Bildungsbericht 2022
Fachkräftemangel drängendstes Problem der Frühen Bildung

Obwohl in den vergangenen 15 Jahren über 800.000 neue Betreuungsplätze in Kindertageseinrichtungen in Deutschland geschaffen wurden, kann der vorhandene Bedarf aktuell immer noch nicht gedeckt werden. Dies ist eines der Ergebnisse der Auswertungen des Deutschen Jugendinstituts (DJI) im Rahmen des Berichts „Bildung in Deutschland 2022“.
01.07.2022
Das größte Hemmnis beim Ausbau ist neben den Plätzen das fehlende Fachpersonal, vor allem in Westdeutschland.
Der Bericht „Bildung in Deutschland 2022“, der zum neunten Mal erscheint, bietet alle zwei Jahre eine systematische Bestandsaufnahme des gesamten deutschen Bildungswesens. Darin fließen Daten der amtlichen Statistik sowie groß angelegter, repräsentativer sozialwissenschaftlicher Surveys ein. Das DJI ist seit Beginn der nationalen Bildungsberichterstattung im Jahr 2006 mit umfangreichen Analysen beteiligt. Der aktuelle Bericht widmet sich im diesjährigen Schwerpunkt der Entwicklung des Bildungspersonals und damit zusammenhängenden aktuellen Herausforderungen. Das DJI verantwortet seit jeher die Themen Frühe Bildung, Ganztagsbildung und -betreuung im Schulalter und non-formale Lernwelten neben der Schule.
Personallücke Mitte des Jahrzehnts am größten
Prof. Dr. Thomas Rauschenbach, Leiter der Nationalen Bildungsberichterstattung am DJI betont:
„Der Personalnotstand wird in den kommenden Jahren zu einer Schlüsselfrage der Zukunftsfähigkeit der Frühen Bildung. Die größte Lücke zwischen Angebot und Bedarf werden wir voraussichtlich Mitte des Jahrzehnts erreichen.“
Aktuellen Berechnungen zufolge werden in den Kitas im Jahr 2025 bis zu 73.000 Fachkräfte insbesondere in Westdeutschland fehlen, auch wenn weiterhin eine große Zahl an neuen Fachkräften jährlich auf den Arbeitsmarkt strömt. Aber dennoch wird sich die Kindertagesbetreuung in diesem Jahrzehnt vermutlich einem Ende ihres lang anhaltenden Wachstums nähern. Dies eröffnet die Chance einer neuen Qualitätsoffensive.
Corona-Pandemie hat Bildungsungleichheit in der frühen Kindheit verstärkt
„Ich denke, wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Corona-Pandemie Bildungsunterschiede noch verstärkt hat“, erläutert Rauschenbach einen weiteren Befund des aktuellen Berichts. Corona hat dazu geführt, dass für viele Kinder in dieser Zeit Bildungsimpulse und spezifische Förderungen in der Kita sowie die Anregungsqualität durch Gleichaltrige entfallen sind. Zusätzlich haben sich zwischen 2019 und 2021 die Unterschiede in der Unterstützung der Kinder in den Familien vergrößert. Zwar kam es bei vielen Aktivitäten, die Mütter mit ihren Kindern ausübten, in diesem Zeitraum zu einer durchschnittlichen Zunahme, jedoch war die Ausübung von expliziten Bildungsaktivitäten wie Vorlesen noch stärker als bislang vom elterlichen Bildungsstand abhängig. So wurde Kindern von Eltern mit niedrigem Bildungsabschluss im Jahr 2021 mit 19 Tagen im Monat deutlich seltener vorgelesen als bei höheren Abschlüssen; hier lag dieser Wert bei 26 Tagen pro Monat.
Pandemiebedingte Kita-Schließungen treffen besonders Kinder mit nichtdeutscher Familiensprache
Zusätzliche Nachteile brachten pandemiebedingte Kita-Schließungen für Kinder mit vorwiegend nichtdeutscher Familiensprache mit sich. Etwa jedes fünfte Kita-Kind, im Westen fast jedes vierte, zwischen drei Jahren und dem Schuleintritt spricht zu Hause überwiegend eine nichtdeutsche Familiensprache. Für diese Kinder sind Kitas der Schlüssel, um die deutsche Sprache im Spiel mit Gleichaltrigen fast nebenher zu erlernen. Aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen der Angebote in den Kitas wurden Bildungsaktivitäten und Möglichkeiten des Spracherwerbs erschwert.
Betreuungs- und Datenlücke im Ganztag
Im Bereich der ganztägigen Bildung und Betreuung von Grundschulkindern zeigen die aktuellsten Daten der DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS) derzeit eine Lücke zwischen der Beteiligung der Kinder (54 Prozent) und dem Bedarf der Eltern (63 Prozent) von etwa 10 Prozentpunkten. „Unverständlich ist, warum für ganztägige Angebote bislang keinerlei belastbare Daten zum Personal erfasst werden“, bekräftigt Rauschenbach. Aufgrund dessen ist die Anzahl und die Art der Qualifikation der dort Tätigen sowie der Personalschlüssel unbekannt. Nicht systematisch verankert ist zudem das Thema der ganztägigen Bildung und Betreuung im Grundschulalter in den pädagogischen Ausbildungen und Studiengängen. Der Bedarf an Fachkräften für zusätzliche Ganztagsangebote im Grundschulalter kann sich durch den Rechtsanspruch bis zum Schuljahr 2029/30 auf 65.600 Personen belaufen.
Förderung und beteiligte wissenschaftliche Einrichtungen
Der Bildungsbericht wird von der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Die Autorinnen und Autoren des Bildungsberichts gehören an verantwortlicher Stelle neben dem DJI den folgenden wissenschaftlichen Einrichtungen und Statistischen Ämtern an: dem Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF), dem Deutschen Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für lebenslanges Lernen e. V. (DIE), dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), dem Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (LIfBi), dem Soziologischen Forschungsinstitut an der Universität Göttingen (SOFI) sowie den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder (Destatis und StLÄ).
Weiterführende Links
- Bericht „Bildung in Deutschland 2022“ – Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zum Bildungspersonal
- Kurzfassung zum Bildungsbericht
- Prof. Dr. Thomas Rauschenbach im Video-Interview auf YouTube zu den Untersuchungen des DJI im Bildungsbericht 2022
- Projekt „Nationaler Bildungsbericht“ am Deutschen Jugendinstitut (DJI)
- Nationale Bildungsberichterstattung am Forschungsverbund DJI/TU Dortmund
Quelle: Deutsches Jugendinstitut (dji) vom 23.06.2022
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