Stellungnahme

Fördergelder für den Öffentliche Gesundheitsdienst – doch wo bleiben die Kinder?

Es ist ein sehr ambitioniertes Vorhaben des Bundes: Mit einem Förderprogramm in Höhe von 4 Milliarden Euro soll der Öffentliche Gesundheitsdienst bis Ende 2025 massiv ausgebaut werden. In welcher Weise dabei allerdings auch der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst im Öffentliche Gesundheitsdienst und damit die Kinder profitieren werden, ist bis jetzt unklar. Die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin bezieht Stellung.

07.06.2023

Die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ) fordert die Politik auf, Fakten zu schaffen. Aus sozialpädiatrischer Sicht muss die öffentliche Kindergesundheit vor allem deshalb gestärkt werden, weil der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst (KJGD) nur dann seinen, durch die Pandemiefolgen noch bedeutsameren, Aufgaben nachkommen kann. Dafür sei „nicht nur mehr Personal notwendig, sondern auch eine noch bedarfsgerechtere multiprofessionelle Zusammensetzung der Qualifikationen,“ meint auch der Sachverständigenrat für Gesundheit und Pflege (SVR). Nur dann kann der KJGD „wieder das tun, wofür er eingerichtet und qualifiziert ist,“ bekräftigt Dr. Ulrike Horacek, Vorstandsmitglied der DGSPJ. Folgende Aufgaben sieht Horacek unter anderem für vordringlich und längst überfällig an:

  • Mehr personelle Ressourcen für aufsuchende Tätigkeiten, die insbesondere von sozialmedizinischen Assistentinnen (Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen mit Zusatzqualifikation) im KJGD erbracht werden müssten. Nur so könnten die vielfältigen Defizite sozial benachteiligter Kinder frühzeitig ausgeglichen und Gefährdungen des Kindeswohls reduziert werden.
  • Intensivierte Untersuchungen und Beratungen von Schulkindern und Eltern auch im vierten und neunten Schuljahr, eingebettet in ein Konzept von Schulgesundheitspflege, wie es in einigen Bundesländern noch bis vor wenigen Jahren geübte Praxis war. Gefährdungen und Beeinträchtigungen nicht nur körperlicher, sondern auch psychischer Gesundheit können dadurch häufig identifiziert und noch rechtzeitig begegnet werden.
  • Einführung eines Schulfachs „Gesundheit und Nachhaltigkeit“, in allen Schulformen für alle Schülerinnen und Schüler, wie es auch der Deutsche Ärztetag 2022 in Bremen gefordert hat.

Dafür ist es laut DGSPJ notwendig, die Anzahl der Stellen im KJGD massiv aufzustocken, und zwar nicht nur im ärztlichen, sondern auch im nicht-ärztlichen Bereich: z.B. für sozialmedizinische Assistent*innen und Schulgesundheitsfachkräfte, Gesundheitslots*innen, Fachkräfte für Ernährungsberatung und Gesundheitskompetenz in Schulen.

Laut Statistik sind bisher mindestens 2.290 neue Stellen im Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) geschaffen und besetzt worden. Der Zuwachs liegt somit bereits bei über 10 Prozent. Viele dieser Stellen sind nach den Erfahrungen in der Pandemie allerdings insbesondere der Gesundheitsaufsicht, den Bereichen Hygiene und Desinfektion sowie auch dem Umweltmanagement und -beratung zugutegekommen.

Diese – folgerichtige - Aufstockung dürfe aber keineswegs zu Lasten des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes gehen, warnt die DGSPJ. Denn bislang sei nicht zu eruieren, wie viele der neuen Stellen an ärztlichem oder anderweitigem Fachpersonal direkt auf die Öffentliche Kinder- und Jugendgesundheit entfallen, kritisiert Horacek.

Falls hier nicht bald Klarheit herrscht und ggf. personell nachgebessert wird, könnte dieser wohlgemeinte ambitionierte Pakt des Bundes für den ÖGD ein Vorhaben sein, bei dem die Kinder und Jugendlichen - einmal mehr - außen vor bleiben, fürchtet auch Prof. Heidrun Thaiss, Präsidentin der DGSPJ. Insbesondere für Kinder aus benachteiligten Familien wäre das fatal.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e.V. vom 25.05.2023 

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