Modellprojekt

Digital Streetwork – Dort sein, wo junge Menschen sind

Unterstützungsangebote der Jugendarbeit und Jugendhilfe sind jetzt auch auf Social Media und Gaming-Plattformen präsent. Mit dem in Deutschland bislang einmaligen Modellprojekt „Digital Streetwork“ geht Bayern innovative Wege und damit Vorreiter:in in der Digitalisierung der Jugendarbeit.

27.06.2022

Um jungen Menschen und ihren Lebenswelten besser gerecht zu werden, sind Streetworker:innen im Projekt „Digital Streetwork“ jetzt auch auf Gaming- und Social Media-Plattformen erreichbar. Die Anonymität der Online-Welt senkt die Hemmschwelle für Kontaktaufnahme und Gespräche. Außerdem funktioniert die digitale Kommunikation unkompliziert und ohne Termine. Ein Angebot, das von Beginn an stark nachgefragt wurde.

Das Projekt startete während der Pandemie-Kontaktbeschränkungen im September 2021: Als sich öffentliche Orte und Straßen wieder leerten, verlagerte sich der Treffpunkt vieler Jugendlicher noch stärker als bisher ins Netz. Eine Entwicklung, die der Bayerische Jugendring (BJR) mit seinem Beratungsangebot mitging: Das Konzept, junge Menschen von 14 bis 27 Jahren in digitalen Lebenswelten zu erreichen, ging auf.

Heute sind 14 Streetworker:innen u.a. auf Discord, Instagram, Twitch, WhatsApp, TikTok und Reddit mit ihren persönlichen Profilen präsent. Da jeder persönliche Account ein Profilbild zeigt, ist sofort erkennbar, dass keine Behörde, sondern ein Mensch hinter dem Account steckt. Zugleich haben Beratungssuchende die Möglichkeit, sich in Chats anonym und kostenlos auszutauschen. Das gilt auch für den Onlinedienst Discord, der Gespräche in geschlossenen digitalen Räumen ermöglicht. Bis heute ist es der meistgenutzte Kanal des Projekts. Ziel ist, eine vertrauliche Basis zur Kommunikation und Information zur Verfügung zu stellen. Dazu gehört, dass die Streetworker:innen der Schweigepflicht unterliegen.

So funktioniert die Beratung

Der Erstkontakt erfolgt in der Regel von Seiten der Streetworker:innen. Sie sind präsent; manchmal nur, um zu plaudern. Aber sie sprechen auch gezielt an, wenn etwas geäußert wird, das Beratungsbedarf signalisiert. Die Themen sind vielfältig: Oft geht es um die psychische Gesundheit, um Zukunftsängste, soziale Isolation, Fragen der Sexualität, um allgemeine Lebensbewältigung, auch um handfeste juristische Fragen. Vor allem die Corona-Maßnahmen mit Kontaktsperren und monatelangem Distanz-Unterricht an Schulen und Universitäten haben zu einem erhöhten Beratungsbedarf bei jungen Menschen geführt, die sich einsam und verunsichert fühlen.

Die digitalen Unterstützer sind keine Fachberatung, begleiten online und telefonisch jedoch zu Stellen, die weiterhelfen können. Ihr Wissen über Unterstützungsangebote in der analogen Welt gehört ebenso zum Handwerkszeug, wie ihr persönliches Netzwerk. So können sie zum Beispiel bei Problemen, die juristische Fragen aufwerfen, an eine anonyme und kostenlose juristische Erstberatung durch eine ehrenamtlich tätige Rechtsanwältin vermitteln.

Erste Erfolge in kurzer Zeit

Im Laufe des Projekts hat eine Vielzahl von Kontakten, Beratungsgesprächen und persönlichen Treffen stattgefunden. In den ersten drei Monaten des Jahres 2022 kamen rund 2.500 Erstkontakte zustande, von denen rund 1.000 Personen intensiver unterstützt und 250 in Einzelfallhilfe betreut wurden. Zudem konnten in 27 Kontakten Beratungssuchende schneller und effizienter als bisher zu Hilfseinrichtungen und jugendrelevanten Organisationen weitervermittelt werden. Durch Kooperationen mit Institutionen und sozialen Einrichtungen vor Ort wird das Beratungsangebot für junge Menschen permanent verbessert. Das JFF - Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis begleitet das Projekt wissenschaftlich und berät die Digitalen Streetworker:innen zu allen medialen Themen und Fragestellungen.

BJR-Präsident Matthias Fack ist überzeugt, dass das Modellprojekt einen Sprung in die Zukunft darstellt: „Wer die Lebenswelten junger Menschen kennt und akzeptiert, muss mit seinen Hilfsangeboten auch online präsent sein. In Zusammenarbeit mit den etablierten Strukturen der analogen Welt trägt Digital Streetwork zu einer umfassenderen Unterstützung von Kindern und Jugendlichen bei. Deshalb bin ich der Bayerischen Staatsregierung sehr dankbar, dass Jugendministerin Ulrike Scharf uns bei dieser Pionierarbeit von Anfang an finanziell und ideell unterstützt hat. Ich gehe davon aus, dass wir mit unserem Projekt eine zeitgemäße Ergänzung der klassischen Streetwork als aufsuchende Arbeit entwickeln, die in Zukunft aus der Jugendhilfe und Jugendarbeit nicht mehr wegzudenken sein wird.“

Unterstützung durch Bayerisches Jugendministerium 

Digital Streetwork ist ein Baustein des vom Ministerrat beschlossenen Konzepts zur außer- schulischen Unterstützung von Kindern und Jugendlichen in der Corona-Pandemie und wird als Bestandteil des Bayerischen Aktionsplans Jugend durch das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales für die Projektlaufzeit bis Ende 2022 mit bis zu 3,5 Mio. Euro gefördert. Nach einer Zwischenevaluation durch das Bayerische Jugendministerium wird entschieden, ob Digital Streetwork auch in Zukunft weitergeführt wird. Bisher ist das Angebot in seinem umfassenden Ansatz deutschlandweit einzigartig.

Quelle: Bayerischer Jugendring vom 21.06.2022

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