Inklusionsbarometer

Jugendliche mit Beeinträchtigung am häufigsten von Diskriminierung betroffen

Das Inklusionsbarometer Jugend der Aktion Mensch zeigt, dass junge Menschen mit Beeinträchtigung deutlich größere Herausforderungen bei der Teilhabe haben als ihre Altersgenossen ohne Beeinträchtigung. Christina Marx, Sprecherin von Aktion Mensch, fordert umfassendere Inklusion und gesellschaftliches Engagement, um gleiche Chancen für alle jungen Menschen zu schaffen.

18.09.2024

Mehr als sechs von zehn jungen Menschen haben bereits Diskriminierungserfahrungen gemacht. Dabei ist der Anteil der Jugendlichen mit Beeinträchtigung mit 85 Prozent deutlich höher als der Jugendlichen ohne Beeinträchtigung mit 61 Prozent. Das ist eines der zentralen Ergebnisse des Inklusionsbarometer Jugend der Aktion Mensch – der ersten bundesweiten Vergleichsstudie zu Teilhabechancen von jungen Menschen im Alter von 14 bis 27 Jahren mit und ohne Beeinträchtigung.

Ebenfalls alarmierend: Ein Drittel der jungen Menschen mit Beeinträchtigung sorgt sich, zukünftig noch stärker diskriminiert oder ausgegrenzt zu werden. Junge Menschen ohne Beeinträchtigung betrifft diese Sorge nur halb so häufig.

„Die Zahlen verdeutlichen: Es ist noch ein weiter Weg, bis Vielfalt mehrheitlich als normal oder gar als Vorteil für unsere Gesellschaft wahrgenommen wird. Deshalb ist Inklusion von Anfang an in allen Lebensbereichen so wichtig. Wenn gleichberechtigtes Miteinander von Geburt an gelernt und gelebt wird, profitieren alle davon und die Diskriminierungsspirale beginnt erst gar nicht“,

kommentiert Christina Marx, Sprecherin der Sozialorganisation.

Deutlich schlechtere Teilhabechancen für junge Menschen mit Beeinträchtigung

Insgesamt zeigt das erste Inklusionsbarometer Jugend der Aktion Mensch, die Bedürfnisse und Herausforderungen der Generation Z ähneln sich, unabhängig von dem Faktor Beeinträchtigung. Jedoch sehen sich junge Menschen mit Beeinträchtigung in allen fünf untersuchten Teilhabedimensionen – soziale Beziehungen, Alltagsleben, Selbstbestimmung, individuelle Entfaltung und Nichtdiskriminierung – mit deutlich größeren Herausforderungen konfrontiert. So verbinden junge Menschen mit und ohne Beeinträchtigung zwar die gleichen Vorlieben bei der Freizeitgestaltung. Allerdings haben Erstere weniger Möglichkeiten, diese gleichberechtigt wahrzunehmen und damit teilzuhaben – beispielsweise aufgrund des eklatanten Mangels an Barrierefreiheit. Dies gilt ebenso für ihren Schul-, Ausbildungs- und Berufsalltag.

Familiäres Umfeld als Auffangnetz für fehlende Inklusion

Am ehesten zufrieden ist die Generation Z mit ihren sozialen Beziehungen. Dabei geben junge Menschen mit Beeinträchtigung als wichtigste Stütze mit 72 Prozent die Familie an. Für junge Menschen ohne Beeinträchtigung liegen dagegen Freundschaften mit 86 Prozent auf Platz eins. 

„Junge Menschen mit Beeinträchtigung sind ganz besonders auf ein privates Netzwerk und Verbündete angewiesen, die sie unterstützen und für sie kämpfen. Denn wo der Einflussbereich der Familie aufhört, versagen die gesellschaftlichen Strukturen. Zu individuellen Diskriminierungserfahrungen kommt dann eine strukturelle Diskriminierung hinzu“, 

so Christina Marx.

Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeit: Negativspirale beginnt in der Jugend

Jungen Menschen mit Beeinträchtigung fällt es mit 27 Prozent deutlich schwerer neue Freundschaften zu schließen als jungen Menschen ohne Beeinträchtigung mit neun Prozent.

 „Freundschaften sind ein essenzieller Teil junger Lebenswelten, die die Persönlichkeitsentwicklung maßgeblich beeinflussen. Überall dabei sein zu können, ist wichtig, um Kontakte zu knüpfen. Da viele junge Menschen mit Beeinträchtigung nicht gleichberechtigt teilhaben können, ist der Unterschied in dem Bereich die bittere Konsequenz“, 

so Marx weiter. 

Infolgedessen fühlen sich junge Menschen mit Beeinträchtigung mit 26 Prozent doppelt so häufig einsam wie junge Menschen ohne Beeinträchtigung mit 13 Prozent. Darüber hinaus bemängelt mehr als die Hälfte, dass ihnen zu wenig zugetraut wird – gegenüber lediglich 29 Prozent der Jugendlichen ohne Beeinträchtigung. Das wirkt sich negativ auf das Selbstbewusstsein und die Selbstwirksamkeit aus. So glaubt die Hälfte der jungen Befragten mit Beeinträchtigung, andere in ihrem Alter könnten viel mehr als sie selbst. Ohne Beeinträchtigung findet dies nur knapp ein Fünftel.

Appell an die Gesellschaft: Stark machen für Generation Z

Nur gut die Hälfte der befragten jungen Menschen mit Beeinträchtigung ist mit ihrem Leben insgesamt zufrieden – gegenüber mehr als drei Viertel der jungen Menschen ohne Beeinträchtigung. Zudem treiben sie deutlich mehr Zukunftssorgen um. Insgesamt zeigt sich, dass es noch ein weiter Weg bis zur vollständigen gleichberechtigten Teilhabe aller jungen Menschen ist. Christina Marx appelliert:

 „Junge Menschen sind in unserer Gesellschaft mit ihren Anliegen unterrepräsentiert und haben keine ausreichende Lobby. Dabei sind sie unsere Zukunft. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – also von jeder Person – junge Menschen zu unterstützen und eine gleichberechtigte Teilhabe der Generation Z sicherzustellen.“

Über das Inklusionsbarometer Jugend

Im Rahmen der ersten bundesweiten Vergleichsstudie befragte die Aktion Mensch 1442 junge Menschen im Alter von 14 bis 27 Jahren, davon 718 mit Beeinträchtigung und 724 ohne Beeinträchtigung. Die persönlichen Befragungen wurden in Zusammenarbeit mit Ipsos Public Affairs zwischen November 2023 und Februar 2024 durchgeführt. Aus den Umfrageergebnissen wurde ein Teilhabeindex errechnet. Ziel der partizipativ angelegten Studie ist es, ungleiche Teilhabechancen von jungen Menschen mit und ohne Beeinträchtigung zu identifizieren, um auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse Inklusion weiter voranzutreiben.

Weitere Informationen

Quelle: Aktion Mensch vom 03.09.2024

Redaktion: Lukas Morre

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