Kinder- und Jugendarbeit

Fachkräfteportal vor Ort: Ein Besuch bei Naima El-Jaouhari von der RAA in Essen

Eine Redakteurin des Fachkräfteportals war vor Ort in Essen und hat eine junge Deutsch-Marokkanerin besucht. Naima El-Jaouhari arbeitet als Honorarkraft für die RAA (Regionale Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien)/Büro für interkulturelle Arbeit der Stadt Essen.

01.02.2012

Diese kommunale Querschnittseinrichtung dient verschiedenen Institutionen und Fachdienststellen als Anlaufstelle in Fragen des interkulturellen Zusammenlebens.  Sie versteht interkulturelles Miteinander als Chance für die Entwicklung aller Kinder und Jugendlichen – für die hier geborenen, die hier aufgewachsenen und zugewanderten. Mit diesem Arbeitsansatz entwickelt die RAA/Büro für interkulturelle Arbeit  als ein Fachbereich des Dezernats für Kultur, Integration und Sport in Kooperation mit städtischen und nichtstädtischen Partnern innovative Produkte, Projekte  und Programme, und setzt diese mit Hilfe eines Innovationsfonds (1,3 € pro Jahr) gemeinsam mit den Einrichtungen um mit dem Ziel, deren Regelbetrieb für den „Umgang mit Verschiedenheit als Normalität“ zu qualifizieren.

Naima El-Jaouhari arbeitet noch nicht lange in diesem Job, aber sie hat schon viel erlebt. Sie ist eine gut aussehende Frau mit einem schicken Kopftuch, die viel lacht und sehr lebendig erzählt. 

Fachkräfteportal: Was machen Sie genau in der Kinder- und Jugendhilfe?

Naima El-Jaouhari: Ich habe ursprünglich Groß- und Außenhandelskauffrau gelernt und war auch ein Jahr in dem Beruf beschäftigt. Dann habe ich aber durch meine ehrenamtliche Verbandsarbeit gemerkt, dass mich die soziale Schiene interessiert und dass ich das professionalisieren möchte. Daraufhin habe ich mit einem Praktikum ein bisschen hineingeschnuppert und habe dann entschieden, Soziale Arbeit, Sozialpädagogik, das wäre meine Sache. Also habe ich mich in Dortmund beworben und habe 2006 angefangen, dort zu studieren. 2010 habe ich dort meinen Abschluss gemacht. Das Studium ist ja sehr breit gefächert, aber ich habe schnell gemerkt, dass die Jugendarbeit mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund, also die Integrationsarbeit, mich besonders fasziniert. In meinem Praxissemester bin ich dann an die RAA das Büro für interkulturelle Arbeit gekommen und bin dort in die Jugendarbeit eingestiegen.

Fachkräfteportal: Sie haben selber einen Migrationshintergrund. Haben Sie als Kind und Jugendliche Erfahrungen gemacht mit verbandlicher Jugendarbeit?

Naima El-Jaouhari: Als Jugendliche durch meine ehrenamtliche Tätigkeit für einen muslimischen Kulturverein. Ich bin da quasi aufgewachsen, habe da die Sprache gelernt, Schreiben, Lesen. Das war ein buntgemischter Verein aus vielen Nationen, wo ich auch gelernt habe mit Andersartigkeit umzugehen. Später habe ich dann da mit Jugendlichen und ihren Familien gearbeitet.

Fachkräfteportal: Was ist denn genau Ihre Berufsbezeichnung und wie sieht bei Ihnen ein klassischer Arbeitsalltag aus?

