Kinder- und Jugendarbeit
Wertebildung in Jugendarbeit, Schule und Kommune
„Werte? Wir haben ganz andere Probleme als uns mit Werten zu befassen. Unser Projekt läuft demnächst aus.“ Solche und ähnliche Antworten erhielten die Forscher der Universität Potsdam, als sie nach „Werteprojekten“ im Land Brandenburg fahndeten.
10.12.2010
Die Ergebnisse der Recherchen sind nun in einer Studie zusammengefasst, die Brandenburgs Bildungsminister Holger Rupprecht am 10. Dezember gemeinsam mit den Herausgebern Prof. Wilfried Schubarth von der Universität Potsdam und Prof. Karsten Speck von der Universität Oldenburg in Potsdam vorgestellt hat.
© VS Verlag
Die Studie, initiiert vom Runden Tisch „Bündnis für Werte in der Erziehung“ und gefördert von der Stiftung „Großes Waisenhaus zu Potsdam“, bilanziert die bundes- und landesweiten Wertedebatten und Wertinitiativen der letzten Jahre und zeigt zugleich Perspektiven für eine zeitgemäße Wertebildung bei Kindern und Jugendlichen auf. „Die Studie gibt unserer Arbeit im landesweiten ‘Bündnis für Werte in der Erziehung‘ neue Impulse und schafft zugleich einen wissenschaftlichen Rahmen. Insbesondere die Potenziale der Wertebildung, wie sie für Schule, Jugendarbeit und Kommune in der Studie aufgezeigt werden, gilt es besser zu nutzen“, so Rupprecht. „Richtungsweisend dabei ist, die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen vor Ort weiter zu fördern.“
Die 22 Beiträge, die in der Studie versammelt sind, verdeutlichen die große Spannbreite der Diskussion um Werte und Wertbildung in Jugendarbeit, Schule und Kommune. Sie reichen von theoretischen und empirischen Analysen zu Wertedebatten und Wertewandel über Partizipation, Demokratielernen, politische Bildung und Jugend(sozial)arbeit bis hin zur Familienbildung und kommunalen Bildungsarbeit. Einen besonderen Schwerpunkt bilden die Ergebnisse eines Praxisforschungsprojekts der Universität Potsdam zum Thema „Wertebildung und Teilhabe von Jugendlichen in ländlichen Regionen Brandenburgs“, das anhand von Recherchen, öffentlichen Wettbewerben und Fallstudien gute „Werteprojekte“ identifiziert hat und zugleich auf Defizite in der wertebildenden Jugendarbeit in den ländlichen Regionen hinweist.
„Damit Jugendarbeit und Schule ihre wertebildenden Potenzen besser nutzen, braucht es entsprechende Fort- und Weiterbildungsangebote“, so Prof. Schubarth, einer der Herausgeber der Studie. „Mittlerweile liegt eine Palette von Konzepten zur Wertebildung vor, angefangen von Dilemmata-Diskussionen über Mediationsmodelle bis zum Werte-Lernen in sozialen Projekten. Aber auch die kritische Reflexion über eigene Werte innerhalb des Pädagogen-Teams ist wichtig. Deshalb richtet sich die Frage der Wertebildung stets auch an die Erwachsenengesellschaft.“
Der laute Ruf nach Werten
Nicht erst die Sarrazin-Debatte hat gezeigt, wie groß offenbar der Bedarf an einer Verständigung über Werte bzw. über „Wertegemeinschaft“ ist. Der verstärkte Ruf nach Werten sei, so die Herausgeber, vor allem eine Reaktion auf eine verunsicherte Gesellschaft, auf Wertwandel und Wertepluralismus und auch Ausdruck einer verstärkten Sinnsuche in einer immer komplexer werdenden Welt. Der Ruf nach Werten darf dabei nicht zu einer Tugenddebatte werden, mit dem die ältere Generation die jüngere unter Druck setzen will und auch nicht zu einer Symboldebatte zur Besänftigung von Wählerklientel. Vielmehr gilt es, den Verständigungsbedarf aufzugreifen und in „geschützten Räumen“ einen vertrauensvollen Dialog über Werte zu führen. Gerade Kinder und Jugendliche „gieren“ nach Werten und sind für ehrliche Diskussionen über Werte aufgeschlossen.
Wertebildung statt Wertevermittlung
Doch Reden über Werte allein ist meist wirkungslos. Werte können nicht einfach durch Reden „vermittelt“ werden. Vielmehr bedarf es einer individuellen Werteaneignung und Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Werteangeboten der Gesellschaft. In diesem Zusammenhang sprechen die Herausgeber – statt von „Wertevermittlung“ – von „Wertebildung“ als eine pädagogisch initiierte Auseinandersetzung mit Werten und deren Reflexion, die das subjektive Erleben und Aneignen von Werten umfasst. Wertebildung verweist sowohl auf die Möglichkeit als auch auf die Notwendigkeit pädagogischer Angebote für die Werteaneignung durch Kinder und Jugendliche. Ziel von Wertebildung ist zum einen das Erlernen von Werturteilsfähigkeit, d.h. der Fähigkeit, Werte beurteilen zu können, und zum anderen die Aneignung moralischer Werthaltungen. Letzteres wird vor allem über demokratische und partizipatorische Strukturen gefördert.
Potenzen der Wertebildung von Schule und Jugendarbeit stärker nutzen
Schule und Jugendarbeit verfügen über eine große Palette von indirekten und direkten Formen der Wertebildung. Während indirekte Formen davon ausgehen, dass die Institution als sozial-kommunikativer Erfahrungsraum wertbildend wirkt, wollen direkte Formen durch gezielte Maßnahmen die Wertebildung beeinflussen. Indirekte Wertebildung erfolgt zum Beispiel über die Vorbildwirkung der Pädagogen und einen wertschätzenden Umgang mit Kindern und Jugendlichen, direkte Wertebildung über spezielle didaktische Ansätze, die nicht nur auf bestimmte Fächer wie Ethik, Religion, Politische Bildung beschränkt, sondern als übergreifende Prinzipien zu verstehen sind, z.B. Wertdiskursmodell, Service learning, Compassion-Konzept u.a. Wie Wertebildungsprozesse gelingen können und welchen Beitrag dazu die verschiedenen Angebote im Rahmen von Jugendarbeit, Schule und Kommune leisten können, wird in der Studie ausführlich dargestellt.
Die Ergebnisse der Studie werden in die Arbeit des landesweiten „Bündnisses für Werte in der Erziehung“ einfließen. Das Land Brandenburg hat mit dem im Jahre 2007 gegründeten Bündnis, das von 34 Institutionen unterzeichnet wurde, die Debatte über Wertebildung neu angestoßen und seitdem zahlreiche Werteinitiativen gefördert.
Bibliografische Informationen:
Hrsg.: Schubarth, Wilfried / Speck, Karsten / Lynen von Berg, Heinz
Wertebildung in Jugendarbeit, Schule und Kommune
Bilanz und Perspektiven
2010. 355 S. Br.
ISBN: 978-3-531-17044-2
Quelle: Ministerium für Jugend, Bildung und Sport des Landes Brandenburg
ik
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