OECD-Studie

Kampf gegen Chancenungleichheit erfordert mehr Investitionen in Bildung

Die Regierungen sollten mehr in Bildung investieren, um so die Ursachen von Chancen­ungleichheit zu bekämpfen. Sie würden damit Menschen aller Altersgruppen helfen, die Kompetenzen für gute Jobs und eine hohe Lebensqualität zu erwerben, so eine neue OECD-Studie (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung).

23.09.2021

13 Prozent der jungen Erwachsenen in Deutschland geringqualifiziert

Die Studie „Bildung auf einen Blick 2021" zeigt, dass im OECD-Raum ein Fünftel der Erwachsenen keine abgeschlossene Berufsausbildung oder Abitur hat und damit Schwierigkeiten haben wird, am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. In Deutschland lag dieser Wert bei den 25- bis 64-Jährigen 2020 bei rund 14 Prozent. Die meisten OECD-Länder konnten in den vergangenen Jahren den Anteil der Geringqualifizierten deutlich senken. So liegt er bei jungen Erwachsenen (25- bis 34-Jährige) im OECD-Schnitt bei 15 Prozent, in Korea nur noch bei zwei Prozent, in der Schweiz bei sechs Prozent und in Österreich bei elf Prozent. In Deutschland gab es dagegen kaum Bewegung. Hier gelten auch 13 Prozent der jungen Erwachsenen als geringqualifiziert.

Defizite bei der Ausbildung gehen mit deutlich geringeren Beschäftigungschancen einher. Dies gilt insbesondere für Frauen. In Deutschland sind 60 Prozent der geringqualifizierten jungen Erwachsenen erwerbstätig. Die Erwerbsquote liegt damit leicht über dem OECD-Schnitt von 58 Prozent. Allerdings ist die Beschäftigungslücke zu jungen Erwachsenen mit Berufsausbildung oder Studium in Deutschland vergleichsweise groß. Gleichzeitig ist der Anteil der Geringverdiener unter den Geringqualifizierten so hoch wie in kaum einem anderen OECD-Land. 43 Prozent der Geringqualifizierten verdienen weniger als die Hälfte des Medianeinkommens. Nur in Norwegen ist der Anteil höher.

„Die Coronapandemie hat das Gesundheitswesen, die Wirtschaft und den sozialen Sektor hart getroffen. Sie hat außerdem systemische Schwächen offengelegt, die echte soziale Mobilität behindern“, so OECD-Generalsekretär Mathias Cormann bei der Präsentation des Berichts in Paris. „Chancengleichheit ist ein Schlüsselfaktor für eine starke und demokratische Gesellschaft, die den Zusammenhalt fördert. Anders als die Politik, die sich mit den Folgen befasst, kann Bildung bei Chancenungleichheit an der Wurzel ansetzen. Mehr Investitionen in bessere und relevantere Bildung sind für den langfristigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wohlstand der Länder von entscheidender Bedeutung.“

Migrationshintergrund schmälert tendenziell die Bildungschancen

Ein Migrationshintergrund schmälert tendenziell die Bildungschancen. In fast allen Ländern mit verfügbaren Daten war die Erfolgsquote von Zugewanderten der ersten oder zweiten Generation im Sekundarbereich II geringer als die von Jugendlichen ohne Migrationshintergrund. Große Unterschiede gibt es auch bei den Beschäftigungsaussichten zwischen im Inland und im Ausland geborenen Erwachsenen. So liegen bei Geringqualifizierten die Beschäftigungsquoten von Eingewanderten in den meisten Ländern höher als bei im Inland geborenen Personen. Bei Hochqualifizierten ist es in der Regel umgekehrt, was auf Schwierigkeiten bei der Anerkennung von Abschlüssen hindeutet. Für Deutschland liegen diese Daten nicht vor. Zudem verdienen qualifizierte Migrantinnen und Migranten häufig weniger. In Deutschland liegen die Gehälter bei Eingewanderten mit Tertiärabschluss bei 89 Prozent der durchschnittlichen Gehälter von im Inland geborenen Personen. Dagegen erzielen in den USA im Ausland geborene Hochqualifizierte höhere Gehälter als im Inland Geborene.

