60. Jahrestagung der DGSMP
„Strukturen und Strategien der Gesundheitsförderung im Kindes- und Jugendalter“
Auf der Pre-Conference der 60. DGSMP-Jahrestagung wurden Strategien zur besseren Verzahnung von Kinder- und Jugendhilfe und Gesundheitssystem diskutiert. Im Fokus standen inklusive Präventionsketten, rechtliche Grundlagen, Kooperationslücken und Ansätze für chancengerechtes Aufwachsen. Ein Bericht des Projekts „Themenbotschafter*in Gesundes Aufwachsen“:
26.09.2025
Im Rahmen der 60. Jahrestagung der DGSMP wurde am 17.09.2025 bei der Pre-Conference „Strukturen und Strategien der Gesundheitsförderung im Kindes- und Jugendalter“, veranstaltet durch die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ, in einem Workshop-Format anhand kurzer Impulse unterschiedliche fachliche Perspektiven und Ansätze zur praktischen Umsetzung eines inklusiven SGB VIII sowie einer guten Verzahnung von Kinder- und Jugendhilfe und Gesundheitssystem erörtert.
Nach einer Einführung durch Laurette Rasch und einer Vorstellungsrunde der über 30 Teilnehmenden eröffnete Prof. Dr. Dr. Erik Hahn mit einem Impulsvortrag zur bisher unveröffentlichten juristischen Expertise zu „Aufforderungen im Recht zur bedarfsgerechten Angebotsgestaltung an der Schnittstelle SGB VIII und SGB V“ die Diskussion. Er zeigte auf, an welchen Stellen im SGB VIII der grundsätzliche Wille des Gesetzgebers durch die Bereitstellung positiver Lebensbedingungen für alle Kinder- und Jugendlichen auch das gedeihliche Aufwachsen bzw. Aufwachsen in Gesundheit zu ermöglichen eingeschrieben ist. Dieser grundsätzliche Ansatz werde zudem durch die UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) und hier besonders den Artikel 24 gestützt. Durch die Aufgabenbestimmungen im §2 des SGB VIII und weiter „soziale Gesetze“ wie beispielsweise den Landes-KiTa oder Landes-ÖGD-Gesetze wird dieser grundsätzliche Wille verdeutlicht.
Präventionsketten sind in diesem Sinne als Ansatz zu verstehen die verschiedenen Systeme der sozialen Sicherung mit den jeweils eigenen Finanzierungs- und Implementierungslogiken punktuell zusammenzuführen.
Siehe dazu auch beispielhaft das Zeit-Interview: „Zu komplex und zersplittert" mit Familienforscherin Sabine Walper. Frau Walper beschreibt hier, dass staatliche Hilfen für Familien oft an Bürokratie und Zersplitterung scheitern und plädiert für Vernetzung, einfachere Strukturen und Lots*innen, die Familien durch das System begleiten.
Als bemerkenswert stellte Erik Hahn heraus, wie unterschiedlich in den verschiedenen Regelungen zur Gesundheitsförderung die Verpflichtung zur Zusammenarbeit verankert ist. So ist beispielsweise die Kinder- und Jugendhilfe mit ihrer Steuerungsverantwortung für die Lebenswelten von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien nicht explizit als Kooperationspartner in den ÖGD-Gesetzen der Länder oder den Landesrahmenvereinbarungen zur Umsetzung der nationalen Präventionsstrategie gemäß § 20f SGB V benannt.
Im Anschluss an diesen Input stellte Christine Menker den Qualitätsverbund Präventionsketten (QP) vor, dessen Leitbild die „Förderung von Chancengleichheit und Teilhabegerechtigkeit für alle“ ist. Das Konzept der „Kommunalen Präventionsketten“ besteht aus 5 Kernpunkten:
Der Biographie- und Lebenslagenorientierung und damit partizipativen und beteiligungsorientierten Ansätzen,
der gemeinsamen Verantwortungen bestenfalls orientiert an gemeinsamen Zielen,
der gemeinsamen Strategie zur verzahnten Planung, vernetztem Handeln, Kommunikationsroutinen und gemeinsamem Einsatz von Ressourcen
der bedarfsgerechten Infrastrukturentwicklung
und hauptamtlichen Koordinierung, um bestehende Strukturen zu nutzen und Synergien zu entfalten.
Der QP versteht sich dabei sowohl als Wissensgemeinschaft als auch als Lobbygemeinschaft, die auf kommunaler Ebene Strukturen auf- und ausbaut, bundesweit vernetzt und Sichtbarkeit in der fachpolitischen Öffentlichkeit schafft.
