Flucht und Migration
Deutscher Bundestag: Umsetzung von Kinderrechten in geplanten Anker-Einrichtungen
![Ein kleines grimmig schauendes Kind steht vor einem Bett Ein kleines grimmig schauendes Kind steht vor einem Bett](/fileadmin/_processed_/3/0/csm_k-198-chim-0321_9a69bfe4ae.jpg)
Wie die Bundesregierung in ihrer Anwort auf eine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ausführt, hat die Einrichtung Anker-Zentren "zum Ziel, die Asylverfahren effizienter zu machen und gleichzeitig eine hochwertige Antragsbearbeitung mit Asylverfahrensberatung zu gewährleisten". Bezüglich der psychosozialen Unterstützung geflüchteter Kinder und ihrer Familien verweist die Regierung auf die Unterstützungsangebote der an die Wohlfahrtsverbände angeschlossenen oder verbundenen Folteropferzentren.
25.07.2018
Um die sogenannten Anker-Zentren für Asylbewerber geht es in der Antwort der Bundesregierung (Drucksache 19/3354, PDF, 102 KB) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (Drucksache 19/2902, PDF, 156 KB). Wie die Bundesregierung darin ausführt, hat die Einrichtung solcher Zentren "zum Ziel, die Asylverfahren effizienter zu machen und gleichzeitig eine hochwertige Antragsbearbeitung mit Asylverfahrensberatung zu gewährleisten". Hierfür sollten möglichst alle Funktionalitäten des Flüchtlingsmanagements an einem Ort gebündelt werden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Bundesagentur für Arbeit, Jugendämter, Justiz, Ausländerbehörden und andere arbeiteten in den Anker-Einrichtungen "Hand in Hand".
Aus diesen Einrichtungen sollen den Angaben zufolge "grundsätzlich nur diejenigen auf die Kommunen verteilt werden, deren Schutzberechtigung festgestellt wurde". Alle anderen sollten, wenn in angemessener Zeit möglich, aus diesen Einrichtungen in ihre Heimatländer zurückgeführt werden, wenn sie nicht freiwillig zurückkehren. Die Aufenthaltszeit in den Anker-Einrichtungen solle in der Regel 18 Monate nicht überschreiten, bei Familien mit minderjährigen Kindern in der Regel sechs Monate.
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verweist auf UN-Kinderrechtskonvention
Auch geflüchtete Heranwachsende – begleitete Kinder und Jugendliche mit ihren Familien sowie unbegleitete junge Menschen – sollen in AnkER-Zentren untergebracht werden, bis ihre Bleibeperspektive, Identität, wie auch ihr Alter geklärt sind. In ihrer Anfrage weist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen darauf hin, dass sich Deutschland als Mitgliedstaat der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 sowie als Mitglied der EU und des Europarats verpflichtet hat, bei allen politischen Entscheidungen und Maßnahmen, die Kinder betreffen, das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen. Mehrere empirische Studien haben jedoch nachgewiesen, dass die Unterbringung von minderjährigen Geflüchteten in Massenunterkünften für die kindliche Entwicklung in vielfacher Weise nicht förderlich ist (siehe z.B.: Save the Children „Zukunft! Von Anfang an. Die Umsetzung von Kinderrechten in Unterkünften für geflüchtete Menschen in Deutschland“ (2018); UNICEF „Kindheit im Wartezustand“ (2017); Institut für Innovation und Beratung an der Evangelischen Hochschule Berlin/Institut für den Situationsansatz in der Internationalen Akademie Berlin „Alltagserleben von jungen Kindern in Unterkünften für geflüchtete Menschen“ (2016/2017)). Diese Studien haben gravierende Mängel bei der Umsetzung der Rechte von geflüchteten Kindern in Erstaufnahme-, Not- und Gemeinschaftsunterkünften festgestellt. Vor allem das Recht auf Schutz, das Recht auf Gesundheit, das Recht auf Bildung, das Recht auf Privatsphäre sowie Beteiligungsrechte werden verletzt. Zwar beabsichtigt die Bundesregierung laut dem Koalitionsvertrag, eine jugendgerechte Unterbringung in AnkER-Zentren zu gewährleisten. Nähere Details, wie genau die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen kinderrechtsbasiert ausgestaltet werden soll, sind bisher aber nicht bekannt. Gleichzeitig kündigt das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat an, mit der Pilotphase spätestens im Herbst 2018 zu beginnen.
Psychosoziale Unterstützung geflüchteter Kindern und ihrer Familien
In der Antwort der Bundesregierung heißt es z.B. zur Frage nach der Planung und Finanzierung von Stellen (psychosoziale Zentren, Behandlungszentren u.a.) für die psychosoziale Unterstützung geflüchteter Kindern und ihrer Familien:
Aus dem Haushaltstitel „Zuschüsse an Wohlfahrtsverbände und andere zentrale Organisationen für die Beratung und Betreuung von Flüchtlingen und Auswanderern“ des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) leistet die Bundesregierung ergänzende personelle und sächliche Unterstützung an den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege angeschlossene oder verbundene Folteropferzentren. Die Bedarfsermittlung und Antragstellung erfolgt über die Freien Wohlfahrtsverbände. Die Bundesregierung achtet auf eine ausgewogene Beteiligung von Folteropferzentren in der gesamten Bundesrepublik. In den Jahren seit 2016 sind über die Verbände Jahresanträge für rund 45 bis 50 Folteropferzentren gestellt worden. Die jährliche Gesamtfördersumme beträgt rund 6 Millionen Euro. Allein im Jahr 2016 profitierten rund 31.000 Personen direkt oder indirekt von der wichtigen Arbeit dieser Folteropferzentren.
Dabei kommt insbesondere dem Wohlergehen von Kindern, Jugendlichen und Frauen eine herausragende Bedeutung zu. Für diese Zielgruppen wurden vielfach gesonderte Angebote entwickelt, wie z.B. Psychodramagruppen für geflüchtete Kinder, Gruppenangebote zu den Themen Aggression, Wut und Angst für Jugendliche oder an die Bedürfnisse von durch Gewalterfahrungen traumatisierter Frauen angepasste Angebote zu ihrem Empowerment. Etwa 30 Prozent der im Jahr 2016 unmittelbar erreichten Personen waren Kinder und Jugendliche, etwa 45 Prozent der Klientinnen und Klienten waren Frauen.
Kinder und Jugendliche, die mit ihren Eltern eingereist sind, verbleiben laut Koalitionsvertrag in der Regel für max. sechs Monate in den AnkER-Zentren. Unbegleitete Minderjährige werden, wie bisher, von den Jugendbehörden in Obhut genommen. Da die AnkER-Zentren an bestehende und bewährte Strukturen (z.B. der Ankunftszentren) anknüpfen, sieht die Bundesregierung keine Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt in den AnkER-Zentren zu einer psychischen Belastung führt.
Wie es in der Antwort weiter heißt, haben "einige Bundesländer (beispielsweise die Freistaaten Bayern und Sachsen)" bereits zugesagt, gemeinsam mit der Bundesregierung bestehende Einrichtungen in ihren Ländern, die bereits Elemente der zukünftigen Anker-Einrichtung in sich tragen, weiterzuentwickeln. Mit anderen Bundesländern befinde sich das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat noch in Gesprächen.
Quelle: Deutscher Bundestag, hib – heute im bundestag Nr. 542 vom 24.07.2018
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