Geschlechtsspezifische Unterschiede groß

Auch geschlechtsspezifische Unterschiede sind nach wie vor groß. Jungen wiederholen eher eine Klasse als Mädchen, haben häufiger eine geringe Lesekompetenz und schließen seltener den Sekundarbereich II ab. Jungen sind in der Regel in berufsbildenden Bildungsgängen überrepräsentiert und die Wahrscheinlichkeit, dass sie einen Bildungsgang im Tertiärbereich belegen und abschließen, ist geringer. Zudem nehmen in den meisten OECD-Ländern mehr Frauen als Männer an formaler Weiterbildung teil. In Deutschland hingegen sind Männer in der Weiterbildung überrepräsentiert. Gleichzeitig sind in allen OECD-Ländern und unabhängig vom Bildungsstand Frauen weiterhin seltener in Beschäftigung als Männer und verdienen weniger, sogar, wenn sie einen Abschluss in derselben Fächergruppe haben.

Bildungsinvestitionen sind von entscheidender Bedeutung

Bildungsinvestitionen sind von entscheidender Bedeutung. Allerdings führen steigende Bildungsausgaben nicht immer zu besseren Ergebnissen. Dies lässt darauf schließen, dass die Länder genauer prüfen müssen, wie sie ihre Ressourcen am effektivsten investieren und besser an den Bedarf anpassen können. Die Ausgaben für Bildungseinrichtungen beliefen sich 2018 in Deutschland pro Bildungsteilnehmenden auf 12 800 USD (10 500 USD im OECD-Schnitt – beides angepasst um das nationale Preisniveau) im Primar-, Sekundar- und postsekundären nichttertiären Bereich sowie auf 19 300 USD (17 100 USD) im Tertiärbereich. Bezogen auf die Wirtschaftsleistung lagen die Bildungsinvestitionen in Deutschland mit 4,3 Prozent des BIP unter dem OECD-Schnitt von 4,9 Prozent. In vielen OECD-Ländern sind die Bildungsinvestitionen in den vergangenen Jahren stärker gestiegen als in Deutschland.

Sonderausgabe zur Corona-Pandemie: Schulen in Deutschland besonders lange geschlossen

„Bildung auf einen Blick 2021" enthält auch eine Sonderbroschüre: „The State of Global Education – 18 Months into the Pandemic". Darin wird gezeigt, dass das Ausmaß des Unterrichtsausfalls in vielen Ländern erheblich war. Während viele andere Länder mit der Erfahrung weniger von Schulschließungen Gebrauch machten als in den ersten Monaten der Pandemie, waren in Deutschland auch 2021 sowohl Grundschulen (40 Tage vollständige Schließung im Vergleich zu 19 Tagen im Länder-Durchschnitt) und die Sekundarstufe I (60 Tage im Vergleich zu 27 im Länder-Durchschnitt) besonders lange von Schließungen betroffen. Die Zahl der Tage mit vollständigen Schulschließungen entspricht im Durchschnitt der OECD-Länder in einem typischen Schuljahr im Vorschulbereich rd. 28 Prozent der Gesamtunterrichtzeit und im Sekundarbereich II mehr als 56 Prozent. Dies hat Folgen für gleichberechtigtes Lernen: Die meisten Bildungssysteme gingen weltweit in der Pandemie zu Fernunterricht über, doch Schülerinnen und Schüler aus sozial benachteiligten Verhältnissen haben häufig mehr Schwierigkeiten, zu Hause effektiv zu lernen.

„Bildung auf einen Blick" bietet vergleichbare nationale Statistiken, die den Stand der Bildung weltweit messen. Der Bericht analysiert die Bildungssysteme der 38 OECD-Mitgliedsländer sowie von Argentinien, Brasilien, China, Indien, Indonesien, der Russischen Föderation, Saudi-Arabien und Südafrika.

Weitere Informationen zur Studie und eine Präsentation stehen auf den Seiten der OECD bereit.

Quelle: OECD vom 16.09.2021

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