Naima El-Jaouhari: Ich bin Diplom-Sozialpädagogin/Diplom-Sozialarbeiterin. Ein Tag sieht bei mir nie wie der andere aus. Das ist auch das Schöne daran. Ich bin zwar im Bereich der Jugendarbeit, aber es bleibt nicht dabei. Wenn man systemisch schaut, geht das auch in Familienarbeit herein, in Verwaltung und Politik. Ich koordiniere (leider nur mit 15 Std.) mit einer Kollegin das Projekt „Interkultureller Dialog zur Aktivierung und Partizipation von Jugendlichen in der Einwanderungsgesellschaft“. Dort habe ich mit den sogenannten bildungsbenachteiligten Jugendlichen zu tun, die aus sozial benachteiligten Milieus  kommen, überwiegend die deutsche Staatsbürgerschaft haben und sich auch als Deutsche fühlen. Es spiegelt sich auch so ein bisschen mein eigenes Leben in ihnen wieder. Dort stoße ich dann auch viele  kleinere Projekte im Projekt an, wobei ich durch die dialogische Haltung, die ich in einer Fortbildung gelernt habe,  immer versuche, die Jugendlichen zu aktivieren. Also ich gebe Impulse, aber überlasse das Handeln den Jugendlichen. Die Arbeit, die die RAA damit ermöglicht, erachte ich als sehr sinnvoll, gleichzeitig sind solche Stellen viel zu „dünn“ besetzt. Das sage ich, vor allem weil ich weiß wie wichtig die präventive Arbeit mit Jugendlichen ist. Dies hört man auch immer wieder in Fachdiskussionen. Die Realität zeigt aber leider, dass die Wichtigkeit immer noch nicht erkannt wurde bzw. verdrängt wird. Denn die Gelder werden gerade im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit immer wieder gekürzt, was die Arbeit ungemein erschwert. 

Fachkräfteportal:  Denken Sie, dass Sie mit Ihrem Migrationshintergrund einen einfacheren Zugang zu diesen Jugendlichen haben?

Naima El-Jaouhari: Für mich ist es sicherlich einfacher, weil ich mich leicht eindenken und vieles gut nachvollziehen kann, zum Beispiel was Sprachbarrieren angeht oder die Herausforderungen, denen die Familien hier in Deutschland begegnen. 

Fachkräfteportal:  Nach deutschen Maßstäben sind Sie ja eine erfolgreiche junge Frau. Sie haben ein akademisches Studium absolviert, haben einen anspruchsvollen Beruf, sprechen perfekt Deutsch. Könnten die Jugendlichen, mit denen Sie arbeiten, das auch als trennend erleben?

Naima El-Jaouhari: Nein, im Gegenteil. Ich glaube, ich habe eher eine Vorbildfunktion für die Jugendlichen.  Diese fehlen oft noch an ganz vielen Schlüsselpositionen. Sie sagen, die Naima ist eine von uns und was die geschafft hat, das können wir auch.

Fachkräfteportal:  Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut vorbereitet für Ihren Beruf?

Naima El-Jaouhari: Jein. Mir hat im Studium immer ein bisschen der Praxisbezug gefehlt. An der Hochschule liegt der Schwerpunkt doch auf der Vermittlung von Theorie. Vieles wird auch nur angerissen. Es fehlt die Zeit, etwas mehr in die Tiefe zu gehen. Zudem war es bei mir so, dass es so viele Studenten gab, dass man die Module gar nicht nach Interesse, sondern nach freien Plätzen wählen musste. Da ich in der Regelstudienzeit fertig werden wollte, musste ich dann teilweise Sachen belegen, die mich gar nicht so interessiert haben. Thematisch kommt für mich auch dieser interkulturelle und interreligiöse Bereich zu kurz. 

Fachkräfteportal: Wo sehen Sie in Ihrer Tätigkeit Schwierigkeiten und Hindernisse?

