Kindertagesbetreuung

Bundesprogramm Sprach-Kitas erhalten

Die Entscheidung der Bundesregierung, das Bundesprogramm „Sprach-Kita: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ Ende des Jahres 2022 auslaufen zu lassen, stößt auf heftige Kritik von Verbänden, Kita-Trägern und Eltern. Die Kampagne "Sprach-Kitas retten" setzt sich für den Erhalt des Programms ein.

23.08.2022

Der Deutsche Caritasverband (DCV) und sein Fachverband „Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) - Bundesverband“ setzen sich mit Nachdruck für die Fortführung des Bundesprogramms „Sprach-Kita: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ ein. Ziel des Programm ist es, die sprachliche Entwicklung von Kindergartenkindern bestmöglich zu fördern. Dabei werden Tandems aus Kita-Leitung und zusätzlicher Fachkraft ausgebildet. Der Bund ermöglicht dies durch Zuschüsse. Inzwischen ist jede achte deutsche Kita eine Sprach-Kita. Nach insgesamt elf Jahren will nun der Bund sein Förderprogramm zum Jahresende beenden.

Caritas-Präsidentin Eva M. Welskop-Deffaa:

„Nach zwei Pandemie-Jahren stehen Kindertageseinrichtungen am Rand ihrer Kräfte. Die Kinder brauchen intensive Begleitung, die Eltern verlässliche Betreuungsarrangements. Das alles ist keine Selbstverständlichkeit angesichts des fragilen Personalschlüssels und des coronabedingt nach wie vor hohen Krankenstandes [...]. Das Bundesprogramm Sprach-Kitas hat auf eine besondere Herausforderung der Kitas mit gezielter Förderung reagiert: Viele Kinder lernen zu Hause nicht ausreichend Deutsch. Für sie ist eine individuelle sprachliche Förderung der Schlüssel zur Entwicklung. Das gilt nicht zuletzt auch für die Kinder aus der Ukraine, deren Betreuung und Begleitung die Kitas in diesem Jahr zusätzlich beansprucht.“

Streichung des Programms entgegen der Ankündigung im Koalitionsvertrag

Entscheidender Vorteil des Programms aus Sicht der Träger: Derzeit ist der Fachkräftemangel der größte Engpassfaktor in der frühkindlichen Bildung. In der Corona-Zeit hat er sich verschärft. Die Fachkräfte sind ausgebrannt, psychisch belastet und der Krankenstand ist hoch. Das Bundesprogramm hat auch ermöglicht als Sprach-Fachkraft Menschen einzustellen, die nicht als Erzieher:innen ausgebildet sind. Das hat zu Entlastungen geführt. Besonders vor dem Hintergrund des Zuzugs vieler geflüchteter Kinder aus der Ukraine ist das Sprach-Kita-Programm heute wichtiger denn je: Aus seinen Fördergeldern werden zusätzliche Fachkräfte für alltagsintegrierte sprachliche Bildung und inklusive Pädagogik sowie zusätzliche Fachberatung finanziert. „Entgegen der Ankündigung im Koalitionsvertrag will die Bundesregierung ein erfolgreiches Programm streichen, das erwiesenermaßen für viele Familien und Kinder eine große Hilfe ist“, so Welskop-Deffaa weiter. Diese Entscheidung müsse rasch rückgängig gemacht werden, fordert der Caritasverband.

Seit Jahren fehlen Fachkräfte

Domkapitular Clemens Bieber, Vorsitzender des KTK-Bundesverbandes, erklärt, dass viele der Sprach-Fachkräfte und Fachberatungen im Sprach-Kita-Programm Quereinsteiger:innen sind, die in ihrem Bundesland nicht als Erzieher:in arbeiten dürften. Andere sind ausgebildete Erzieher:innen und haben in dem Programm spezifische Kompetenzen ausgebildet, die im Kita-Alltag dringend gesucht werden. Es sei kurzsichtig, inmitten eines seit Jahren anhaltenden Fachkräftemangels staatliche Mittel aus der Kindertagesbetreuung abzuziehen, sagt Bieber, weiterhin sei es ein fatales Signal, dass die Rechte von Kindern und die ihrer Familien politisch nicht zählen.

