Gesundheit

Vertrauen in Schutzimpfungen für Kinder während Corona-Pandemie in vielen Ländern gesunken

Das Bewusstsein für die Bedeutung von Schutzimpfungen für Kinder ist während der Corona-Pandemie in 52 von 55 untersuchten Ländern gesunken, warnt UNICEF in seinem „Bericht zur Situation der Kinder in der Welt 2023“ zum Thema Impfungen - teilweise um bis zu 44 Prozentpunkte.

24.04.2023

Laut dem Bericht „Impfschutz: Für jedes Kind” verzeichnen die Republik Korea (Südkorea), Papua-Neuguinea, Ghana, Senegal und Japan seit Beginn der Corona-Pandemie einen Rückgang beim Bewusstsein für die Bedeutung von Routineimpfungen um mehr als ein Drittel. China, Indien und Mexiko sind die einzigen im so genannten Vaccine Confidence Project untersuchten Länder, in denen das Bewusstsein für die Bedeutung von Impfungen unverändert blieb oder sich sogar verbesserte. In den meisten Ländern gaben vor allem Personen unter 35 Jahren sowie Frauen an, dass ihr Vertrauen in Routineimpfungen für Kinder seit Beginn der Pandemie eher abgenommen habe.* 

Vertrauen in Routineimpfungen für Kinder

Das Vertrauen in Impfungen – so UNICEF – schwankt immer wieder und ist stark vom Zeitgeist abhängig. Daher sind weitere Datenerhebungen und Analysen erforderlich, um festzustellen, ob die Ergebnisse auf einen langfristigen Trend hindeuten. Trotz des Vertrauensrückgangs ist die Unterstützung für Impfungen grundsätzlich weiterhin relativ groß. So waren in fast der Hälfte der 55 untersuchten Länder mehr als 80 Prozent der Befragten der Auffassung, dass es wichtig sei, Kinder zu impfen.

Eine Kombination verschiedener Faktoren könnte jedoch zur Folge haben, dass eine zögerliche Haltung gegenüber Impfungen zunimmt. Zu diesen Faktoren gehören unter anderem die Unsicherheit über den Umgang mit der Pandemie, weit verbreitete Desinformation, ein schwindendes Vertrauen in Fachwissen sowie eine scharfe politische Polarisierung.

UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell erklärte anlässlich der Veröffentlichung des Reports:

„Auf dem Höhepunkt der Pandemie haben Wissenschaftler*innen in kürzester Zeit Impfstoffe entwickelt, die unzählige Leben gerettet haben. Doch trotz dieser historischen Leistung waren Ängste und Desinformationen über Impfstoffe so weit verbreitet wie das Virus selbst. Die neuen Daten sind ein beunruhigendes Signal. Wir dürfen nicht zulassen, dass das Vertrauen in Routineimpfungen für Kinder der Pandemie zum Opfer fällt. Andernfalls könnte die nächste Welle von Todesfällen eine wachsende Zahl von Kindern betreffen, die an Masern, Diphtherie oder anderen vermeidbaren Krankheiten erkranken.“

Rückgang von Routineimpfungen für Kinder während der Corona-Pandemie

Alarmierend ist, dass das sinkende Vertrauen mit dem größten anhaltenden Rückgang bei Routineimpfungen von Kindern seit 30 Jahren einhergeht. Durch die Pandemie kam es in vielen Ländern zu Unterbrechungen bei Routineimpfungen, weil die Gesundheitssysteme überlastet waren und finanzielle Ressourcen umgeleitet wurden, um Menschen gegen Covid-19 zu impfen. Der Mangel an Gesundheitspersonal sowie pandemiebedingte Bewegungseinschränkungen trugen ebenfalls zu dieser Entwicklung bei.

Laut UNICEF verpassten allein zwischen 2019 und 2021 rund 67 Millionen Kinder Routineimpfungen. Die Durchimpfungsquoten sanken in 112 Ländern. Kinder, die kurz vor oder während der Pandemie geboren wurden, sind jetzt in einem Alter, in dem sie normalerweise einen Basisschutz erhalten haben sollten. Umso wichtiger ist es, dass Maßnahmen ergriffen werden, um die versäumten Impfungen nachzuholen und tödliche Krankheitsausbrüche zu verhindern. So war die Zahl der Masernfälle im Jahr 2022 bereits mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahr. Die Zahl der Kinder, die durch das Poliovirus gelähmt wurden, stieg 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 16 Prozent. 

Besonders benachteiligte Kinder erhalten oft gar keinen Impfschutz

Gleichzeitig hat die Pandemie bereits bestehende Ungleichheiten verschärft. Für zahlreiche Kinder, insbesondere in den am stärksten benachteiligten Regionen, sind Impfungen immer noch nicht verfügbar, zugänglich oder erschwinglich. Schon vor der Pandemie stagnierten die Impffortschritte fast ein Jahrzehnt lang.