Beispielhaft zu nennen sind Ansätze wie Kinder Stark in NRW oder die durch das GKV-Bündnis für Gesundheit in Niedersachsen geförderten Präventionsketten Niedersachsen.
Abschließend präsentierte Ruth Vornefeld vom Paritätischen Wohlfahrtsverband das Bündnis KipsFam, das sich für die Belange von Kindern aus psychisch- oder suchtbelasteten Familien einsetzt. Hauptziel des Bündnis KipsFam ist es durch enge Zusammenarbeit von Jugendhilfe, Suchthilfe und Gesundheitshilfe die notwendige Unterstützung für Kinder zu gewährleisten. Bestehende gesetzliche Regelungslücken sind in den Empfehlungen der AG KpkE und dem Antrags „Prävention stärken – Kinder mit psychisch oder suchtkranken Eltern unterstützen“ ausgeführt. Im Projekt soll die politische Themenanwaltschaft fortgeführt und ausgebaut werden, um die Lebensbedingungen betroffener Kinder nachhaltig zu verbessern. Besonders im Fokus des Bündnisses stehen die Empfehlungen 17 a und b des Abschlussberichtes der AG KpkE aus dem Jahr 2020:
Hier wird empfohlen,
„dass durch gesetzliche Regelungen im Rahmen der ambulanten und stationären Gesundheitsversorgung SGB-übergreifende einheitliche Komplexleistungen mit auf Landesebene vertraglich definierten Finanzierungsbeteiligungen der zuständigen Leistungsträger ermöglicht werden, die die Leistungserbringer der Kinder- und Jugendhilfe, der Suchthilfe und des Gesundheitswesens zusammenführen“ [Empfehlung Nr. 17a] sowie „dass mehr interdisziplinäre Einrichtungen und Dienste für Eltern und ihre Kinder entstehen, die je nach Bedarf und Zuständigkeit Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung als auch Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und Suchthilfe integriert erbringen. Entsprechende Einrichtungen oder Abteilungen könnten sowohl im stationären als auch im ambulanten Versorgungsbereich (beispielsweise in psychiatrischen Institutsambulanzen) angesiedelt werden“
[Empfehlung Nr. 17b].
In der Diskussion wurde die Bedeutung einer systemübergreifenden Zusammenarbeit für und in gesundheitsförderlichen Lebenswelten herausgestellt. Erörtert wurde die Frage, wie die Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Versorgung, Jugendhilfeplanung und die Leistungsplanung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes synchronisiert und an den Lebenslagen der Nutzer*innen orientiert werden können. Hingewiesen wurde auf die Bedeutung kommunaler Gesamtstrategien und der Bedeutung orientierender Daten, wie der Auswertung von Schuleingangsuntersuchungen um einen Sozialindex ableiten und diesen für die Planung zugrunde legen zu können. Gewünscht wurde zudem ein Mapping bestehender Ansätze für Präventionsketten oder -netze, welches Gute Praxis sichtbarer macht. Zugleich wurde betont, dass es von Bedeutung sei diejenigen Menschen zu erreichen, die besonders geringe Ressourcen haben. Als beispielhaft wurde hier der Ansatz der Frühen Hilfen herausgestellt aber auch die im Koalitionsvertrag angesprochene Ausweitung der Altersgrenzen und die Leerstellen für weitere Lebensphasen benannt.
Insgesamt bildete der Austausch einen gelungenen Auftakt für die 60. Jahrestagung der DGSMP unter dem Titel „Teilhabe und Ko-Kreation“.
Präsentationen der Inputgeber*innen
Präsentation KipsFam „Gemeinsam zur besseren Versorgung für Kinder aus psychisch und suchtbelasteten Familien“ (PDF: 483 KB)
Präsentation Qualitätsverbund Präventionsketten „Kommunale Präventionsketten“ (PDF: 391 KB)
Weitere Informationen
Der kommunale Partnerprozess „Gesundheit für Alle“ – Angebot und Teilnahme (PDF: 488 KB)
Nationales Zentrum Frühe Hilfen: Werkbuch Präventionskette
Landeskoordinierungsstelle Präventionsketten Hessen: „Verknüpfung von Präventionsketten und Kinderrechten in der kommunalen Lebenswelt“ (PDF: 3,43 MB)
Quelle: Projekt „Themenbotschafter*in Gesundes Aufwachsen“ der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ vom 25.09.2025
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