Bildungspolitik

BLLV-Präsident Wenzel hinterfragt die Aussagekraft von Zeugnissen

Wenzel, Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), appellierte an den Kultusminister, den Wert von Zeugnissen kritisch zu hinterfragen: "Sie sagen wenig aus über Kompetenzen, Einstellungen oder Wertevorstellungen eines Schülers, sie geben lediglich Auskunft darüber, wie gut er abrufbares Faktenwissen auswendig gelernt hat."

27.07.2012

Die Zeugnisvergabe ist für die meisten Schüler ein Grund zu feiern, aber leider nicht für alle. Viele Kinder und Jugendliche haben Angst vor schlechten Noten und vor der Reaktion ihrer Eltern. Der BLLV schätzt, dass auch dieses Jahr mindestens 30.000 Schüler das Klassenziel nicht erreichen und fordert erneut Maßnahmen zur individuellen und gezielten Förderung aller jungen Menschen.

Wenzel empfiehlt allen Eltern, trotz des enormen Drucks gelassen mit dem Zeugnis umzugehen und Schüler keinesfalls für schlechte Noten zu bestrafen. Wenig sinnvoll sei es auch, die Ferien mit Nachhilfe voll zu stopfen, um das Versäumte schnell nachzuholen. "Die Erholungspause muss mindestens drei bis vier Wochen andauern, sie sollte auch nicht unterbrochen werden. Gegen Ende der Ferien könne freie Zeit zum Wiederholen und Lernen genutzt werden. Leider hätten private Nachhilfeinstitute gerade während der Sommerferien großen Zulauf. "Das ist eine alarmierende Entwicklung", sagte Wenzel. "Sie zeigt, wie groß der Druck ist, der auf den Familien lastet, und sie zeigt, wie ungerecht das Bildungssystem ist." Denn: Nachhilfe sei kostenintensiv. Nicht jeder könne sie sich leisten.

"Wir beobachten mit großer Sorge, dass bereits Grundschulkinder nicht mehr zur Ruhe kommen. Immer öfter berichten Lehrerinnen und Lehrer, dass die Schüler während der Ferien lediglich den Schreibtisch wechseln. Auf sie wartet ein sorgfältig ausgearbeitetes Lernprogramm, das sie abarbeiten müssen. Vor allem, wenn es auf den Übertritt zu geht, sind Kinder extrem gefordert. Gerade junge Menschen brauchen Erholung und Ruhe", mahnte der BLLV-Präsident.

Der Zeugnistag dürfe kein Tag sein, vor dem Schüler Angst haben. "Bei Versagen helfen Vorwürfe und Drohungen nicht weiter. Viel besser seien Aufmunterung und unterstützende Signale. "Am sinnvollsten ist es freilich, wenn Eltern ihren Nachwuchs schon während des laufenden Schuljahres aktiv begleiten. Überraschungen am Zeugnistag sind dann ausgeschlossen, außerdem kann im Bedarfsfall rechtzeitig interveniert werden."

Gute Leistungen sollten nicht einfach hingenommen werden. "Kinder und Jugendliche wollen gelobt werden - das ist nachvollziehbar und verständlich", betonte Wenzel. Die Schule verlange ihnen viel ab und wenn sie erfolgreich seien, sollten ihre Eltern zeigen, dass sie sich darüber freuen. "Liebe, Zuneigung und Vertrauen dürfen aber keinesfalls von Noten abhängig gemacht werden."

"Schule im Jahr 2012 ist alles andere als einfach. Sie stellt für alle am Schulleben Beteiligten eine große Belastung dar." Nicht nur Schüler seien gegen Ende eines Schuljahres erschöpft, auch viele Lehrerinnen und Lehrer. "Sie haben ein Schuljahr hinter sich gebracht, in dem es vorrangig darum ging, den Mangel zu verwalten und wenigstens die Unterrichtsversorgung einigermaßen aufrecht zu erhalten. Und sie haben erneut feststellen müssen, dass die Ressourcen für individuelle und gezielte Förderung ihrer Schüler nicht ausreichen und ihre pädagogischen Ideale in der Realität keinen Bestand haben. Das zehrt an den Nerven und kostet Kraft."

Wenzel versprach, sich auch im kommenden Schuljahr für konstruktive Veränderungen im bayerischen Bildungswesen einzusetzen: "An den Schulen muss sich ein neues Lern- und Leistungsverständnis etablieren, die Selektion mit allen negativen Konsequenzen muss überwunden werden, Schulen müssen sich zu attraktiven Lern- und Lebensorten entwickeln, die von Schülern und Lehrern gerne aufgesucht werden."

Quelle: Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) e.V. vom 27.07.2012

Redaktion: Kerstin Boller

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