Programm für bildungsbenachteiligte und geflüchtete Kinder unerlässlich

„Sprachliche Bildung im Alltag, inklusive Pädagogik und individuelle Zusammenarbeit mit Familien - das Bundesprogramm hat das Angebot unserer Kita für unsere Kinder und ihre Eltern spürbar verbessert“, beschreibt Manuela Wohlgethan, Leiterin einer Sprach-Kita in Werl, die Vorteile in einem Interview. In ihrer Kita wird derzeit noch eine von über 7.000 Sprach-Fachkräften bundesweit aus dem Bundesprogramm finanziert. „Die Evaluationen zeigen, dass gerade Kinder aus bildungsbenachteiligten Haushalten und neu zugezogene Kinder, beispielsweise aus der Ukraine, von der Förderung profitieren.“

Caritas-Präsidentin Eva M. Welskop-Deffaa erklärt dazu:

„Wir erwarten eine Fortsetzung des Bundesprogramms an den bisherigen Standorten [...]. Wenn das Programm begrenzt bis Ende 2024 fortgeführt wird, können die Bundesländer in dieser Zeit dafür sorgen, die Sprach-Fachkräfte dauerhaft zu halten. Sie können bis dahin die Regeln ändern, wer in Kindertageseinrichtungen arbeiten darf und wie multiprofessionelle Teams zusammengesetzt sein können. Auch für Weiterbildung und Finanzierung können sie bis dahin gesorgt haben.“

Start der Kampagne „Sprach-Kitas retten"

Am 17.08.2022 startete die bundesweite Kampagne „Sprach-Kitas retten“, die sich für einen Erhalt und die Fortführung des Bundesprogramms „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ einsetzt. Die Bundesregierung hat in ihrem Haushaltsentwurf für das Jahr 2023 keine Finanzmittel für die Fortsetzung der Sprach-Kitas eingeplant, obwohl die drei Regierungsparteien im Koalitionsvertrag genau das Gegenteil versprochen haben.

Dazu erklärt Brigitte Döcker, Vorstandsvorsitzende des AWO Bundesverbandes:

„Im Koalitionsvertrag ist die Fortführung und Weiterentwicklung des Bundesprogramms verankert. Ein Ende ist also nicht nur ein fatales Zeichen für die Kindertagesbetreuung, sondern schlicht ein Wortbruch. Die frühkindliche Bildung muss gefördert werden, damit Chancengerechtigkeit nicht nur ein leeres Versprechen auf dem Papier bleibt. Hier wird am falschen Ende gespart!“

Um für den Erhalt der rund 7.000 Sprach-Kitas und geförderten Fachberatungsstellen des Programms zu kämpfen, unterstützt die Kampagne „Sprach-Kitas retten“ eine beim Deutschen Bundestag eingereichte Petition von Wenke Stadach, Kita-Leiterin einer Sprach-Kita aus Neubrandenburg. Die Petition kann seit der 34. KW auch über das Petitionsportal des Deutschen Bundestags unterzeichnet werden. Bereits jetzt sammeln im Rahmen der Kampagne „Sprach-Kitas retten“ in ganz Deutschland engagierte Fachkräfte, Eltern, Träger und Organisationen handschriftliche Unterschriften für die Petition. Erreicht sie vor Ablauf der Zeichnungsfrist von vier Wochen das Quorum von 50.000 Unterschriften, muss eine öffentliche Anhörung im Petitionsausschuss durchgeführt werden, bei der die zuständigen Fachministerien Rede und Antwort stehen werden.

Quelle: Deutscher Caritasverband e. V. vom 17.08.2022, AWO Bundesverband e.V. vom 17.08.2022

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