JUGEND für Europa

European Deafblind Youth Camp: Einzigartiger Austausch für gegenseitiges Empowerment

Das European Deafblind Youth Camp bot taubblinden Menschen aus Europa eine einzigartige Plattform für Austausch und Empowerment. Dank Erasmus+ und Spenden wurden Gebärdendolmetscher*innen, Taubblindenassistenzen und technische Hilfsmittel bereitgestellt, um verschiedene Kommunikationswege zu unterstützen und Inklusion zu fördern.

15.10.2024

Taubblindheit ist weitgehend unbekannt. Die Community ist klein. Taubblinde Menschen haben mitunter wenig Gelegenheit, andere Menschen zu treffen, die die gleichen Erfahrungen wie sie teilen. Erasmus+ Jugend ermöglichte nun eine Begegnung der besonderen Art: Das European Deafblind Youth Camp brachte taubblinde Menschen aus ganz Europa zusammen, bot Möglichkeiten des gegenseitigen Empowerments und zeigte, auf wie viele Arten Kommunikation möglich ist.

Andreas gute Laune ist ansteckend. „Ich bin wirklich froh, hier zu sein“, gebärdet sie mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Der Austausch mit anderen taubblinden Personen ist Andrea aus Deutschland sehr wichtig. 

„Früher hatte ich noch größeres Sehvermögen, jetzt ist es schlechter geworden. Deshalb freue ich mich wirklich, dass es diese Taubblinden-Community gibt, wo ich mich einfach mehr drin fühle.“

Früher hat Andrea vor allem in Gebärdensprache kommuniziert, jetzt lernt sie das taktile Gebärden immer besser kennen, das von vielen taubblinden Personen genutzt wird. Dabei berührt die taubblinde Person die Hände der gebärdenden Person und kann so das Geäußerte nachvollziehen. Beim European Deafblind Youth Camp lässt sich Andrea von ihren Peers inspirieren. Besonders wertvoll für sie ist, dass man sich gegenseitig empowern und voneinander lernen kann.

Auf dem Camp kann sie sich mit anderen taubblinden Personen dazu austauschen, wie sie ihren Alltag gestalten, mit bestimmen Themen umgehen. „Manchmal können sich nur andere taubblinde Personen da richtig reinfühlen“, erzählt sie.

Besser zu sehen, was geht, als immer gezeigt zu bekommen, was nicht geht

Die Taubblindengemeinschaft ist insgesamt sehr klein und Taubblindheit weitgehend unbekannt. Die Zahl taubblinder Menschen wird in Deutschland auf ca. 4.000 – 9.000 Personen geschätzt verteilt über die gesamte Bundesrepublik, laut der Deutschen Gesellschaft für Taubblindheit. In anderen Ländern gibt es noch weniger taubblinde Menschen, die die gleichen Erfahrungen und Herausforderungen teilen – zumal die Beeinträchtigungen der Hör- und Sehfähigkeit bei taubblinden Personen sehr unterschiedlich sein können.

„Es ist für mich unheimlich wertvoll, andere taubblinde Menschen zu treffen und mich mit ihnen auszutauschen. Es ist wichtig zu sehen, das andere taubblinde Menschen dieses oder jenes können, anstatt das immer gezeigt wird, was sie nicht können.“,

erzählt daher auch Judith (Deutschland).

Erasmus+ Förderung ermöglicht Teilhabe für Personen mit unterschiedlichen Kommunikationswegen

Das European Deafblind Youth Camp bot vom 21. bis zum 31. Juli 2024 in Oer-Erkenschwick den jungen taubblinden Youth Leaders jede Menge Gelegenheit, auf Peers zu treffen, miteinander ins Gespräch zu kommen und mit- und voneinander zu lernen.

Das Camp wurde federführend von der Taubblindenjugend als Teil der Deutschen Gehörlosenjugend in Kooperation mit der European Deafblind Union und dem Taubblinden Verband organisiert. Vor zwei Jahren fand es zum ersten Mal in Belgien statt, damals vor allem durch Spenden finanziert.

Auch wenn 2024 wieder Spenden nötig waren, war das Budget durch die Erasmus+ Förderung der diesjährigen Ausgabe deutlich höher, wodurch Taubblindenassistent*innen, Gebärdendolmetscher*innen und viel Technik finanziert werden konnten, die eine Teilhabe für Personen mit unterschiedlichen Kommunikationswegen ermöglicht hat.

Intensive Planung und Vorbereitung

„Meine Aufgabe ist, allen Menschen das zu geben, was sie brauchen. Manche Menschen brauchen Braille, manche brauchen Untertitel, manche brauchen eine Kamera, die ganz nah heranzoomen kann, damit sehbeeinträchtigte Personen die auf der Bühne gebärdende Person auf einem großen Bildschirm besser erkennen können“, 

berichtet Daniel (Portugal) aus dem Kommunikationsteam.

Nicht nur finanziell war die Organisation des Camps eine Herausforderung. Neben der Logistik hat das Team viel Zeit und Mühe in die Vorbereitung der Räumlichkeiten gesteckt und sie unter anderem mit Leitsystemen, Markierungen möglicher Hindernisse und hellen Lichtern für den Außenbereich für die Kommunikation durch Gebärden in der Dunkelheit ausgestattet.

So ist dann auch beeindruckend, was das Team alles auf die Beine gestellt hat. Beeindruckend ist für Außenstehende auch, auf wie viele unterschiedliche Arten hier kommuniziert wird. Neben Gebärdensprache und taktilen Gebärden werden bestimmte Signale über Berührungen am Rücken gegeben. Es gibt eine Person, die das Gebärdete für blinde Personen mit Hörvermögen voict (spricht) und Live-Transkription. Beim Kicker-Turnier wird durch Signale am Rücken angezeigt, wie der Ball sich bewegt.

Einmalige Gelegenheit zum Austausch

Am beeindruckendsten ist aber, mit welcher Energie, Motivation und Freude alle dabei sind, denn die Möglichkeit für einen Austausch mit so vielen anderen taubblinden Personen ist hier für niemanden selbstverständlich. Deborah ist sogar aus den USA angereist, weil die Idee sie so faszinierte.

Sie hat über Social Media vom Camp erfahren, sich als Freiwillige gemeldet und steht jetzt Andrea als Taubblindenassistenz zur Verfügung. Evgenia aus Griechenland ist nicht taubblind, sondern gehörlos. Da es in Griechenland keine organisierte Taubblindenjugend gibt, will sie von Beispielen aus anderen Ländern lernen und diese Erfahrungen in die Community in der Heimat zurückzutragen.

Quelle: JUGEND für Europa vom 02.10.2024

Redaktion: Lukas Morre

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