Kinderarmut
Stellungnahmen zur Kindergrundsicherung
In einem Offenen Brief fordern die AWO und das Zukunftsforum Familie (ZFF) Bundesfinanzminister Lindner dazu auf, seine Blockadehaltung aufzugeben und zusätzliches Geld für die Kindergrundsicherung bereitzustellen. Auch weitere Stimmen aus der Praxis beziehen Stellung und setzten sich für die Gestaltung inhaltlicher Aspekte der geplanten Kindergrundsicherung ein.
05.04.2023
Michael Groß, Vorsitzender des Präsidiums des AWO Bundesverbandes, zeigt sich entsetzt:
„Seit Jahrzehnten stagniert die Armut von Kindern und Jugendlichen in unserem Land auf hohem Niveau. Als Träger von Kitas, Familienzentren oder Beratungsstellen sehen wir jeden Tag, was es bedeutet, wenn Kinder und Jugendliche unter Armutsbedingungen aufwachsen. Ihr Selbstwertgefühl leidet, sie haben schlechtere Chancen auf ihrem Bildungsweg und ihr Risiko, krank zu sein, ist deutlich höher. Die Dauerkrisenjahre haben die Situation drastisch verschärft. Es reicht, Finanzminister Lindner muss seine Blockadehaltung aufgeben und Geld zur entschiedenen Armutsbekämpfung bereitstellen! Durch Geld für gute Kitas, Schulen und Sozialarbeit vor Ort und für eine ambitionierte Kindergrundsicherung, welche die Armut beendet.“
Britta Altenkamp, Vorsitzende des Zukunftsforum Familie, fügt hinzu, dass von der Bundesregierung gefordert werde, die Kindergrundsicherung als zentralen Baustein zur Bekämpfung von Kinderarmut umzusetzen. Aus Sicht der Verfasser:innen des Offenen Briefs brauche eine wirksame neue Leistung neben einer armutsfesten Höhe auf Grundlage der Neuberechnung des kindlichen Existenzminimums eine weitgehend automatische Auszahlung, die alle Anspruchsberechtigten erreiche. Darüber hinaus sollt eine Kindergrundsicherung eine sozial gerechte Familienförderung anstreben, die armutsbetroffene Familien mehr unterstützt als wohlhabende Familien.
„Damit die Kindergrundsicherung diese Wirkung entfalten kann, können die derzeit zur Diskussion stehenden 12 Mrd. Euro maximal ein Anfang sein. Im Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG gehen wir von circa doppelt so hohen Kosten aus. Wir müssen jetzt in die Zukunft unserer Kinder investieren, das geht nur mit einer Kindergrundsicherung, die auch wirklich ihren Namen verdient!“, führt Altenkamp weiter aus.
Hintergrund
Die Bundesregierung plant die Einführung einer Kindergrundsicherung, in welcher die wesentlichen pauschalierbaren Leistungen der monetären Familienförderung wie Kindergeld, Kinderzuschlag, Kinderregelsätze nach SGB II/XII, Wohnkostenanteile, kindbedingte Anteile aus dem Asylbewerberleistungsgesetz sowie Teile aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zusammengefasst werden. Darüber hinaus soll die neue Leistung höher ausfallen als die aktuelle Unterstützung, da sie ein neu zu bemessendes Existenzminimum für Kinder und Jugendliche zu Grunde legt.
AWO und ZFF unterstützen dies ausdrücklich, fordern jedoch zudem, dass von Anfang an die Kinderfreibeträge aus dem Steuerrecht systematisch in die Kindergrundsicherung mit einbezogen werden. Die Kindergrundsicherung soll in 2024 beschlossen und ab 2025 ausgezahlt werden. Im Zuge der Beratungen über die langfristige Finanzplanung wird die Kindergrundsicherung jedoch derzeit vor allem von Bundesfinanzminister Lindner öffentlich in Frage gestellt, denn diese neue Leistung kostet zusätzliches Geld.
AWO und ZFF sind seit der Gründung Mitglied im Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG. Weitere Informationen zum Konzept des Bündnisses und seinen Forderungen sind auf der Website Kinderarmut hat Folgen zu finden.
Der Offene Brief steht als Download zur Verfügung.
Weitere Stimmen zur Ausgestaltung der Kindergrundsicherung
U. a. setzt sich auch das SOS-Kinderdorf für die Gestaltung inhaltlicher Aspekte der geplanten Kindergrundsicherung ein. In einer Stellungnahme zur aktuellen Diskussion um die Finanzierung der Kindergrundsicherung heißt es:
- Alleinerziehende und ihre Kinder sind eine zentrale von Armut betroffene Gruppe. Die Kindergrundsicherung sollte für Kinder in Einelternfamilien keine Verschlechterung darstellen und idealerweise zu einer Vereinfachung führen. Hier ist eine gute Lösung zum Verhältnis von Unterhaltsvorschuss und Kindergrundsicherung dringend notwendig.
- Was passiert mit der Kindergrundsicherung, wenn die Kinder in stationäre Hilfen zur Erziehung kommen, und was passiert mit den jungen Menschen, die als Careleaver die Jugendhilfe wieder verlassen und nicht zu ihren Eltern zurückkehren? Hier ist die Ausgestaltung einer Schnittstelle zum SGB VIII (Sozialgesetzbuch zur Kinder- und Jugendhilfe) entscheidend.
- Eine Neuberechnung der Existenzsicherung ist notwendig: SOS-Kinderdorf unterstütze das Ziel des BMFSFJ, die Existenzsicherung mehr an der gesellschaftlichen Mitte zu orientieren und dabei auch Kinder und Jugendliche zu beteiligen.
- SOS-Kinderdorf vertritt zudem die Auffassung, dass auch geflüchtete Kinder die Kindergrundsicherung erhalten müssen. Eine Diskriminierung anhand des Flüchtlingsstatus ist nicht mit der UN-Kinderrechtskonvention vereinbar. Der Zugang zu allen Integrationsangeboten vom ersten Tag an kann so endlich ermöglicht werden.
Quelle: AWO Bundesverband e.V. vom 24.03.2023; SOS-Kinderdorf vom 01.03.2023
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