Von den 67 Millionen Kindern, die zwischen 2019 und 2021 Routineimpfungen verpassten, erhielten 48 Millionen keine einzige Impfung (im Englischen spricht man in diesem Zusammenhang von „zero dose“). Ende 2021 verzeichneten Indien und Nigeria (beides Länder mit hohen Geburtsraten) die größte Zahl gänzlich ungeimpfter Kinder, aber auch in Myanmar und auf den Philippinen stieg die Zahl der Kinder, die gar nicht geimpft wurden.

Kinder ohne Impfschutz leben vor allem in den ärmsten und am stärksten benachteiligten Regionen, unter anderem in Kriegs- und Krisengebieten. Aktuelle Daten, die vom International Center for Equity in Health für UNICEF erhoben wurden, zeigen, dass in den ärmsten Haushalten eines von fünf Kindern nicht geimpft ist, verglichen mit einem von 20 Kindern in den wohlhabendsten Haushalten. Sie leben häufig in schwer zugänglichen ländlichen Regionen oder Slums der großen Städte. Ihre Mütter konnten häufig nicht zur Schule gehen und haben wenig Mitspracherecht bei Familienentscheidungen. Diese Herausforderungen sind in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen am größten. Dort ist etwa eines von zehn Kindern in städtischen Gebieten und eines von sechs Kindern in ländlichen Gebieten nicht geimpft. In wohlhabenderen Ländern gibt es diese Unterschiede kaum. 

Empfehlungen von UNICEF

Damit jedes Kind Impfschutz erhält, sind verstärkte Anstrengungen erforderlich. Grundlegende Gesundheitssysteme müssen gestärkt werden und das Gesundheitspersonal, insbesondere Frauen, angemessen ausgestattet und unterstützt werden. UNICEF zufolge sind es vor allem Frauen, die Impfprogramme in den Gemeinden umsetzen. Sie werden jedoch häufig nicht angemessen bezahlt. Sie sind auch häufig nur informell beschäftigt, haben wenig Ausbildungs- und Karrieremöglichkeiten und sind besonders durch Unsicherheit bedroht.

Mit seinem Bericht zur Situation der Kinder in der Welt 2023 ruft UNICEF Regierungen dazu auf, ihre finanziellen Zusagen für Impfungen zu erhöhen und mit allen relevanten Akteuren zusammenzuarbeiten, um verfügbare Gelder bereitzustellen - einschließlich noch verfügbarer Mittel zur Bekämpfung der Pandemie. Impfungen, die während der Corona-Pandemie verpasst wurden, müssen nachgeholt werden, um Kinder zu schützen und Krankheitsausbrüche zu vermeiden. 

UNICEF fordert die Regierungen dazu auf:

  • Jedes Kind mit Impfungen zu erreichen, insbesondere diejenigen, die während der Pandemie Routineimpfungen verpasst haben;
  • Die Nachfrage nach Impfungen zu stärken, unter anderem durch Maßnahmen zur Vertrauensbildung; 
  • Finanzielle Mittel vorrangig für Impfungen und die grundlegende Gesundheitsversorgung zur Verfügung zu stellen;  
  • Die Widerstandsfähigkeit von Gesundheitssystemen zu verbessern, unter anderem durch mehr Investitionen in die Ausbildung, Ausstattung und Weiterbildung von Gesundheitshelfer*innen, Innovationen sowie lokale Impfstoffproduktion. 

Catherine Russell:

„Impfungen haben Millionen von Menschenleben gerettet und tödliche Krankheitsausbrüche verhindert. Wir wissen nur zu gut, dass Krankheiten keine Landesgrenzen respektieren. Routineimpfungen und starke Gesundheitssysteme sind der beste Weg, künftige Pandemien, vermeidbare Todesfälle und Leid zu verhindern. Es ist Zeit, in nachhaltige Gesundheitssysteme für jedes Kind zu investieren und die verfügbaren finanziellen Mittel der weltweiten Impfaktion gegen Covid-19 umzuleiten, um Impfdienste zu stärken.“

*Das Vaccine Confidence Project (VCP) an der London School of Hygiene & Tropical Medicine untersucht das Vertrauen in Impfungen. Seit 2015 werden Daten aus nationalen repräsentativen Länderumfragen analysiert. Die in diesem Bericht vorgestellten Daten stammen aus einer groß angelegten retrospektiven Studie über Veränderungen des Impfstoffvertrauens zwischen 2015 und November 2019 sowie seit 2021. Die Daten in diesem Bericht sind Teil einer umfassenderen Datenerhebung. 

Quelle: Deutsches Komitee für UNICEF e.V. vom 20.04.2023

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