Kinder- und Jugendarmut

Forderungen nach zügiger und bedarfsgerechter Umsetzung der Kindergrundsicherung

Ein klares Signal der Bundesregierung an die junge Generation fordert das Bundesjugendkuratorium: Die Kindergrundsicherung finanziell absichern und junge Menschen an der politischen Ausgestaltung beteiligen. In einem gemeinsamen Aufruf der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) sprechen sich die Spitzenverbände dafür aus, dass die im Koalitionsvertrag angekündigte Kindergrundsicherung schnell umgesetzt wird und erwarten von der Bundesregierung, das dafür benötigte Geld in den Bundeshaushalt einzustellen. Auch die in der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen e.V. (AGF) zusammengeschlossenen Familienverbände fordern die Kindergrundsicherung finanziell so auszustatten, dass sie einen dauerhaften Schutz der Kinder vor Armut sicherstellt.

07.03.2023

Appell des Bundesjugendkuratoriums

Viele junge Menschen erfahren in unserer Gesellschaft, was es bedeutet in Armut aufzuwachsen, äußert sich das Bundesjugendkuratorium (BJK). Die Kindergrundsicherung sei eine Investition in die junge Generation als Zukunftssicherung und ein Beitrag zur Gerechtigkeit zwischen den Generationen. In einem Appell (PDF; 183 KB) fordert das von der Bundesregierung eingesetzte Sachverständigengremium, die Kindergrundsicherung finanziell abzusichern und junge Menschen an der politischen Ausgestaltung zu beteiligen. Im Appell heißt es unter anderem:

„Das Bundesjugendkuratorium hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren intensiv mit der Chancengerechtigkeit von jungen Menschen in unserer Gesellschaft und der Kinder- und Jugendarmut z.B. im Rahmen der Digitalisierung oder Covid-19-Pandemie auseinandergesetzt. Immer wieder wurde darauf hingewiesen, dass die Bekämpfung der Kinder- und Ju-gendarmut eine gesamtgesellschaftliche und politisch eine ressortübergreifende Aufgabe ist. Mit der Einführung der Kindergrundsicherung würde es zu einem Paradigmenwechsel kommen, da bestehende Leistungen für junge Menschen in einer einheitlichen Leistung zusammengefasst werden würden. Die Gegenwart und Zukunft der jungen Generation werden in allen Ministerien und auf allen politischen Ebenen gestaltet.“

Das Bundesjugendkuratorium fordert die Bundesregierung ressortübergreifend auf, die jungen Menschen an der Ausgestaltung der Kindergrundsicherung insbesondere bei einer Neuberechnung der kindlichen Bedarfe zu beteiligen sowie die rechtlichen, organisationalen und finanziellen Bedingungen zu schaffen, damit eine Kindergrundsicherung verwirklicht wird, die bei den jungen Menschen ankommt und die Teilhabechancen vieler junger Menschen deutlich verbessert. Es könnte demnach ein politischer Aufbruch zur Verbesserung der Chancengerechtigkeit und Teilhabechancen junger Menschen sein und eine Antwort auf die seit vielen Jahren – und viel zu lange – geführte politische Diskussion um Kinder- und Jugendarmut in Deutschland. Es wäre ein klares Signal der Bundesregierung an die junge Generation, dass sie mit ihren Anliegen anerkannt und beteiligt wird.

Freie Wohlfahrtspflege: Kinderarmut endgültig beseitigen

Jedes fünfte Kind ist in Deutschland von Armut bedroht oder wächst unter Armutsbedingungen auf. Insbesondere betrifft dies Kinder und Jugendliche aus
Haushalten von Alleinerziehenden oder aus Familien mit mehr als zwei Kindern. Die Folgen für das Aufwachsen und das spätere Leben sind gravierend. Die im Koalitionsvertrag angekündigte Kindergrundsicherung sei nicht nur die zentrale sozialpolitische Reform der aktuellen Bundesregierung, sie stelle neben der guten und qualitativ hochwertigen Bildung und Betreuung auch einen wesentlichen Baustein dar, um Kinderarmut endgültig zu beseitigen, heißt es von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege.

Michael Groß, Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW), fordert daher:

„In unseren Einrichtungen und Diensten erleben wir jeden Tag, was es bedeutet, wenn Kinder und Jugendliche in Armut aufwachsen. Sie haben schlechtere Bildungschancen, sind gesundheitlich gefährdeter als nicht arme Kinder und sind von vielen Freizeitangeboten ausgeschlossen. Die Kindergrundsicherung muss daher dringend umgesetzt werden. Dafür ist es unabdingbar, dass die dafür notwendigen Finanzmittel ab dem kommenden Bundeshaushalt bereitgestellt werden.“

Bedarfsgerechte Ausgestaltung der Kindergrundsicherung nötig

Zur inhaltlichen Gestaltung der Kindergrundsicherung betonte Groß weiter, dass die Bundesarbeitsgemeinschaft erwarte, dass die Kindergrundsicherung alle wesentlichen sozialstaatlichen Leistungen für Kinder und Jugendliche wie Kindergeld, Kinderzuschlag, Bürgergeld, Teile aus dem Bildungs- und Teilhabepaket sowie die Kinder-relevanten Teile aus dem Asylbewerberleistungsgesetz zusammenfasse, den Zugang deutlich vereinfache und hierfür auch digitale Zugänge konsequent nutzte. Möglichst schnell solle zudem eine systematische Kopplung mit den Kinderfreibeträgen im Steuerrecht erfolgen.