Naima El-Jaouhari: Die Wege sind bei uns zuweilen sehr zäh. Man hat manchmal das Bedürfnis, spontan auf ein Problem in der Praxis zu reagieren und hat auch eine Idee, wie etwas verändert werden könnte. Das muss dann aber auf ganz vielen verschiedenen Ebenen erst mal abgestimmt, erklärt und abgesegnet werden. Diese Bürokratie ist schon manchmal sehr anstrengend und hinderlich. Wir haben jetzt zum Beispiel im Rahmen des Projektes festgestellt, wie wichtig das gemeinsame Essen in einer interkulturellen Gruppe ist, um Hemmschwellen abzubauen und Gemeinsamkeit herzustellen. Dafür sollte im Budget Geld da sein. Das ist aber einem Menschen aus der Verwaltung gar nicht so leicht klar zu machen. Das verlangt dann viel Schriftverkehr.  Dieses Phänomen spiegelt sich auch auf höherer Ebene wieder, die Leute, die die verschiedenen Stellen besetzten, haben kaum bis gar keinen Bezug zu der Realität, über die sie letzten Endes aber entscheiden. Da klaffen Theorie und Praxis oft weit auseinander.

Fachkräfteportal: Wie empfinden Sie Ihre Arbeit von der Gesellschaft wertgeschätzt?

Naima El-Jaouhari: Das kann man ja schon an der Bezahlung festmachen, dass sie nicht besonders wertgeschätzt wird. Aber das hat für mich keine Rolle gespielt. Ich möchte etwas für die Gesellschaft leisten und das, was ich von den Menschen, mit denen ich arbeite, wieder bekomme, kann man mit Geld nicht aufwiegen. Dennoch wäre sicher vieles mehr möglich, wenn man die Prioritäten verschieben würde.

Fachkräfteportal: Wo möchten Sie beruflich in zehn Jahren stehen?

Naima El-Jaouhari: Da bin ich selber noch ein bisschen auf der Suche. Für mich ist es wichtig, das Gefühl zu haben, Kindern und Jugendlichen etwas auf einem Lebensabschnitt mitgeben zu können. Ich möchte aber auch das System und die Strukturen mitgestalten, die sich auf Kinder- und Jugendliche auswirken. Ich möchte jetzt ganz viel praktische Erfahrung an der Basis machen, die ich später vielleicht für etwas anderes nutzen kann, in welcher Form auch immer. Ich könnte mir auch eine lehrende Funktion vorstellen zum Beispiel an einer Fachhochschule, wo ich das Gefühl habe, dass „meine“ Themen zu wenig vertreten sind. Aber auch eine Tätigkeit im Jugendamt wäre vorstellbar. Es gibt viele Einblicke, die ich heute habe, von denen Andere überhaupt gar kein Bild haben können und dementsprechend in ihrer Arbeit auch nicht berücksichtigen können.

Fachkräfteportal: Wir haben ja eine junge Familienministerin zurzeit, von der man sich frische Impulse und neuen Wind erhoffen kann. Was wünschen Sie sich von ihr?

Naima El-Jaouhari: Es freut mich zu sehen, dass auch die jüngeren Generationen in solche Positionen rücken. Ich bin natürlich etwas vorbelastet, weil ich selbst aus dem Bereich komme, aber ich denke, Familien aus schwachen sozialen Milieus müssten viel mehr in den Fokus gerückt werden. Hier müsste mehr in die präventive Arbeit investiert werden. Die Kinder und Jugendlichen müssen hier viel stemmen und aushalten in der Verantwortung für ihre Familien. Das sollten sie in ihren jungen Jahren nicht leisten müssen. Hier bräuchte es mehr Unterstützung, damit Kinder und Jugendliche entlastet werden und sich beispielsweise mehr auf Schule und Ausbildung konzentrieren könnten. Auch hier fehlt oft der Einblick in die realen Verhältnisse der Jugendlichen und ihren Familien und somit der weite Blickwinkel, der den tatsächlichen Bedarf einholen kann, um dann entsprechend darauf zu reagieren.

Fachkräfteportal: Vielen Dank für das Gespräch!

Mehr Informationen über die Arbeit der RAA finden Sie <link http: www.essen.de raa _blank external-link-new-window external link in new>hier.

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