Gestärkt aus der Coronakrise
An welchen Stellen Deutschland jetzt nachbessern muss
Die Ampelkoalition startet angesichts außer Kontrolle geratener Corona-Zahlen im Krisenmodus. Da hilft eine Bestandsaufnahme. Was ist bisher gut gelaufen, wo ist Verbesserungsbedarf? Die internationale Untersuchung der Bertelsmann Stiftung zur Krisenresilienz von 29 OECD- und EU-Staaten in den Bereichen Demokratie, Staat und Verwaltung, Wirtschaft und soziale Sicherungssysteme in der Corona-Pandemie zeigt: Deutschland ist im Vergleich durchaus gut aufgestellt. Allerdings ist ein Neustart bei Digitalisierung und Krisenvorsorge überfällig.
13.12.2021
Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland bei der Organisation seines politischen Krisenmanagements im ersten Jahr der Pandemie insgesamt gut ab. Die Bundesrepublik belegt den 5. Platz hinter Neuseeland, Südkorea, Schweden und Dänemark. Auch dank der vergleichsweise großen Krisenfestigkeit seiner Wirtschaftspolitik (Rang 1) und seiner sozialen Sicherungssysteme (Rang 5) ist Deutschland fest in der Spitzengruppe der Industriestaaten etabliert.
Im Gegensatz zu Staaten, in denen bereits vor der Coronakrise demokratische Institutionen erheblich unter Druck geraten sind, hat sich die Demokratie in Deutschland auch in der Krise als vergleichsweise robust erwiesen. Bei dieser Frage belegt Deutschland zusammen mit Portugal den 6. Platz. Die Coronakrise hat gerade im öffentlichen Sektor aber auch erheblichen Nachbesserungsbedarf zutage gefördert.
„Die Politik muss schnell die Weichen für eine verbesserte Krisenvorsorge und digitalen Aufbruch in Staat und Verwaltung stellen, um gestärkt aus dieser Krise hervorzugehen," so Christof Schiller, Studienautor und Governance-Experte der Bertelsmann Stiftung.
Das sind die Ergebnisse einer Sondererhebung der Sustainable Governance Indicators (SGI) zur Coronakrise. In der Studie wurden 29 OECD- und EU-Staaten in Bezug auf die Organisation ihres politisch-administrativen Krisenmanagements, die Funktion demokratischer Kontrollmechanismen sowie die Krisenanfälligkeit und -reaktion in der Wirtschafts- und Sozialpolitik bewertet.
Weitere Weichenstellungen für nachhaltige Krisenerholung wichtig
Dank zuletzt sehr positiver Beschäftigungsbilanz, gut ausgebauten Kurzarbeiterregelungen, soliden Staatsfinanzen und seines starken Gesundheitssystems startete Deutschland unter deutlich günstigeren Vorzeichen in die Pandemie als viele andere Staaten. Der Politikkoordination der Krisenmaßnahmen in Deutschland selbst kam die vergleichsweise starke Kompromissfähigkeit aller zentralen demokratischen Akteure und die enge wissenschaftliche Begleitung zugute. Im weiteren Prozess fehlte es dann allerdings an einer koordinierten Vorgehensweise. Positiv ist, dass Deutschland wie Schweden bereits im ersten Pandemiejahr begonnen hat, die Hilfsprogramme auch an Umwelt- und Nachhaltigkeitszielen auszurichten. Sollen die Staaten gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, müssen allerdings noch deutlich ambitioniertere Schritte bei der Transformation hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise folgen. „In der Bundesrepublik wie in allen Staaten wird es nun zudem darauf ankommen, die Krisenvorsorgearchitektur insgesamt zu stärken und mit klaren Verantwortlichkeiten und eingeübten Abstimmungswegen auszustatten", sagt Christof Schiller.
Länder mit Pandemie-Vorerfahrung im Vorsprung
Länder wie Südkorea, die bereits über Vorerfahrungen mit der MERS-Pandemie verfügten, haben hier einen deutlichen Vorsprung. Es braucht zudem vorausschauende Politikansätze und eine verbesserte Datenkompetenz seitens der Regierung, um Zielkonflikte gemeinsam mit zentralen Stakeholdern aufzudecken und effektiv bearbeiten zu können. Gerade in Neuseeland profitierte das Krisenmanagement von der schnellen Verfügbarkeit von Echtzeit-Modellierungen des Pandemiegeschehens, deren Bedeutung schnell für die Bürger übersetzt wurden. Neben Neuseeland verfügten auch die Niederlande, Dänemark und Südkorea über eine sehr gut ausgebaute Informations- und Dateninfrastruktur zum kontinuierlichen Monitoring der Folgen der Pandemie.
Schulsystem in Deutschland ist besonders krisenanfällig
Stark verbessert gegenüber dem Vorkrisenzeitraum zeigt sich Griechenland, das in der internationalen Vergleichsstudie gute Noten für seine nationale Politikkoordination und die Einbindung wissenschaftlicher Expertise in den Politik-Erarbeitungs-Prozess erhalten hat. Das Schulsystem in Deutschland ist besonders krisenanfällig. Insgesamt hat die schleppende digitale Transformation in Deutschlands öffentlichem Sektor die Bewältigung der Krise deutlich erschwert. Mit Blick auf die Krisenanfälligkeit des Schulsystems belegt Deutschland beispielsweise lediglich den 15. Platz. „Im Bildungsbereich muss es jetzt darum gehen, den Schaden zu begrenzen, den die Schulschließungen für die Chancen insbesondere von Kindern aus sozial benachteiligten Familien angerichtet haben", so Thorsten Hellmann, Wirtschaftsexperte und Studienautor.
Eine Kurzfassung der Pressemitteilung gibt es zum Download auf den Seiten der Bertelsmann Stiftung.
Quelle: Bertelsmann Stiftung vom 10.12.2021
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