Auch die Verbände der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen e.V. (AGF) unterstreichen, dass sich der Erfolg der Kindergrundsicherung an den durch das Familienministerium selbst aufgestellten Kriterien messen lassen müsse. Dazu zähle auch, dass ein großer Teil der kinderbezogenen Familienleistungen zusammengeführt werde, dass die Familien mit Unterstützungsbedarf auch wirklich erreicht werden – und zwar sowohl unbürokratisch als auch verlässlich – und dass die Schnittstellen zum Sozial-, Steuer und Unterhaltsrecht gut ineinandergreife, ohne dass Schlechterstellungen beispielsweise für Kinder von Alleinerziehenden eintreten. Die Bündelung von familienpolitischen Leistungen und der Abbau von Barrieren bei deren Inanspruchnahme seien zwar wichtige Bestandteile der Kindergrundsicherung, sie würden aber bei weitem nicht ausreichen, heißt es von der AGF.

Neuabmessung des kindlichen Existenzminimums als Grundlage der Kindergrundsicherung

Grundlage für die maximale Höhe der Kindergrundsicherung müsse die im Koalitionsvertrag angekündigte Neubemessung des Existenzminimums für Kinder und Jugendliche sein, heißt es seitens der BAGFW. Zudem müsse die Leistung möglichst einfach und unbürokratisch ausgestaltet werden, denn die Unterstützung sei nur dann ein Erfolg, wenn sie alle Kinder und Jugendlichen erreiche, die diese brauchen.

Die Verbände der AGF betonen, dass für sie eine Neuberechnung des kindlichen Existenzminimums zur Kindergrundsicherung gehöre, die auch den Bedarf für Bildung und Teilhabe einschließe und eine ausreichende gesellschaftliche Teilhabe für alle Kinder und Jugendlichen ermöglichte. Diese Neuberechnung müsse transparenter werden, einer empirisch fundierten und in sich schlüssigen Logik folgen und einen Dynamisierungsautomatismus beinhalten. Die bisherige unsystematische Kombination von statistischem Modell und Warenkorblogik mit den damit verbundenen und zum Teil willkürlichen Streichungen von als „nicht regelsatzrelevant“ eingestuften Kosten dürfe nicht in die Kindergrundsicherung übertragen werden. „Außerdem muss die Höhe des Garantiebetrags der Kindergrundsicherung der maximalen Wirkung des steuerlichen Kinderfreibetrages entsprechen“, so Dr. Klaus Zeh, Vorsitzender der AGF.

Zudem stellt Dr. Zeh fest:

„Den Namen Kindergrundsicherung verdient nur eine Reform, die auch wirklich zu einer Verbesserung der Situation von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien führt. Versuche, die als Minimum bereits in der Diskussion stehenden Haushaltsmittel noch weiter zu reduzieren und sich auf eine Umetikettierung bereits existierender Leistungen zu beschränken, werden das Problem der Kinderarmut nicht ansatzweise lösen.“

Kindergrundsicherung als Investition in die Zukunft

Wie auch die BAGFW heben die Familienorganisationen insgesamt hervor, dass eine den Notwendigkeiten entsprechend finanziell sehr gut ausgestaltete Kindergrundsicherung ein zentraler Baustein zur Bekämpfung von Familienarmut sein könne. Zusätzlich bedürfe es aber einer familienpolitischen Gesamtstrategie um die Teilhabe von Kindern zu ermöglichen und Armutsspiralen zu durchbrechen. Dazu würden unter anderem eine familiengerechte Infrastruktur und gleichberechtige Zugänge zu Bildung, Betreuung und Gesundheit, gehören.

„Die Bereitstellung der notwendigen Mittel dazu bedeutet eine Investition in die Zukunft unserer Kinder und unseres Landes. Deutschland ist reich genug, um mit einer starken Kindergrundsicherung – als Teil einer umfassenden Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Familienarmut – Kindern die Auswirkungen von früher Armut und Ausgrenzung zu ersparen“, erklärte Dr. Zeh.

Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege vom 02.03.2023 und Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen e.V. vom 03.03.2023 und Bundesjugendkuratorium vom 06.03.2023

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