.785 Kinder.
- Save the Children befragte 293 Rohingya in neun Lagern in Cox's Bazar, Bangladesch (94 Kinder von 12 18 Jahren, 85 junge Menschen von 19-24 Jahren, 114 Eltern und Betreuende).
* Name zum Schutz geändert
Über Save the Children
Im Nachkriegsjahr 1919 gründete die britische Sozialreformerin und Kinderrechtlerin Eglantyne Jebb Save the Children, um Kinder in Deutschland und Österreich vor dem Hungertod zu retten. Heute ist die inzwischen größte unabhängige Kinderrechtsorganisation der Welt in rund 120 Ländern tätig. Save the Children setzt sich ein für Kinder in Kriegen, Konflikten und Katastrophen. Für eine Welt, die die Rechte der Kinder achtet, in der alle Kinder gesund und sicher leben sowie frei und selbstbestimmt aufwachsen und lernen können – seit über 100 Jahren.
Quelle: Save the Children vom 24.08.2022
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